# taz.de -- Debatte PKK-Verbot in Deutschland: Aus einer anderen Zeit | |
> Das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland muss weg. | |
> Es bedeutet eine ständige Bedrohung für hier lebende Kurden. | |
Bild: Grund für eine Abschiebung? Öcalan-Transpi auf einer Demo. | |
Jetzt werden die Kurden also Waffen aus Deutschland bekommen, um gegen die | |
Islamisten im Irak zu kämpfen. Seit Wochen stand die Frage im Raum, ob nur | |
die irakischen Peschmerga oder auch die türkische PKK davon profitieren | |
soll. Die Bundesregierung hat dies zwar verneint, nimmt aber hin, dass die | |
Peschmerga einen Teil der Lieferung an die PKK weiterreichen könnten. | |
Dass diese Frage überhaupt auf die Agenda drängte, zeigt: Die Kurden haben | |
sich als einer der vernünftigsten Akteure in dieser völlig destabilisierten | |
Region erwiesen. Das Verbot der aus der PKK hervorgegangenen KCK (Koma | |
Civakên Kurdistan, „Union der Gemeinschaften Kurdistans“) in Deutschland | |
ist da schlechterdings nicht mehr haltbar. | |
Seit November 1993 gilt für die Organisation in Deutschland ein sogenanntes | |
Betätigungsverbot, erlassen vom damaligen Innenminister Manfred Kanther. In | |
den letzten Tagen hat das Bundesinnenministerium erklärt, daran festhalten | |
zu wollen. Das Verhältnis der PKK zur Gewalt sei „taktisch motiviert“, das | |
Verbot diene der Abwehr „schwerwiegender Gefahren für die Sicherheit | |
Deutschlands“. Auch das ist nicht haltbar. | |
Ja, es gab politische Morde. Ja, die PKK hat Menschen auf dem Gewissen und | |
wurde mit stalinistischen Methoden geführt. Doch das ist lange her. Und die | |
Türkei hatte sich damals die Vernichtung der kurdischen Rebellen zum Ziel | |
gesetzt. | |
## Autonomie statt eigenem Staat | |
Und heute? In Syrien sind die Kurden mit der autonomen Region Rojava einen | |
dritten Weg gegangen: Sie haben gegen Assad gekämpft, aber gleichzeitig | |
Abstand gehalten zu der zunächst völlig zerstrittenen und bald von | |
Islamisten übernommenen Opposition. Und nach allem, was man weiß, ist der | |
von den „Volksverteidigungskräften“ YPG, der syrischen kurdischen Miliz, | |
kontrollierte Teil des Landes deshalb der einzige, der nicht komplett im | |
Chaos versinkt. Ähnliches gilt für die kurdische Regionalregierung des | |
Nordirak, die auch von der Bundesregierung für zuverlässig gehalten und | |
deshalb nun mit Waffen versorgt wird. | |
Die PKK hat sich gewandelt. Seitdem ihr Anführer Abdullah Öcalan den | |
„demokratischen Konföderalismus“ als Leitideologie vorgegeben hat, strebt | |
die Partei nach eigenem Bekunden keinen kurdischen Staat mehr an, sondern | |
regionale Autonomie und eine engere Verflechtung mit den Kurden in Syrien | |
und dem Irak. Belege dafür, dass dies nicht stimmen könnte und es ihr | |
tatsächlich um die gewaltsame Abspaltung von der Türkei gehe, gibt es | |
nicht. Nicht zu vergessen: Es war der bewaffnete Arm der KCK, der sich dem | |
IS entgegengestellt und die bedrängten Jesiden aus dem Sindschar-Gebirge | |
gerettet hat. | |
Das Verbot in Deutschland war eine Ergebenheitsgeste gegenüber dem | |
Nato-Partner Türkei, der seinerzeit Krieg gegen die Kurden geführt hat – | |
und aus Deutschland Waffen für diesen Krieg bekommen hat. Gründe, bis heute | |
an dieser Loyalität festzuhalten, liefert selbst Ankara nicht. Die | |
türkische Regierung warnt zwar vor einer „Aufwertung“ der PKK durch den | |
Westen. Gleichzeitig hat sie selbst den ganz harten Konfrontationskurs | |
verlassen. Seit immerhin 2013 gibt es Friedensgespräche, es herrscht | |
Waffenruhe. | |
## Stigmatisierung von Kurden | |
Der wichtigste Grund für ein Ende des Verbots aber ist nicht | |
außenpolitischer Art. Es sind die Lebensbedingungen der in Deutschland | |
lebenden Kurdinnen und Kurden. Das Verbot hat sie zwei Jahrzehnte lang | |
derartig stigmatisiert, dass das Wort „Kurde“ zeitweise fast automatisch | |
mit Terrorismus in Verbindung gebracht wurde. | |
Praktisch jeder Versuch, sich für die Rechte der Kurden einzusetzen, kann | |
als Propaganda für die PKK gewertet werden. Dann droht nicht nur | |
Strafverfolgung, sondern ein ganzer Katalog zusätzlicher, | |
ausländerrechtlicher Sanktionen. Wem vorgeworfen wird, in Verbindung zur | |
PKK zu stehen oder für sie zu werben, dem kann die Verlängerung der | |
Aufenthaltserlaubnis verweigert werden: Dann droht die Ausweisung. Bereits | |
gewährtes Asyl kann nachträglich aberkannt werden. | |
Letzteres ist insofern besonders problematisch, als bei Kurden in der Regel | |
die politische Arbeit in kurdischen Organisationen Ursache der Flucht und | |
somit Grundlage der Asylgewährung ist. Aber auch Kurden mit vergleichsweise | |
festen Aufenthaltstiteln müssen deren Verlust fürchten: Wer sich politisch | |
betätigt, dem droht ebenfalls die Ausweisung, auch wenn er oder sie schon | |
lange hier lebt. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg machen hiervon | |
Gebrauch. | |
## Politik als Propaganda | |
Die Einbürgerung kann mit Verweis auf „Sicherheitsbedenken“ verwehrt | |
werden, sobald ein Anwärter auf den deutschen Pass irgendwie mit der PKK in | |
Verbindung gebracht wird. Familiennachzug, für Einwanderer ein wichtiger | |
Anspruch, ist bei Kurden stark erschwert. Sobald die Behörden politische | |
Betätigung feststellen, kann sie als Propaganda gewertet werden. Auch dann | |
werden „Sicherheitsbedenken“ geltend gemacht – und der Ehepartner bleibt | |
draußen. | |
Das PKK-Verbot prekarisiert aber nicht nur das Aufenthaltsrecht | |
Zehntausender Kurden, sondern kriminalisierte viele von ihnen: Es hatte die | |
Schließung von Kultureinrichtungen, Vereinen, kurdischen Medien, | |
Hausdurchsuchungen und Terrorprozesse zur Folge. Die Sicherheit der | |
Bundesrepublik sieht der Staat offenbar selbst durch das Zeigen von | |
Öcalan-Bildern oder das Rufen von Parolen wie „Freiheit für unseren Führer | |
Abdullah Öcalan“ bedroht – all dies kann als Propagandadelikt gewertet und | |
entsprechend bestraft werden. | |
Seitdem klar ist, dass die Kurden im Irak nicht nur zu den Leidtragenden | |
des Einmarsches der Dschihadisten zählen, sondern wohl die einzigen sind, | |
die sie möglicherweise aufhalten können, ist wieder Kritik am PKK-Verbot in | |
Deutschland zu hören. Und zwar nicht nur von der Opposition: Auch in der | |
SPD melden sich Stimmen, die eine Neubewertung fordern. Die müsste | |
juristisch nachvollziehen, was außenpolitisch offenbar geworden ist: dass | |
die Kurden und ihre Organisationen ein legitimer Akteur in der Region sind. | |
Das Verbot aufzuheben hieße, dies anzuerkennen. Und damit auch die Kurden | |
in Deutschland vom Generalverdacht des Terrorismus zu befreien. | |
2 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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