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# taz.de -- taz-Serie Jüdisches Leben: „Facebook ist ein Kriegsschauplatz“
> Sich als Jude in Deutschland von Israel distanzieren? Schwierig, sagt
> Alex Pen. Dennoch seien viele Linke in der israelischen Community Berlins
> beschämt über den Krieg.
Bild: Unter Linken seit jeher umstritten: Pro-Israel-Demos.
taz: Herr Pen, am Freitag fand die jährliche antiisraelische Al-Quds-Demo
statt. Waren Sie als jüdischer Israeli auf einer der Gegendemos?
Alex Pen: Ich finde die Al-Quds-Demo – wie auch die Gegendemos –
unerträglich. Ich finde es schrecklich, wenn Leute israelische Fahnen
schwenken und ihre Solidarität mit dem Land kundtun, während in Gaza dieses
Massaker stattfindet. Andererseits kann ich aus Solidarität mit meinen
iranischen FreundInnen auch nicht auf die Al-Quds-Demo gehen – dort wird ja
die iranische Regierung unterstützt. Aber ich war auf vielen anderen
Veranstaltungen gegen die Angriffe auf Gaza. Worüber die Medien aber fast
nie berichten: Es gibt dort immer auch israelische und deutsche Juden.
Und Sie haben dort keine problematischen Situationen erlebt?
Sicher kam es auch zu antisemitischen Äußerungen. Aber die
PalästinenserInnen selbst sind dagegen vorgegangen. Wir haben auch manchmal
hebräische Schilder dabei, und dann kommen vor allem hier geborene junge
Palästinenser und stellen Fragen. Ich kann verstehen, warum sie denken,
dass alle Juden Zionisten und alle Israelis für diesen Krieg sind. Die
jüdischen Gemeinden hier in Deutschland sorgen doch auch dafür, denn sie
sprechen einfach in meinem Namen über die Solidarität mit Israel. Natürlich
ist es schwierig, sich als deutscher Jude von Israel zu distanzieren – aber
deshalb muss man doch diesen Krieg nicht unterstützen.
Sie distanzieren sich von Israel?
Ich bin Antinationalist, ich glaube nicht, dass Nationalstaaten existieren
sollten. Stattdessen sollten alle Menschen gleich behandelt werden. In
Israel werden Juden rassistisch privilegiert und Araber rassistisch
diskriminiert.
Würden Sie sich denn als Antizionisten bezeichnen?
Ich bin ganz klar gegen die Politik aller israelischen Regierungen seit der
Gründung des Staates. Wenn Antizionismus bedeutet, gegen Israel zu sein als
ein Staat für Juden, in dem alle anderen diskriminiert werden, dann bin ich
Antizionist. Aber in Deutschland ist es wegen der Geschichte schwierig,
diesen Begriff zu benutzen.
Über die Frage, was legitime Kritik an Israel ist und wann Antisemitismus
beginnt, wird in Deutschland gestritten. Sehen Sie Ihre Kritik vor diesem
Hintergrund auch als problematisch, weil sie antisemitische Tendenzen
fördern könnte?
Ich glaube, antijüdischen Ressentiments begegne ich am besten, indem ich
zeige, dass nicht alle Juden proisraelisch und gutbürgerlich sind. Nur so
kann Antisemitismus bekämpft werden. Wir sind eine sehr heterogene
Gemeinschaft.
Ihren echten Namen wollen Sie nicht in der Zeitung lesen. Warum?
In Israel gibt es seit etwa einem Monat sehr viele rechtsradikale Angriffe,
es gibt eine richtige Pogromstimmung gegen linke Israelis und Araber. Meine
Freunde dort haben Angst, überhaupt politisch aktiv zu sein. Die Mehrheit
in Israel hasst die Linken sowieso, aber es war noch nie so gewalttätig wie
jetzt. Natürlich mache ich mir auch Sorgen um meine Freunde und Familie,
wenn Raketen in Israel einschlagen. Aber ich muss sagen, meine Freunde in
Tel Aviv erleben gerade mehr Gewalt von Rechtsradikalen als durch Raketen.
Gibt es diese Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Israelis
auch in Berlin?
Hier beschränkt es sich auf die sozialen Netzwerke. Facebook ist ein
Kriegsschauplatz geworden, auf dem es sehr viel verbale Gewalt gibt. Man
wird als Verräter beschimpft, und es werden Wünsche geäußert, dass die
Familien derjenigen umkommen, die gegen den Krieg sind.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation in Israel und Palästina auf die
israelische Community hier in Berlin aus?
Bei den meisten Linken gibt es große Verzweiflung und Scham. Sie fühlen
sich als israelische Staatsbürger verantwortlich und wissen gleichzeitig
nicht, was sie tun können. Sie haben Angst vor steigendem Antisemitismus
hier in Deutschland, und natürlich sorgen sie sich auch um ihre Familien in
Israel. Manche haben Freunde und Familie, die als Soldaten im Krieg sind.
Mir tut es leid um jeden toten israelischen Soldaten, auch wenn ich finde,
die sollten überhaupt nicht in Gaza sein. Aber all das ist nicht
vergleichbar mit der Situation meiner palästinensischen Freunde, deren
Familien in Gaza leben. Und ich selber weiß auch nicht, ob meine Freunde in
Gaza den Krieg überleben.
30 Jul 2014
## AUTOREN
Hilke Rusch
## TAGS
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