# taz.de -- Berliner Senat betrügt Flüchtlinge: Papier kann sehr geduldig sein | |
> Der Senat streitet weiter über die Flüchtlinge vom O-Platz. Zehn von | |
> ihnen besetzen seit einer Woche aus Protest ein Dach. | |
Bild: Zurückhaltend: Klaus Wowereit (l.) gegenüber seinem Innensenator. | |
BERLIN taz | Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) | |
schaltet sich weiterhin nicht in den koalitionsinternen Streit um die | |
Zuständigkeit Berlins für die Flüchtlinge vom Oranienplatz ein. Zwar sagte | |
ein Senatssprecher am Dienstag, im Senat gebe es einen Konsens darüber, | |
dass die im Frühjahr getroffene Vereinbarung mit den Flüchtlingen | |
„inhaltlich gilt“. Lediglich in „Detailfragen hinsichtlich der rechtlichen | |
Folgen“ gebe es unterschiedliche Einschätzungen. Doch eben diese | |
Uneinigkeit über die rechtliche Verbindlichkeit ist es, die derzeit in | |
Berlin für neue Dramatik beim Thema Flüchtlinge sorgt. | |
Seit acht Tagen haben sich zehn Menschen auf dem Dach ihrer Unterkunft in | |
Friedrichshain verschanzt, nachdem sie von der Ausländerbehörde | |
aufgefordert worden waren, Berlin zu verlassen. Die Flüchtlinge gehören zu | |
denjenigen, für die das im Frühjahr ausgehandelte „Einigungspapier | |
Oranienplatz“ gilt. | |
Inwiefern dieses rechtlich bindend ist, ist in den verschiedenen | |
Senatsverwaltungen allerdings umstritten: Am Montag hatte die taz [1][ein | |
juristisches Gutachten] veröffentlicht, das Innensenator Frank Henkel (CDU) | |
in Auftrag gegeben hatte. In dem Gutachten wird eine Zuständigkeit Berlins | |
für die Flüchtlinge verneint. Begründung: Nicht der zuständige Senator | |
Henkel habe das Abkommen unterschrieben, sondern seine Kollegin, | |
Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). | |
Kolat hatte im Frühjahr mit den Flüchtlingen das Einigungspapier | |
ausgehandelt, um das Zeltlager zu beenden, das die Flüchtlinge aus Protest | |
gegen die deutsche Asylpolitik auf dem Kreuzberger Oranienplatz | |
aufgeschlagen hatten. Das Papier verspricht im Gegenzug für die Auflösung | |
des Camps eine „umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren“ sowie | |
Unterbringung, Deutschkurse und mehr. | |
## Zynisches Gutachten | |
Nach Angaben der Flüchtlinge und ihrer AnwältInnen sind die | |
Einzelfallprüfungen bisher jedoch nicht unter Ausschöpfung aller | |
rechtlichen Möglichkeiten erfolgt. Tatsächlich hat die Ausländerbehörde | |
bislang alle Anträge auf Aufenthalt beziehungsweise auf Umverteilung aus | |
anderen Bundesländern abgelehnt. 108 Menschen erhielten die Aufforderung, | |
Berlin zu verlassen. | |
Der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano findet die Argumentation, | |
das Abkommen sei nicht bindend für Berlin, „zynisch“. Kolat habe für den | |
Senat verhandelt, sagt er. Daher sei dieser nun an ihre Zusagen gebunden. | |
Der Jurist hat selbst vor zwei Monaten ein Gutachten für Kolats Behörde | |
erstellt. In diesem legte er die Zuständigkeit Berlins für die Flüchtlinge | |
dar – Henkel brachte dagegen nun das anderslautende Gutachten in Stellung. | |
Für die Flüchtlinge auf dem Dach spitzt sich die Situation derweil weiter | |
zu. Die Polizei erlaubt weder die Versorgung mit Essen und Trinkwasser noch | |
den Kontakt zu AnwältInnen, solange die Männer das Dach nicht verlassen. | |
Doch das wollen diese nicht – denn dann droht ihnen mindestens | |
Obdachlosigkeit, in den meisten Fällen wohl auch eine Abschiebung. | |
2 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.documentcloud.org/documents/1281457-rechtsgutachten-hailbronner.… | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
Susanne Memarnia | |
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