# taz.de -- Kommentar Berlins Flüchtlingspolitik: Hauptsache, ihr verschwindet! | |
> Nehmen zu viele Menschen ihr Recht in Anspruch und suchen um Asyl nach, | |
> schließen wir das für sie zuständige Amt. Das ist Berlins Strategie. | |
Bild: Für Flüchtlinge wird es einsam in Berlin. | |
Vor wenigen Tagen verweigerte Berlins Innensenator Frank Henkel | |
protestierenden Flüchtlingen Nahrung, Strom und Decken. Nur etwas Wasser | |
wurde gewährt. Der Senat hatte sämtliche getroffenen Absprachen mit den | |
Flüchtlingen gebrochen, entsprechend groß ist die Verzweiflung auf ihrer | |
Seite. Einige wenige drohten damit, von einem Häuserdach zu springen. Der | |
Senat setzt auf die Politik des Aushungerns. | |
Am Mittwoch nun hat die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in | |
Berlin-Moabit wegen zu großer Nachfrage die Türen geschlossen. Womöglich | |
werde sie am kommenden Montag wieder öffnen. Sicher war man sich da nicht. | |
Bis dahin müssen die Menschen, denen nun wirklich gar nichts zur Last | |
gelegt werden kann außer ihrer Existenz, eben schauen, wo sie bleiben. | |
Denn zu viele nehmen, so erklärte es Berlins Sozialsenator Mario Czaja | |
(CDU), dieser Tage ihr Recht in Anspruch, um einen Aufenthaltstitel in | |
Berlin nachzusuchen. Sie haben dafür häufig nicht nur ihr Leben riskiert, | |
sondern stehen nun auch noch täglich in der gemütlichen Hauptstadt vor dem | |
für sie zuständigen Amt Schlange. Darauf ist dieses nicht eingerichtet. Man | |
hatte mit etwa 10.000 AntragstellerInnen pro Jahr gerechnet. Doch in den | |
letzten Tagen suchten laut Sozialsenator bereits rund 1.000 Menschen das | |
Amt auf. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Mehrheit der Anträge | |
wird abgelehnt. | |
Natürlich geht es hier nicht allein um Anträge, sondern vor allem um die | |
Unterbringung der Menschen. Berlins Senat war bislang stolz darauf, | |
Flüchtlinge weder in Containern noch in Zelten oder Turnhallen | |
einzupferchen. Damit das hätte so bleiben können, hätte die Politik | |
angesichts der dramatischen politischen Lage in der Welt vorsorgen müssen. | |
Denn es war ja klar, dass die Flüchtlingszahlen nach oben schnellen werden. | |
Das ist nicht geschehen. Denn man hat kein Geld, das hat man schon an | |
verschiedene gescheiterte oder scheiternde Prestigeprojekte verschwendet: | |
Flughafen, Stadtschloss – die Liste lässt sich fortsetzen. | |
Das bei Touristen wegen seiner Offenheit so beliebte Berlin wird dieser | |
Tage zum Symbol für eine Menschenverachtung, die mit dem üblichen | |
Dilettantismus der Hauptstadtpolitiker (siehe das Flughafendebakel) nichts | |
mehr zu tun hat. Brutal setzt der Senat seine Vorstellung von guten und | |
falschen Besuchern durch. So viele Menschen in Not ohne Obdach gab es noch | |
nie. Die Stadt will, dass die Flüchtlinge verschwinden. Irgendwie. | |
Entsprechend äußerte Sozialminister Czaja auf der Pressekonferenz die | |
Hoffnung, dass die Flüchtlinge, angesichts des geschlossenen Amts Berlin | |
verlassen würden. Immer wieder begegnet man dieser Haltung: Lasst uns die | |
Lebensumstände für die Menschen so menschenunwürdig gestalten, dass sie es | |
vielleicht doch nicht mehr aushalten. Und vergessen wir nicht: Die Zustände | |
in den Heimen sind bereits katastrophal. Dass sie in Containern und Zelten | |
noch schlimmer sind, sollte darüber nicht hinwegtäuschen. | |
Offensichtlich wurde die Schließung nicht mit anderen, in der | |
Flüchtlingsarbeit engagierten Institutionen abgestimmt. Die Asylsuchenden | |
stehen nun bis auf weiteres buchstäblich auf der Straße. Sollen die | |
„Unterstützer“ sich doch kümmern. Die Stadt erklärt sich de facto für n… | |
zuständig. Ob sich die Opposition irgendwann noch zu Wort melden und die | |
Regierenden an ihre Pflichten erinnern wird? Auch da kann man sich nicht | |
sicher sein. | |
4 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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