# taz.de -- Ebola-Tagebuch – Folge 2: Es könnte zu spät sein | |
> „Wir wissen nicht, wie wir es aufhalten können“, klagt die erfahrene | |
> Ebola-Bekämpferin Marie-Christine Férir. Liberia ist in seiner Existenz | |
> bedroht. | |
Bild: Bergung eines Ebola-Opfers, Clara Town, Monrovia, Liberia, 10. September. | |
BERLIN taz | Keine nichtstaatliche Hilfsorganisation engagiert sich so | |
stark gegen Ebola in Westafrika wie Ärzte ohne Grenzen (MSF). | |
Marie-Christine Férir von der belgischen MSF-Sektion kennt aus eigener | |
Erfahrung alle großen Ebola-Ausbrüche seit zwanzig Jahren. Wenn die | |
drahtige Belgierin, die am Dienstagabend in einem heillos überfüllten | |
Berliner Veranstaltungssaal die aktuelle Ebola-Arbeit ihrer Organisation | |
vorstellte, besonders pessimistische Worte findet und sagt, die laufende | |
Epidemie werde noch „mindestens sechs Monate“ weitergehen, lässt das | |
aufhorchen: „Wir wissen nicht, wie wir es aufhalten können. Es ist zu spät. | |
Wir können nicht an allen Orten gleichzeitig sein.“ | |
Man weiß ja eigentlich, was trotz Fehlens eines Heilmittels zu tun ist. | |
Patienten werden isoliert und ihr Immunsystem so weit gestärkt, dass die | |
eigenen Abwehrkräfte das Virus besiegen können. Es schaffen längst nicht | |
alle, aber viele. Doch das setzt voraus, dass es genug Isolierstationen | |
gibt und genug Personal. All dies ist in Liberia, Guinea und Sierra Leone | |
nicht der Fall. | |
Im Gegenteil. „Die meisten Gesundheitszentren funktionieren nicht mehr“, so | |
Férir. Die Folgen gehen weit über Ebola hinaus: „Dies ist jetzt die | |
Malaria-Saison. Die Malariakranken werden nicht versorgt.“ Vermutlich | |
fordert die Ebola-Epidemie daher viele unsichtbare „Kollateraltote“. | |
Ebola, erklärt Férir, stellt alle tradierten Muster des Umgangs mit | |
tödlichen Tropenkrankheiten auf den Kopf. Kranke Angehörige muss man | |
meiden, statt sie zu pflegen. Tote darf man nicht berühren. Wer krank war, | |
wird danach oft gemieden, und alle Kontaktpersonen eines Kranken müssen 21 | |
Tage warten, bis sie wissen, ob sie sich auch angesteckt haben. | |
Der familiäre und soziale Zusammenhalt wird von Ebola gesprengt, ebenso die | |
Gesundheitsversorgung in anderen Bereichen. Impfprogramme, von denen das | |
langfristige Überleben Tausender abhängt, müssen eingestellt werden. | |
## Kritik am Krisenmanagment | |
Man kann aber auch nicht alle Welt in Schutzanzüge stecken, auch nicht die | |
Helfer. Zum einen hält man es in der Tropenhitze darin nur höchstens 45 | |
Minuten aus, zum anderen fliehen Dorfbewohner, wenn fremde Menschen in | |
Schutzanzügen aus einem Auto steigen. Mehr als Gummihandschuhe ist nicht | |
drin, wenn man auf Aufklärungstour geht. Aber man muss zu den Menschen | |
Distanz wahren und darf sich nicht setzen. Und das Haus eines Ebola-Toten | |
gründlich zu desinfizieren, dauert fünf bis sechs Stunden. „ | |
„Wir brauchen die Logistik und die Disziplin der Armee, um die Lage zu | |
meistern“, seufzt Férir, Vertreterin einer Hilfsorganisation, zu deren | |
Grundsätzen die Ablehnung von Militär gehört. | |
Alle betroffenen Länder ernten von Férir Kritik. Sierra Leone meldete seine | |
ersten Ebola-Fälle viel zu spät. In Guinea meinen manche, man könne ein | |
Haus in zehn Minuten desinfizieren. In Liberia, wo sich Ebola am | |
rasantesten verbreitet, sind auch die vielen Kirchen mit schuld: Die Leute | |
suchen Heilung bei Predigern, drängen, berühren sich. | |
Die MSF-Bilanz: 2.569 Ebola-Patienten wurden bisher behandelt, davon | |
starben 792, 336 sind wieder genesen. Nach der laufenden Zählung der | |
Weltgesundheitsorganisation WHO sind in Westafrika jetzt 2.296 Menschen an | |
Ebola gestorben. | |
Ebola „breitet sich aus wie Buschfeuer“, sagte Liberias | |
Verteidigungsminister Brownie Samukai am Dienstag dem UN-Sicherheitsrat. | |
Liberia sei „in seiner Existenz ernsthaft bedroht“. | |
10 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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