# taz.de -- Erneuerbare Energien: Wo bleibt die Wärmebremse? | |
> Über das EEG hinaus: Weniger Abhängigkeit von Russland, die Klimawende | |
> schaffen – was getan werden kann auf dem deutschen Energiemarkt. | |
Bild: Dämmen und schlau heizen – so sieht die Wärmestrategie aus. | |
Kaum war das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verabschiedet, | |
kündigte Energieminister Sigmar Gabriel eine 10-Punkte-Agenda an, um die | |
offenen Baustellen der Energiewende zu bearbeiten. Schon jetzt ist den | |
Themen „Strommarktdesign“ und „Stromnetze“ spätestens nach der Sommerp… | |
die größte politische und mediale Aufmerksamkeit sicher. | |
Dabei macht Strom in Deutschland nur 16 Prozent des Endenergieverbrauchs | |
aus – mehr als die Hälfte des Energiebedarfs entsteht im Wärmesektor. Aus | |
klima- und verbraucherpolitischer Perspektive ist der Handlungsdruck im | |
Wärmebereich somit deutlich größer als beim Strom. | |
Die Politik hat die Bedeutung des Wärmesektors prinzipiell längst erkannt. | |
Die Ziele waren schon bei Schwarz-Gelb hoch gesteckt, und daran hat sich | |
auch bei Schwarz-Rot nichts geändert: Die Bundesrepublik will bis 2050 | |
CO2-Neutralität für den Gebäudebestand. Das bedeutet nichts anderes, als | |
dass Erdgas, Öl und Kohle bis 2050 aus der Wärmeproduktion verschwunden | |
sein müssen. Nur passiert nichts. | |
Dabei sind die Heizkosten in den letzten 20 Jahren um rund ein Drittel | |
stärker gestiegen als die Stromkosten. Laut Wirtschaftsministerium gibt ein | |
Haushalt durchschnittlich doppelt so viel für Heizung und Warmwasser aus | |
wie für Strom. Eine nationale Wärmestrategie wird daher immer auch | |
Sozialpolitik sein. Nur hat kein Politiker jemals eine Wärmepreisbremse | |
gefordert, und wir warten bis heute auf die Talkshow zu ausufernden | |
Heizkosten. | |
Gleichzeitig ist der Wärmesektor von unmittelbarer geopolitischer Relevanz. | |
Die Ukraine-Krise hat das Thema Importabhängigkeit europaweit auf der | |
Energieagenda nach oben katapultiert. Kein Wunder, denn im Jahr 2013 hat | |
die EU 42 Prozent ihres Gasbedarfs und 33 Prozent ihrer Ölimporte aus | |
Russland bezogen. Sollte der Gashahn im Winter zugedreht werden, würden die | |
Bürgerinnen und Bürger für die träge Energiepolitik ihrer Regierungen | |
bezahlen. Der Ruf aus Osteuropa nach mehr „Energiesolidarität“ innerhalb | |
der EU zeigt, dass die Grenzen zwischen „national“ und „europäisch“ in… | |
Energiepolitik schon längst verschwommen sind. | |
## Mehr als 30 Prozent traut sich keiner | |
Daher ist es auch so wichtig, dass auf EU-Ebene ein ambitioniertes und | |
verbindliches Energieeffizienzziel für den Zeitraum von 2020 bis 2030 | |
beschlossen wird. Zahlreiche Studien, einschließlich Berechnungen der | |
Europäischen Kommission, haben gezeigt, dass ein Energieeinsparziel von 40 | |
Prozent bis zum Jahr 2030 technisch möglich und langfristig kostenneutral | |
ist. Mit der Abhängigkeit von russischen Importen wäre es damit auch | |
vorbei. Es ist daher unverantwortlich, dass die Politik sich bisher | |
querstellt. Von den Staats- und Regierungschefs ist in dieser Frage de | |
facto Einstimmigkeit erforderlich, weil energiepolitische Fragen der | |
Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten vorbehalten sind. Und zu mehr als 30 | |
Prozent Energieeinsparung bis 2030 scheinen sie sich nicht durchringen zu | |
können. | |
Man darf sich auch gerade im Fall Deutschlands fragen, warum Gabriels | |
10-Punkte-Plan der Energieeffizienz keinen größeren Stellenwert beimisst. | |
Fraglich ist auch, wie die energetische Gebäudesanierung den Hauptbeitrag | |
bei der Einsparung leisten soll. Die derzeitigen Maßnahmen reichen hierzu | |
nicht aus. Zum Beispiel brauchen wir eine Ausweitung der Förderung von | |
energetischer Sanierung: Sie federt die Kosten ab, die sonst Mieter und | |
Eigenheimbesitzer tragen müssten, und sie zieht pro Euro Förderung bis zu 8 | |
Euro Investitionen nach. Das schafft und sichert Arbeitsplätze, was | |
wiederum das Lohnsteueraufkommen hebt. | |
## Die warmen Erneuerbaren | |
Genauso wichtig wie die Energieeinsparung ist die Rolle der erneuerbaren | |
Energien in der Wärmepolitik: Insbesondere Geothermie und Solarthermie | |
müssen endlich eine Schlüsselrolle in einer integrierten Wärmestrategie | |
einnehmen. Mehr Erneuerbare im Wärmesektor nehmen auch den Druck aus der | |
energetischen Sanierung als alleinigem Beitrag für die Energieeffizienz von | |
Gebäuden. Gleichzeitig machen sie die Klimaneutralität im Gebäudebereich | |
bis 2050 möglich, reduzieren die Importabhängigkeit von Öl und Gas | |
drastisch und geben den Verbrauchern eine attraktive Perspektive auf | |
stabile Heizkosten. | |
Erneuerbare Wärme erfordert allerdings notwendigerweise eine innovativere | |
Infrastrukturpolitik. Eine durchdachte Wärmeinfrastruktur mit Nah- und | |
Fernwärmenetzen kann verschiedenste Wärmeerzeugungen in einem integrierten | |
Netz- beziehungsweise Speichersystem zusammenführen. So ein Ansatz muss | |
sinnvoll mit Konzepten zur Energieeinsparung abgestimmt werden: Bevor mehr | |
Wärme erzeugt wird, muss zuerst die Verschwendung reduziert und das | |
Potenzial bisher vergeudeter Prozesswärme aus Industriebetrieben genutzt | |
werden. | |
Um das volle Potenzial der Wärmepolitik zu erschließen, müssen letztlich | |
auch alle relevanten Akteure vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen | |
werden: die Kommunen, öffentliche wie private Wohnungswirtschaft, die | |
Stadtwerke sowie Industriebetriebe mit Prozesswärme. Das schafft Anreize | |
und Investitionssicherheit. Und nur so können sowohl die Verbraucher als | |
auch das Klima profitieren. | |
Es braucht also schon einen kleinen Kraftakt, um die Energiewende im Wärme- | |
und Effizienzbereich zu verwirklichen. Profitieren würden von einer | |
koordinierten Wärmestrategie aber alle: die Sozial- und Verbraucherpolitik, | |
die Klima- oder Energiepolitik und selbst die Außenpolitik, für die | |
Energiesicherheit zum Schlüsselthema geworden ist. Denn jeder gesparte | |
Kubikmeter Gas muss nicht importiert werden. | |
23 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Sabrina Schulz | |
Robert Werner | |
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