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# taz.de -- Verhandlung um Brand im NSU-Versteck: Rätsel um die Klingel
> Als Beate Zschäpe mutmaßlich die Wohnung des NSU-Trios anzündete, starb
> eine Frau fast. Ihre Anwälte versuchen nun den Mordvorwurf zu entkräften.
Bild: „Ich bin nicht so helle“: Rechtsanwalt Stahl über sich selbst.
MÜNCHEN taz | Äußerst konzentriert schien Beate Zschäpe die
Zeugenvernehmung zu verfolgen. In Saal A 101 des Oberlandesgerichts München
schaute die Hauptbeschuldigte im NSU-Verfahren ihrem Verteidiger Wolfgang
Stahl genau bei der Befragung des Kriminalhauptmeisters Andé P. zu,
versuchte dieser doch auch am Dienstag, den „Tatvorwurf versuchten Mord“ zu
entkräften.
Seit der Anklage durch den Generalbundesanwalt (GBA) hat sich im Verfahren
der Verdacht erhärtet, dass Zschäpe die Wohnung in der Frühlingsstraße 26
in Brand gesetzt hatte. Nur durch Glück konnten eine Verwandte und ein
Bauarbeiter die gehbehinderte Charlotte E. aus dem brennenden Haus in
Zwickau retten.
Am 142. Verhandlungstag wollte der Verteidiger Stahl von Polizist P. am
Vormittag vor allem eins wissen: Wer könnte am 4. November wann bei der
Nachbarin des NSU-Kerntrios geklingelt haben. Denn wäre es seine Mandantin
gewesen, dann wäre der Tatvorwurf ein wenig entkräftet. In Saal A 101 sagte
P. nun: Bei Vernehmungen am 11. November 2011 hätte er es nicht genau
rekonstruieren können. Der Zeuge bestätigte aber eine handschriftliche
Vernehmungsnotiz: „Ich gehe davon aus, dass Zschäpe bei Frau E. geklingelt
hat.“
Bei der Vernehmung geriet Stahl allerdings wegen seiner Fragen mit dem
Vorsitzenden Richter Manfred Götzl aneinander. Prompt bat der Rechtsanwalt
um eine Unterbrechung, da er sich neu sortieren müsse, und meinte
vermeintlich ironisch: „Ich bin nicht so helle.“
## 91-jährige Zeugin mit Erinnerungslücken
Den Verlauf einer späteren Vernehmung der 91-jährigen E. im Pflegeheim
schilderte Stefan Noback, Richter am Amtsgericht Zwickau. Das hohe Alter
und die vielen Krankheiten verhinderten, dass E. sich wirklich erinnern
konnte, so Noback, der die Befragung am 16. Mai 2014 vornahm. Die Frage,
wann wer geklingelt haben könnte, blieb so auch weiterhin offen.
Götzl ging das Protokoll der einstündigen Vernehmung mit Noback genau
durch. Zschäpe schien zu gefallen, dass ihr Anwalt genau nachfasste, ob
Noback als Vernehmer angebracht gewesen sei. Dieser räumte schließlich
selbst ein, dass er dachte: „Sinnvoller wäre gewesen, jemanden zu schicken,
der das Verfahren kennt.“ Eine genaue Stellungnahme zu der Vernehmung von
E. kündigte die Verteidigung für kommende Woche an.
Am späteren Nachmittag war Zschäpe weiterhin konzentriert. Erneut trat Tino
Brandt, ehemaliger Anführer vom „Thüringer Heimatschutz“ und langjährigen
V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes (VS), als Zeuge auf. In
Handschellen betrat er wieder Saal A 101, da er wegen des Verdachts des
sexuellen Missbrauchs in Untersuchungshaft ist.
## „Keine dumme Hausfrau“
Bei seiner ersten Vernehmung am 128. Verhandlungstag hatte der 39-Jährige
bereits die Anklage insofern bestätigt, als er Zschäpe als „keine dumme
Hausfrau“ bezeichnete, sondern als ideologisch Gefestigte, die
argumentieren konnte. Die Anklage stuft sie ebenso als gleichberechtigtes
Mitglied des NSU ein, dem sie zehn Morde, vierzehn Banküberfälle und zwei
Bombenanschlägen zuschreibt. Nach dieser ersten Vernehmung hatte Zschäpe
ihrer Verteidigung das Vertrauen entzogen. Folge war eine
Verhandlungsunterbrechung.
Gestern tuschelte Zschäpe wieder mit ihren Rechtsbeiständen, lächelte sie
an. Selbst als Brandt Zschäpe wieder als selbstbewusste Frau beschrieb, die
bewusst keine Szeneklischees bedienen wollte. Bis Redaktionsschluss
versuchte die Verteidigung, Brandt als Lügner darzustellen. Habe er dem
Verfassungsschutz „Dinge“ bewusst verschwiegen? „Ja“, antwortete Brandt…
Mittwoch ist er wieder geladen.
23 Sep 2014
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
NSU-Prozess
Beate Zschäpe
Rechtsextremismus
Terrorismus
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt Rechter Terror
Elfriede Jelinek
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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