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# taz.de -- Rekordhoch an Ebola-Infizierten: Angst und Desinteresse
> Das Schlimmste kommt erst noch, warnt die WHO. Die Behörden in Westafrika
> aber gehen teils ziemlich locker mit der Ebola-Gefahr um.
Bild: Häufiges Händewaschen: ein Mittel, um die Ausbreitung von Ebola zu bek�…
COTONOU/ABUJA taz | Der Grenzübergang von Nigeria nach Benin ist
berüchtigt. Seme Border heißt der Grenzort, und die nigerianische Polizei
schätzt, dass 60 Prozent all jener, die dort verkehren, Kriminelle sind.
Sie überfallen Reisende oder schmuggeln die verschiedensten Waren. Seit
mehr als drei Jahren funktioniert hier alles provisorisch, wann die neuen
Grenzgebäude tatsächlich gebaut werden, weiß niemand. Normalerweise dauert
der Grenzübertritt ewig, die Bürokratie ist nervenaufreibend. In diesen
Tagen ist das anders. Wegen der Seuche.
Neben der kleinen Holzbude hängt ein großes Plakat. Im Detail ist
aufgezeichnet, wie man sich vor Ebola am besten schützen kann und welche
Übertragungswege es gibt. Eine der Gesundheitsmitarbeiterinnen deutet mit
dem Zeigefinger darauf. Dass sie Einweghandschuhe trägt, ist schon länger
selbstverständlich. Neu hinzu gekommen ist nun der Mundschutz.
Mit weit ausgestreckter Hand greift sie nach dem Impfausweis.
Sicherheitsabstand, bloß nicht zu nahe kommen. Heute gibt es keine
Diskussionen über angeblich fehlende Impfungen, auch der sonst übliche
Hinweis, dass diese für wenig Geld direkt vor Ort nachgeholt werden können,
bleibt aus. Hauptsache, die Reisenden ziehen ganz schnell weiter.
## Neue Fälle
Noch bis Anfang der Woche hörte es sich verhalten optimistisch an: Nigeria
hat das Ebolavirus einigermaßen unter Kontrolle. Denn anders als in den
übrigen betroffenen Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea hatte sich die
Seuche bisher längst nicht so rasant in Afrikas bevölkerungsreichstem Land
ausgebreitet. Für Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu belegte das die
geringe Zahl an Neuinfektionen und die Tatsache, dass es bisher nur Fälle
in der Wirtschaftsmetropole Lagos gab.
Doch jetzt hat es Port Harcourt erwischt, den Ölmoloch im Südosten
Nigerias. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mittlerweile drei
Ebolafälle in der Hafenstadt bestätigt, und die Angst vor weiteren ist
riesengroß. Rund 60 Menschen, die Kontakte zu den Infizierten hatten,
sollen ein besonders hohes Infektionsrisiko haben. Mehr als 200 werden
insgesamt überwacht. Als besonders fatal gilt, dass ausgerechnet ein Arzt
das Virus verbreitet haben soll.
Nach Angaben der WHO hatte er trotz erster Symptome weiterhin Patienten
operiert und Familienfeiern besucht. Doch nicht nur das: Die
Kirchengemeinde betete für den Mediziner, Handauflegen inklusive. In den
weitaus stärker betroffenen Ländern hatte sich das Virus genau so besonders
gut verbreiten können. Selbst Händeschütteln ist derzeit einigermaßen
verpönt.
Die neusten WHO-Statistiken gehen mittlerweile von fast 3.700 Fällen aus,
die aber noch nicht alle bestätigt sind. Seit dem offiziellen Ausbruch der
Krankheit im Februar sind 1.841 Menschen an Ebola gestorben. Möglicherweise
liegt die Zahl aber weitaus höher, da das Virus in den ersten Wochen
unentdeckt blieb und mangels Erfahrung mit der Krankheit mitunter als eine
tödlich verlaufende Malaria eingestuft wurde.
## Mangelnde Aufklärung
Besonders stark betroffen ist Liberia; mindestens 871 Todesopfer gab es
dort bereits. Die WHO schätzt, dass sich die Lage weiter verschlimmern
wird, bis die Seuche irgendwann – hoffentlich – wieder abklingt. Das ist
auch den Behörden vor Ort bewusst. Informationsminister Lewis G. Brown
sagte in seiner jüngsten Ansprache zu dem Thema, das Land habe nur eine
Chance, wenn das Virus aggressiv bekämpft werde. Doch der Kampf scheint
derzeit recht aussichtslos zu sein.
Nach einem Bericht der Tageszeitung The Inquirer werden immer wieder
Leichen mutmaßlicher Ebola-Opfer entdeckt, um die sich niemand rechtzeitig
gekümmert hat. Die Familien wollten offenbar nichts mehr mit den
Infizierten zu tun haben, brachten sie aber auch nicht ins Krankenhaus.
Nichtregierungsorganisationen beklagen deshalb: Es mangelt noch immer an
effizienter Aufklärung. Auf dieses Problem wird seit Monaten immer wieder
hingewiesen.
Was bei aller medizinischer Diskussion oft vergessen wird, ist das
Knapperwerden der Lebensmittel und ihre steigenden Kosten. In dieser Woche
hat die liberianische Regierung nun eine Empfehlung für Reispreise und
Preise für Taxifahrten herausgegeben. „Es ist keine Zeit, um Geschäfte zu
machen“, heißt es. Doch wie lange werden diese gültig sein? Der
Schwarzmarkt brummt, die Wirtschaft liegt am Boden, den Bewohnern fehlt das
Einkommen. Gerade in den besonders betroffenen Slums sind die kleinen
Geschäfte längst geschlossen. Liberia war vor Ausbruch der Epidemie gerade
erst dabei, sich von den Folgen des langen Bürgerkriegs einigermaßen zu
erholen. Die Seuche bringt nun einen erneuten Zusammenbruch.
Misstrauisch beäugt wird die Situation allerdings in der ganzen Region.
Einen ersten bestätigten Fall gibt es nun auch im Senegal, weitere
Infektionen bisher allerdings nicht. Kamerun hat längst die offiziellen
Grenzen dicht gemacht. Viele Menschen reisen aber wohl weiterhin über die
grüne Grenze nach Nigeria.
## Keine Fragen
Das Nachbarland Benin gibt sich entspannter. Zwar ist auch dort die Angst
groß und Ebola eins der beherrschenden Themen. Doch das kleine Land könnte
es sich kaum leisten, die Grenzen nach Nigeria zu schließen, zu bedeutend
ist der Grenzhandel und zu wichtig der Benzinschmuggel aus dem Ölland
Nigeria. Nach den 300 Metern Niemandsland zwischen den beiden Grenzposten
geben sich die Polizisten gelassen und verlieren über Ebola kein Wort.
Auch die beiden Mitarbeiter, die die Impfausweise kontrollieren, fragen
nicht nach, wo genau man denn in Nigeria war und ob es Kontakte mit
Infizierten gegeben haben könnte. Handschuhe und Mundschutz fehlen. Nachdem
er kontrolliert hat, ob eine aktuelle Gelbfieberimpfung eingetragen ist,
schreckt der Ältere plötzlich hoch und schüttelt den Kopf: „Madame, die
Tollwutimpfung ist abgelaufen“, sagt er und hebt mahnend den Zeigefinger.
„Holen Sie die nach. Das Risiko dürfen Sie nicht eingehen.“
5 Sep 2014
## AUTOREN
Katrin Gänsler
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