# taz.de -- Einflussnahme auf direkte Demokratie: Vergoldete Gondeln | |
> Ein Musicalunternehmen und ein Seilbahnbauer wollen bei einem positivem | |
> Bürgerentscheid Hamburg eine Seilbahn und zehn Millionen Euro für soziale | |
> Projekte schenken. Ein unmoralisches Angebot, sagen Kritiker. | |
Bild: Noch gibt es sie nicht: So stellt sich der Musicalkonzern Stage Entertain… | |
HAMBURG taz | Die Firma Stage Entertainment und der österreichische | |
Seilbahnbauer Doppelmayr haben angekündigt, dem Bezirk Hamburg-Mitte zehn | |
Millionen Euro für soziale Projekt zu spenden, sollte der geplante Bau der | |
Seilbahn zustande kommen. Weil die beiden Unternehmen diese Offerte einen | |
Monat vor dem Bürgerentscheid über das Projekt unterbreiten, sehen Experten | |
darin eine neue Dimension der Einflussnahme auf die direkte Demokratie. | |
Wenn es nach den beiden Unternehmen geht, sollen Musicalbesucher in Hamburg | |
bald auch mit Gondeln zu den Musiktheatern gelangen können. Die Unternehmen | |
wollen den Spendenbetrag aus den Einnahmen der geplanten Seilbahn | |
finanzieren: Zehn Jahre lang sollen für jede einfache Fahrt 50 Cent für | |
wohltätige Zwecke abgeführt werden, erklärte Seilbahnbauer Michael | |
Doppelmayr Ende vergangener Woche. | |
Während dieser versichert, mit dem in Aussicht gestellten Geschenk | |
keineswegs Stimmen kaufen, sondern als Unternehmen soziale Verantwortung | |
übernehmen zu wollen, kritisierten SPD und Die Linke das Vorgehen scharf. | |
Von einem „Lockangebot“ und „vergifteten Geschenk“ ist die Rede. | |
Die Tatsache, dass die Gondeln lediglich von St. Pauli zu den beiden | |
Spielstätten von „König der Löwen“ und „Das Wunder von Bern“ zum Sü… | |
der Elbe übersetzen sollen, hat der Seilbahn bei ihren Gegner den Namen | |
„Musicalzubringer“ eingebracht. Ob die beiden Unternehmen ihr Projekt bauen | |
dürfen oder nicht, entscheidet am 24. August ein bezirklicher | |
Bürgerentscheid. Dann sind fast 200.000 Wahlberechtigte aufgerufen, ihre | |
Stimme abzugeben. | |
Ein Bürgerbegehren von etwa 14.000 Unterschriften wurde im Juni von SPD, | |
Grünen und Linken in der Bezirksversammlung Mitte nicht akzeptiert. Die | |
Parteien halten die Seilbahn, die in rund 80 Metern Höhe über die Elbe | |
schweben soll, für eine zu große zusätzliche touristische Belastung für den | |
Stadtteil St. Pauli. | |
Das zuständige Bezirksamt Hamburg-Mitte prüft nun, ob es sich bei der | |
angebotenen Spende um einen unzulässigen Eingriff in den laufenden | |
Bürgerentscheid handeln könnte. Damit reagiert das Amt auf eine Beschwerde | |
der Seilbahn-Gegner. | |
Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) kritisiert die Ankündigung der | |
Unternehmen. „Wenn ein Unternehmer der Bevölkerung, die zur Abstimmung über | |
sein Bauvorhaben aufgerufen ist, bei Zustimmung Wohltaten für zehn | |
Millionen Euro verspricht, dann beschädigt das unsere demokratische | |
Kultur“, sagt er. Unabhängig vom Ergebnis der Prüfung handele es sich bei | |
dem öffentlichen Spendenangebot um „einen gravierenden Vorgang“. | |
Theo Schiller, Politikwissenschaftler an der Universität Marburg und Leiter | |
der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie sieht in der | |
Spendenzusage der beiden Unternehmen eine völlig ungewöhnliche Situation. | |
„Mir ist nicht bekannt, dass es so etwas in Deutschland je gegeben hat“, | |
sagt er. Eine rechtliche Handhabe, das Verfahren für unzulässig zu | |
erklären, sieht der Experte jedoch nicht. | |
„Politisch und moralisch ist das aber ein schwieriger Grenzfall“, sagt | |
Schiller. Unmittelbare Interessenten würden mit einem Spendenversprechen | |
Einfluss nehmen. Einen weiteren Punkt sieht er im zeitlichen Ablauf: „Es | |
wäre moralisch sauberer gewesen, die geplante Spende viel früher | |
anzukündigen - und zwar bevor die Unterschriften überhaupt gesammelt | |
werden.“ | |
Hans J. Lietzmann, Leiter der „Forschungsstelle Bürgerbeteiligung“ an der | |
Universität Wuppertal, geht davon aus, dass diese Art von Kampagnen in den | |
nächsten zehn Jahren zunehmen werden. „Bisher verbinden wir mit | |
Bürgerentscheiden eine Politik von unten“, sagt er. Aber künftig könnten | |
Kampagnen wie diese zum Geschäftsmodell werden. | |
Gregor Hackmack von „Mehr Demokratie“ glaubt, dass das Vorgehen der | |
Unternehmen für die Öffentlichkeitswirkung unklug sei. „Beeinflussung kommt | |
eben nicht gut an.“ Man solle die Bürger nicht unterschätzen. | |
28 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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