# taz.de -- Europäische Separatismusbewegungen: Jedem sein eigener Staat | |
> Die Schotten, die Basken, die Katalanen – alle wollen unabhängig sein. | |
> Sollen sie doch. Das Prinzip nationaler Grenzen hat sich überlebt. | |
Bild: Auf dem Weg ins Übergangsstadium: Katalanen demonstrieren für ihre Unab… | |
BERLIN taz | Hätte ein Schriftsteller den Plot erfunden, er wäre ausgelacht | |
worden. Zu platt, würde man ihn schelten. Allein schon diese primitive | |
Schnittmontage! Auf der einen Seite müssen in der Ukraine, einem Staat, der | |
bis vor Kurzem für die meisten Mitteleuropäer etwa die Sexyness der | |
Wildecker Herzbuben ausgestrahlt hat, Tausende sterben wegen des Verlaufs | |
irgendwelcher Grenzen, an die sich in ein paar hundert Jahren ohnehin | |
niemand mehr erinnern kann. | |
Grenzen, für die die Welt nun allen Ernstes an die Schwelle eines großen | |
Kriegs geführt wird, weil auf beiden Seiten nationalistische Spinner um | |
jeden Fußbreit Schmodder kämpfen wollen. Und noch während die westlichen | |
Staatenlenker ihr Gerede von der Unantastbarkeit der Weltordnung in jedes | |
Mikro quaken, wuseln hinter ihrem Rücken lustige kleine Gremlins mit | |
Dudelsäcken und Baskenhütchen herum, die schon wieder munter neue Grenzen | |
in ihrem eigenen Hintergarten ziehen. | |
Wenn es dumm läuft für die sich groß empfindenden Briten, bricht ihnen am | |
Donnerstag [1][das halbe Land weg]. Und in Spanien haben die Basken auch | |
keine Lust mehr auf die Amigos weiter südlich und wollen künftig lieber | |
ihre eigene Crema Catalana kochen. Das nächste Opfer: der an Herzbruch | |
dahinscheidende Cameron. Bei solchen Bagatellschäden aber wird es nicht | |
bleiben, wie der Blick auf die Geschichte etwa der [2][katalanischen | |
Unabhängigkeitsbestrebungen] zeigt, Nordirland nicht zu vergessen. | |
Jetzt könnte man natürlich fragen, wieso eigentlich die Schotten etwas | |
dürfen, was den Basken verwehrt wird und was auf der Krim nach Meinung des | |
Westens ein beispielloser Skandal war: eine Abstimmung. Dabei wäre das | |
zunächst die einfachste Lösung: Sollen sie doch alle selbstständig werden | |
und mit feuchten Augen ihr eigenes albernes Fähnchen hissen und noch mehr | |
blöde Hymnen in die Welt posaunen. Wenn wir auf die Weise Bayern oder | |
Sachsen loswürden, flögen dieser Idee vermutlich auch bei uns manche | |
Sympathien zu. | |
Soll doch jeder seinen eigenen Staat kriegen – ich hätte auch nichts | |
dagegen, den ganzen AfD-Anhängern einen zu geben, wo sie dann herummachen | |
können, wie sie wollen, ganz ohne Euro, Gutmenschen und Islam. Hauptsache, | |
es herrscht endlich Ruhe. | |
## Liebe kennt keine Pässe | |
Das Dumme ist nur: Das geht ja alles gar nicht. Denn die Menschen machen | |
das, was sie immer schon taten: herumwandern, durch die Gegend ziehen, neue | |
Welten erschließen. Aus Not, aus Liebe, aus Verzweiflung, Hoffnung oder | |
Neugier. Historisch war die Nationalstaaten- und Volksidee womöglich mal | |
ein Fortschritt auf dem mühsamen Weg der Zivilisierung, aber dass sie | |
natürlich nur ein Übergangsstadium sein kann, war doch immer klar. | |
Mag es auch massenhaft Trottel geben, die unbedingt stolz auf ihr Land oder | |
ihr Volk sein wollen. Aber all das, wofür heute gestritten, abgestimmt, | |
gekämpft und am Ende getötet und gestorben wird, ist so oder so ein paar | |
Generationen später wieder Makulatur. Weil es, was für ein Glück, keine | |
statischen Völker gibt. Die Leute pimpern unterm Strich nach Lust und | |
Leidenschaft, nicht nach Pässen. So war es, als der frühe Mensch die | |
afrikanische Savanne verließ, als er auf den Neandertaler traf, und so wird | |
es sein zwischen Ukrainern und Russinnen, zwischen Spanierinnen und Basken, | |
und auch unter den Schottenröckchen geht sicher so einiges. | |
Dass sich diejenigen, die unbedingt meinen, sie müssten in den Krieg ziehen | |
für Grenzen, Volksgemeinschaften oder ähnlichen Quatsch, meist rasch selbst | |
aus der Entwicklungsgeschichte verabschieden, ist zwar irgendwie traurig, | |
aber letztlich eigene Schuld. Leider nehmen sie immer so viele von den | |
anderen mit. Das ist es nicht wert. | |
12 Sep 2014 | |
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## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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