Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Comic-Trilogie „König der Fliegen“: Cool. Gefühlsgestört. To…
> Eine umwerfend düstere Suburbia-Tristesse voller kaputter Menschen: Auch
> der finale Band des „König der Fliegen“ entfaltet eine hypnotische
> Sogwirkung.
Bild: This is not America.
Der Himmel ist hier nie richtig hell. Selbst am Tag ist er nur
dunkeltürkis, grüngrau, rosa, ocker. Toxisch. Wie alles in der Graphic
Novel „Der König der Fliegen“, deren finaler dritter Band jetzt erschienen
ist. Eine düstere, herausfordernde, auch faszinierende Weltvision.
Der König der Fliegen heißt Éric. Er schluckt dauernd irgendwelches Zeug
und kriegt jedes Mädchen. Gleich zu Beginn ficken er und Sal, die Freundin
seines Freundes Damien, auf einer Halloweenparty. Éric trägt einen
Riesenfliegenkopf, sie ein Katzenkostüm. Damien, ein Skelett, wird
währenddessen von einem Auto totgefahren. Kein Witz.
Sal und Éric fangen was miteinander an, sie steigt später auch mit Dennis
ins Bett, einem Kleindealer mit dementer Oma und Tyrannenvater. Éric fickt
(ja, man muss „ficken“ schreiben, es wird dauernd gefickt, in allen drei
Bänden, und kein Wort trifft es präziser) dafür mit Marie. Sie ist jünger,
schneidet sich die Haare kurz und verbrennt ihre Kuscheltiere.
Adoleszenzrituale. Ihr Vater ist ein Komplettversager, Alkoholiker in
leitender Angestelltenposition, seine Ehe: ein Witz. Maries kleine
Schwester ist eine unschuldige Brillenschlange, wird später aber auch noch
frühreif.
Éric sitzt oft vor dem Haus seiner tablettensüchtigen, jugendwahngeplagten
Mutter in einem Sofasessel wie auf einem Thron. Endlose Sommerferien in
Suburbiatristesse. Jobben als Gartenhilfe, im Diner, als Clown vor der
Shopping Mall. Individueller Assoziationsblaster: [1][Ghost World],
[2][//www.youtube.com/watch?v=aI4YaLJKFw4:alte MTV-Cartoons], ganz
generell: die Neunziger, Generation X, [3][dieses Psychovideo zu Black Hole
Sun], David Lynch, Donnie Darko. Das hier müssen die USA sein, es geht gar
nicht anders. Sind sie aber nicht, Mezzo und Pirus lassen ihre
Never-coming-of-Age-Story im Norden Frankreichs spielen. Euroscheine und
Fernsehnachrichtenfetzen verraten es.
Irgendwann landet Éric (er ist komplett bindungsunfähig, falls das noch
nicht klargeworden sein sollte) bei Karine. Sie hat sich schwängern lassen,
von Becker, der doppelt so alt ist wie sie, aber inzwischen auch tot. Das
Herz. Beckers Bowlingfreunde setzen Éric zu. Dabei ist das hier gar nicht
nur Érics Geschichte, die Erzählperspektive wechselt kapitelweise, viel
innerer Monolog führt uns in die Gedankenwelten von mehr als einem Dutzend
kaputter Menschen.
Blättert man schnell durch den „König der Fliegen“ findet man kaum Zugang
zu den Texten von Pirus. Sie sind hermetisch, anstrengend, aufgesetzt, wie
Leute, die Drogen genommen haben. Haben sie ja auch. Liest man sich dann
aber fest, wird man hineingezogen. Gewaltausbrüche, der Geist von Jarvis
Cocker, Halluzinationen – das ganze Buch ist eine Stimmung, umwerfend
düster koloriert, und man will Teil davon sein, obwohl man sieht, wie
dysfunktional und gefühlsgestört alle sind, aber halt auch cool, also, die
meisten (nicht solche Loser wie der Vater von Marie). Toxisch. Einer lässt
Werbeschilder in Flammen aufgehen, er beschießt sie mit brennenden Pfeilen.
Und die Toten? Verharren in einer Zwischenwelt, die noch schlimmer ist als
die Vorstadt, obwohl sie sich auf den Mars beamen können. Da ist es aber
auch irgendwann öde.
Im dritten Teil wird alles noch wirrer, traumähnlicher und auch
übernatürlich. Ein Bowlingkegel dient als MacGuffin. Éric beginnt, sich zu
prostituieren, den Halloweenfliegenkopf vom Anfang nutzt er immer noch. Auf
der letzten Seite kriegt er einen Blowjob, auf dem Beckenrand eines
Vorgarten-Swimmingpools.
13 Aug 2014
## LINKS
[1] http://blog.comicsgrid.com/wp-content/uploads/2011/03/Clowes-extract-p.-39.…
[2] http://https
[3] http://vimeo.com/18415497
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Graphic Novel
Coming-of-Age
Comic
Comic
Graphic Novel
Avant-Verlag
Comic
Comic
Comic
Comic
Graphic Novel
Fantasy
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Patience“ von Comiczeichner Clowes: Psycho-Trip in die Vergangenheit
Kult-Indie-Comiczeichner Daniel Clowes erzählt in „Patience“ eine
vielschichtige, düstere Paargeschichte – inklusive Zeitreise.
Comics der Weltklasse: Das Spiel des Überlebens
Zeina Abirached besucht in Bremen eine kleine Schau ihrer Graphic Novels in
Schwarz-Weiß. In deren Zentrum lauern, unsichtbar, der Krieg und das
Grauen.
Graphic Novel aus Finnland: Eine recht archaische Jungsjugend
Es ist eine liebevolle Coming-of-Age-Story mit schrägem Titel. Tikkanens
„Blitzkrieg der Liebe“ erzählt vom Aufwachsen in der finnischen Provinz.
Zeichnerin Barbara Yelin über ihr neues Buch: „Wegschauen passiert nicht ein…
Barbara Yelin thematisiert in ihrem Comicbuch „Irmina“ das Mitläufertum im
Nationalsozialismus. Dafür hat sie sich von der Biografie ihrer Großmutter
inspirieren lassen.
Comic von Chloé Cruchaudet: Statt in den Krieg ins Kleid
Ein Deserteur, der zur Frau wurde, um den Behörden zu entkommen: Chloé
Cruchaudets „Das falsche Geschlecht“ zeichnet die Story von Paul Grappe
nach.
Comics von Corben und Seeley: Wenn die Mumie erwacht
Richard Corben zeichnet Monster. Die Heldin sieht aus wie eine ins
Phantasmagorische gesteigerte Jayne Mansfield. Und Tim Seeley lässt Untote
auferstehen.
Zwei neue Comics von Ed Piskor: Von Phreaking und Scratching
Ed Piskor blickt zurück in die USA der späten Siebziger: Mit der
Musikenzyklopädie „Hip Hop Family Tree“ und der furiosen Hacker-Story
„Wizzywig“.
Graphic Novels über Mobbing: Selbstbildnis als traurige Wurst
Zwei Comics erzählen, wie sich Kinder das Leben zur Hölle machen. „Jane,
der Fuchs und ich“ wählt leise Töne, „Antoinette kehrt zurück“ heftige.
Neue Graphic Novel von Trondheim: Ralph ist übrigens ein Erpel
Der vierte Band der Ralph-Azham-Serie sprüht vor Einfällen, Humor und
Magie. Die irrwitzige Fantasyparodie hält sich betont flapsig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.