| # taz.de -- Ebola-Helfer in Afrika: Die verfluchten Retter | |
| > Die Bekämpfung von Ebola in Westafrika ist schwierig, weil die | |
| > Betroffenen gegen die Helfer ein tiefes Misstrauen hegen. Warum ist das | |
| > so? | |
| Bild: Ebola-Check per Thermometer am Hafen von Lagos. | |
| Vom Ausbruch der Seuche erfährt Almudena Marí Sáez per E-Mail von ihrem | |
| Chef. Er schickt ihr einen Link zu einer kurzen Meldung. Es ist der 20. | |
| März. Zwei Tage danach wird das blutige Fieber, an dem bis dahin schon 59 | |
| Menschen gestorben sind, als Ebola identifiziert – zum ersten Mal in | |
| Westafrika. Es wird der bislang größte Ausbruch des Virus. Am Freitag rief | |
| die Weltgesundheitsorganisation deshalb den internationalen | |
| Gesundheitsnotstand aus. | |
| Marí Sáez forscht in der Kleinstadt Faranah in Guinea eigentlich zu | |
| Lassafieber, die Berliner Charité hat sie geschickt. Die Viruskrankheit ist | |
| weit verbreitet in Westafrika, 200.000 bis 300.000 Erkrankte im Jahr, 5.000 | |
| bis 10.000 Tote. Sie wird vor allem durch Mastomys natalensis übertragen, | |
| durch die Natal-Vielzitzenmaus. Um die Krankheit zu bekämpfen, soll | |
| erforscht werden, wo und wie die Menschen Kontakt zu den Tieren haben. | |
| Dafür wird die Anthropologin gebraucht. | |
| Almudena Marí Sáez ist Spanierin, 38 Jahre alt, eine schmale Frau mit | |
| kurzen braunen Haaren. Fast zehn Jahre hat sie in Afrika gearbeitet, ihre | |
| Doktorarbeit schrieb sie über die Frauen des Fulbevolks in Benin. Jetzt | |
| also Ebola. Ins Epizentrum der Seuche fährt sie zum ersten Mal Anfang | |
| April, den meisten Verwandten sagt sie nicht Bescheid, „sie hätten es nicht | |
| verstanden“. | |
| Vier Stunden dauert die Fahrt nach Guéckédou. In der Waldregion rund um die | |
| Stadt im Südosten des Landes bauen die Bewohner auf brandgerodeten Felder | |
| Reis an oder Bananen. Marí Sáez ist mit Tierärzten und Zoologen unterwegs, | |
| sie wollen herausfinden, wo das Virus zuerst übertragen wurde. Es kommt aus | |
| der Tierwelt. Marí Sáez fragt: Wie jagen die Menschen? Was machen sie mit | |
| dem Fleisch? „Man isst dort auch Affen oder Fledermäuse“, sagt sie. | |
| Wahrscheinlich war es eine Fledermaus, die das Virus brachte. Als erster | |
| Patient gilt ein Junge, der sich bereits im Dezember angesteckt hat. | |
| ## Blockaden gegen die Ärzte | |
| Im Mai reist Marí Sáez wieder ins Ebolagebiet, im Auftrag des nationalen | |
| Gesundheitsministeriums. Die Menschen, haben die Behörden festgestellt, | |
| reagieren sehr abweisend auf die ausländischen Helfer. Sie haben Straßen | |
| mit Bäumen blockiert, manche werfen Steine. Bis heute lassen einige keine | |
| Ärzte in ihr Dorf. | |
| Aus Deutschland reist Marí Sáez’ Chef an, Matthias Borchert, 55, Arzt und | |
| Epidemiologe am Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit | |
| der Berliner Charité. Seit 1999 beschäftigt er sich mit Ebola, es ist sein | |
| vierter Ausbruch. Die beiden sollen herausfinden, warum viele Betroffene | |
| sich widersetzen. | |
| Sie fahren von Dorf zu Dorf. Sie setzen sich vor den Lehmhäusern auf ihre | |
| mitgebrachten Plastikstühle, die sie später desinfizieren. Weil sie nicht | |
| in Schutzkleidung ankommen, gelten zwei Hauptregeln: Abstand halten, nichts | |
| anfassen. Dolmetscher übersetzen Kissi ins Französische. Die Forscher hören | |
| zu. | |
| Die Leute sagen: Sie wollen uns alle umbringen. Die Ausländer zusammen mit | |
| der Regierung. Weil sie nicht für den Präsidenten gestimmt hätten oder weil | |
| aus ihren Leichen Medikamente gemacht werden sollten. Wenn die Helfer ein | |
| Haus mit Chlor desinfizieren, heißt es: Es wurde Gift versprüht. | |
| ## Ohne Vertrauen geht es nicht | |
| Was sollen sie da sagen? „An irgendeinem Punkt müssen sie uns vertrauen“, | |
| sagt Matthias Borchert. Mit Marí Sáez sitzt er Anfang dieser Woche in | |
| seinem Büro im Klinikum des Roten Kreuzes im Berliner Stadtteil Westend. | |
| Marí Sáez ist für eine Woche hier, Besprechungen, Projektplanung. In | |
| Westafrika haben sich inzwischen mehr als 1.700 Menschen mit Ebola | |
| angesteckt, fast 1.000 sind gestorben. Liberia und Sierra Leone haben | |
| inzwischen den Notstand ausgerufen. | |
| Ein paar Monate vor dem Ebolaausbruch gab es in Guinea eine | |
| Massenbehandlung der Parasitenkrankheit Elephantiasis. Die Körpergröße der | |
| Menschen wurde festgehalten, um die Menge der Tabletten abzustimmen. Die | |
| Leute sagen: Ihr habt uns doch nur ausgemessen, um die Leichensäcke zu | |
| schneidern, mit denen ihr uns jetzt ersticken wollt. Das Misstrauen sitzt | |
| tief. | |
| Die Gründe dafür sind vielfältig, sagen die Forscher. Guinea hat früh die | |
| völlige Unabhängigkeit von Frankreich erlangt, Vorbehalte gegen Weiße seien | |
| größer als in anderen afrikanischen Ländern. Die Region wurde durch | |
| Bürgerkriege und Unruhen erschüttert. | |
| „Auch der sonst gute Hinweis, zuerst die Dorfältesten zu überzeugen, hat | |
| hier oft überhaupt nicht funktioniert“, sagt Borchert. In Guinea, ist seine | |
| Erfahrung, machen die Leute eher das, was sie selbst für richtig halten. | |
| Und sie sagen: Die Helfer haben doch den Dorfchef bestochen. | |
| Die Sterblichkeit ist hoch bei Ebola, 60 bis 90 Prozent, aber was die | |
| Verbreitung angeht, ist es nicht die Killerkrankheit, als die sie oft | |
| dargestellt wird. Übertragen wird das Virus nur durch Körperflüssigkeiten, | |
| die auf Schleimhäute oder Wunden gelangen. Nicht durch eine | |
| Tröpfcheninfektion wie die Grippe. Und erst dann, wenn die Krankheit | |
| bereits ausgebrochen ist. | |
| ## Lähmung der Gesellschaft | |
| Die Todeszahlen sind im Vergleich zu anderen Tropenkrankheiten auch beim | |
| jetzigen Rekordausbruch gering. Aber die Seuche lähme die ganze | |
| Gesellschaft, sagt Marí Sáez. „Mit einem Malariapatienten in der Familie | |
| kann man sein normales Leben einigermaßen weiterführen. Mit Ebola nicht.“ | |
| Der Ebolaausbruch kam überraschend und wurde relativ spät entdeckt. Dass | |
| sich das Virus weit ausbreiten konnte, liegt daran, dass die betroffenen | |
| Menschen sehr mobil sind. Schon in der Waldregion in Guinea sind sie viel | |
| unterwegs, mit Mototaxis oder in Minibussen. Sie überqueren die nahe | |
| gelegene Grenze nach Sierra Leone und Liberia. Und inzwischen hat das Virus | |
| auch die Mittelschicht in den großen Städten erreicht. Die hat Geld für | |
| Fernreisen. Nach Nigeria ist das Virus gelangt, auch nach Europa oder in | |
| die USA könnte es eingeschleppt werden. | |
| Die Regierung Guineas versuchte zu Beginn, das Problem herunterzuspielen, | |
| sagt Borchert. „Die ausländischen Helfer aber haben dieses Mal sehr viel | |
| richtig gemacht.“ Was früher medizinisch korrekt als Sonderisolierstation | |
| bezeichnet wurde, heißt nun Ebolabehandlungszentrum. Das soll | |
| verdeutlichen, dass man sehr wohl etwas gegen Ebola tun kann, auch wenn es | |
| keine Impfung gibt und kein heilendes Medikament. Eine unterstützende | |
| Behandlung kann den Unterschied machen zwischen Leben und Tod. | |
| Zudem werde möglichst Rücksicht auf die Tradition genommen. So werde etwa | |
| den Angehörigkeiten erlaubt, die Verstorbenen noch mal zu sehen. „Viele | |
| Rituale kann man beibehalten“, sagt Borchert, „man kann singen und tanzen.�… | |
| Nur eines darf man nicht: die Patienten anfassen. | |
| Selbst manche Helfer haben sich offenbar nicht an die Regeln gehalten, mehr | |
| als 60 wurden infiziert, selbst erfahrene Seuchenärzte sind gestorben. Ein | |
| Mal übermüdet mit dem Handschuh in den Augen reiben kann schon zu viel | |
| sein. | |
| ## Das neue Medikament | |
| Zwei erkrankten US-Helfern wurde diese Woche ein Mittel gegeben, das bisher | |
| nur im Tierversuch getestet worden war. Ihr Zustand hat sich danach | |
| gebessert. Manche fordern nun, dass neue Medikamente auch in Afrika | |
| eingesetzt werden, die US-Zulassungsbehörde hat den Weg dafür freigemacht. | |
| Matthias Borchert sieht da einige Probleme. Zum einen sei schlicht ihr | |
| Nutzen nicht erwiesen. Gerade wenn sie nicht wirken, könne das Misstrauen | |
| noch wachsen. „Oder die Menschen sagen: Ihr habt uns infiziert, um eure | |
| Medikamente auszuprobieren.“ | |
| Almudena Marí Sáez will bald wieder ins Ebolagebiet reisen. Sie macht sich | |
| Sorgen wegen der langfristigen Folgen der Seuche. „Die Leute haben eine | |
| Ernte verpasst“, sagt sie. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es nächtes | |
| Jahr eine Hungersnot gibt.“ | |
| 8 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
| ## TAGS | |
| Ebola | |
| Ärzte | |
| Misstrauen | |
| WHO | |
| Westafrika | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Umgang mit Ebola in Afrika: Ein Virus fällt nicht vom Himmel | |
| Das Ebola-Virus ist nicht das einzige Problem. Fatal ist, dass afrikanische | |
| Erfahrungen im Umgang mit tödlichen Epidemien ignoriert werden. | |
| Rekordhoch an Ebola-Infizierten: Angst und Desinteresse | |
| Das Schlimmste kommt erst noch, warnt die WHO. Die Behörden in Westafrika | |
| aber gehen teils ziemlich locker mit der Ebola-Gefahr um. | |
| Ebola in Liberia: Quarantäne unter Waffengewalt | |
| Liberias Regierung versucht mit Ausgangssperren der Lage Herr zu werden. | |
| Die betroffenen Einwohner der Hauptstadt reagieren mit wütenden Protesten. | |
| Seuchen und Aufklärung: Gottes gerechte Strafe | |
| Seuchen haben neben der gesundheitlichen eine soziale Komponente: Sie | |
| breiten sich dort am stärksten aus, wo die Aufklärung nicht angekommen ist. | |
| Gesundheitsfunktionär über Ebola: „Grenzschließung bringt nichts“ | |
| Xavier Crespin, Leiter der Westafrikanischen Gesundheitsorganisation, | |
| fordert gegen Ebola Behandlung und Aufklärung statt Gerüchte und | |
| Abschottung. | |
| Kommentar Ebola-Medikamentenfreigabe: Den Kranken helfen | |
| Die Freigabe der Ebola-Medikamente durch die WHO ist notwendig. Wenn man | |
| die Kranken in Afrika irgendwie heilen kann, muss das getan werden. | |
| WHO erlaubt experimentelle Ebola-Arznei: Die Not heiligt die Mittel | |
| Erprobte Medikamente gegen Ebola fehlen. Deshalb sei der Einsatz bislang | |
| nicht zugelassener Arzneimittel ethisch vertretbar, sagt die | |
| Weltgesundheitsorganisation. | |
| Ebola-Epidemie in Westafrika: Nigeria ruft den Notstand aus | |
| 9 Menschen im westafrikanischen Land sind infiziert, weitere 139 stehen | |
| unter Quarantäne. Guinea hat seine Grenze geschossen. Die Lage des | |
| ausgeflogenen Spaniers ist stabil. | |
| Forscher über ungetestete Ebola-Medizin: „Man weiß nie, was passiert“ | |
| Ebola-Patienten aus den USA wurde ein nicht getestetes Medikament | |
| verabreicht. In Ausnahmefällen sei das in Ordnung, sagt der Chef der | |
| Tropenmedizin-Gesellschaft. | |
| Bekämpfung der Ebola-Epidemie: WHO ruft weltweiten Notfall aus | |
| Wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika hat die Weltgesundheitsorganisation | |
| einen Notfall ausgerufen. Sie kann nun weltweit verbindliche Vorschriften | |
| erlassen. | |
| Ebola in Afrika: Notstand in Liberia | |
| In Liberia wütet das Ebola-Virus so stark, dass der Notstand ausrufen wird. | |
| Die Weltgesundheitsorganisation will den Einsatz nicht zugelassener Mittel | |
| prüfen. | |
| Arzt über Ebola in Westafrika: „Personal, Autos, Sprit und Mut“ | |
| Der Kampf gegen Ebola wäre zu gewinnen – aber es fehlt an Unterstützung für | |
| die Helfer, sagt Maximilian Gertler von Ärzte ohne Grenzen. | |
| Ebola in Westafrika: Von der Seuche zur sozialen Krise | |
| Die Zahl der Todesopfer steigt auf fast 900. Die wirtschaftlichen und | |
| sozialen Folgen sind dramatisch. In Sierra Leone rückt die Armee aus. |