# taz.de -- NSU-Prozess in München: Festnahme offenbar verhindert | |
> Die Aussage eines Polizeiermittlers legt nahe, dass die Festnahme der | |
> NSU-Terroristen offenbar an den Behörden scheiterte. Das habe deren | |
> Untertauchen begünstigt. | |
Bild: Das übliche Bild: der Rücken von Zschäpe, umgeben von ihren Verteidige… | |
MÜNCHEN dpa | Ein leitender Kriminalbeamter aus Thüringen hat als Zeuge im | |
NSU-Prozess eingeräumt, dass Pannen der Behörden das Untertauchen der | |
mutmaßlichen Rechtsterroristen begünstigten. Der Polizist hatte 1997 eine | |
Ermittlungsgruppe übernommen, die politische Straftaten in Jena aufklären | |
sollte. Dabei rückte auch die „Kameradschaft Jena“ ins Visier, zu der Beate | |
Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehört haben sollen. | |
Der Beamte sagte am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München, seine | |
Ermittler hätten Mitglieder der rechtsradikalen „Kameradschaft“ | |
verdächtigt, mehrere Sprengsätze und Briefbombenattrappen abgelegt oder | |
verschickt zu haben. Die Polizisten seien vor allem auf Uwe Böhnhardt | |
aufmerksam geworden und hätten darum im Oktober 1997 das Landeskriminalamt | |
gebeten, ihn zu observieren. Dabei sei aber nichts herausgekommen. | |
Im November habe die Ermittlungsgruppe dann den Landes-Verfassungsschutz um | |
Unterstützung gebeten – mit Erfolg. Die Geheimdienstler hätten Böhnhardt | |
und Mundlos beobachtet, wie sie Brennspiritus und Gummiringe in eine Jenaer | |
Garage gebracht hätten. Beide hätten sich dabei „konspirativ“ verhalten. | |
Die Garage sei dann durchsucht worden, schilderte der Beamte. Dabei habe | |
die Polizei Stahlrohre, Farben und anderes Material gefunden, das zu den | |
Bomben passte. Die Polizei sei überzeugt gewesen, dass die Sprengsätze „an | |
diesem Ort hergestellt wurden“. Als Mieterin wurde Beate Zschäpe | |
festgestellt. Allerdings sei die Festnahme des Trios dann an der Justiz | |
gescheitert. Zuerst sei ein Staatsanwalt nicht erreichbar gewesen, dann | |
habe ein anderer keinen Haftbefehl beantragen wollen, weil ihm Beweise | |
dafür gefehlt hätten, dass die Funde in der Garage tatsächlich dazu | |
taugten, das Trio zu belasten. | |
## Zu späte Haftbefehle | |
Tatsächlich sei der Observationsbericht des Verfassungsschutzes als geheim | |
eingestuft gewesen und als Beweis gegenüber der Justiz damit wertlos, | |
berichtete der Polizist. Er habe darum beim Verfassungsschutz interveniert, | |
um das Dokument „herunterzustufen“, was auch gelungen sei. Darauf habe es | |
dann endlich die Haftbefehle gegeben, aber zu spät. Zschäpe, Böhnhardt und | |
Mundlos seien da schon verschwunden gewesen. | |
Der Nebenkläger-Anwalt Sebastian Scharmer, der die Familie eines NSU-Opfers | |
vertritt, übte nach der Sitzung scharfe Kritik. Hätte der Verfassungsschutz | |
auf seine Geheim-Einstufung verzichtet, „hätten Morde verhindert werden | |
können“. | |
Der Polizist berichtete zudem von einer weiteren Panne mit dem | |
Verfassungsschutz. Er habe die Wohnung von Tino Brandt durchsuchen lassen, | |
der in der thüringischen Neonazi-Szene eine führende Rolle spielte, | |
gleichzeitig V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes war und damals in | |
Coburg lebte. | |
## Brandt offenbar gewarnt | |
Allerdings kam dabei nichts heraus, weil Brandt vorher offenbar gewarnt | |
worden sei. Er habe die Polizisten „morgens um 6 Uhr sehr freundlich“ | |
erwartet, erinnerte sich der Ermittlungschef. Von den Datenträgern, deren | |
Fund sie sich erhofften, habe sich nichts in seinen Räumen befunden, bis | |
auf einen „Rechner, der keine Festplatte mehr enthielt“. | |
Die ursprünglich geplante Vernehmung eines weiteren Zeugen – der ein | |
führendes Mitglied der militanten „Hammerskins“ sein soll – wurde aus | |
Zeitgründen auf Anfang Oktober vertagt. Mit Tino Brandt will sich das | |
Gericht an mehreren Prozesstagen Ende September beschäftigen und sowohl ihn | |
als auch seinen früheren V-Mann-Führer als Zeugen vernehmen. Brandt sitzt | |
derzeit wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs in Untersuchungshaft. | |
Als Beobachter verfolgte Grünen-Parteichef Cem Özdemir von der | |
Zuschauerempore den Verhandlungstag. Er forderte am Rande des Prozesses | |
einen umfassenden Umbau des Bundesverfassungsschutzes. Die Abteilung für | |
Rechtsextremismus müsse aufgelöst und komplett neu aufgebaut werden. | |
Scharfe Kritik übte er an Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall | |
(SPD), für dessen Nein zu einem Untersuchungsausschuss des Stuttgarter | |
Landtags. Er forderte die Fraktionen auf, gemeinschaftlich einen Ausschuss | |
einzusetzen. | |
5 Sep 2014 | |
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