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# taz.de -- Enkel über einmillionsten „Gastarbeiter“: „Stolz auf die alt…
> Antonio Eduardo de Sá erinnert sich seines Großvaters. Der Portugiese kam
> vor 50 Jahren als einmillionster „Gastarbeiter“ – und kriegte ein Moped.
Bild: António Eduardo de Sá mit einem Bild des Mopeds, das sein Großvater vo…
taz: Herr de Sá, am 10. September 1964 wurde Ihr Großvater Armando
Rodrigues de Sá als der einmillionste „Gastarbeiter“ in Deutschland
empfangen. Was hat Sie dazu bewegt, dieselbe Bahnreise von Lissabon nach
Köln-Deutz zurückzulegen wie er?
Antonio de Sá: Ich bin der Einladung der portugiesischen Gemeinde nach
Deutschland gekommen. Mit dem Zug bin ich gefahren, um ein bisschen
nachvollziehen zu können, wie mein Großvater sich gefühlt haben muss, als
er sich auf den Weg in ein fremdes Land machte. Allerdings sind die Züge
heutzutage wesentlich schneller und komfortabler.
Welche Erinnerung haben Sie an Ihren Großvater?
Ich habe eine gute Erinnerung an ihn. Er war jemand, der für ein besseres
Leben für seine Frau und seine zwei Kinder gekämpft hat. Ich verdanke ihm
viel. Er hat den sozialen Aufstieg unserer Familie ermöglicht. Ohne ihn
würde ich heute wahrscheinlich nicht als Lehrer arbeiten können.
Hat er Ihnen von seiner Zeit in der Bundesrepublik erzählt?
Er hat einiges erzählt, aber nicht wirklich viel. Mein Großvater war eher
ein verschlossener Mann. Möglicherweise hatte er auch Scham empfunden
aufgrund der seinerzeitigen Verhältnisse. Während der damaligen Zeit waren
Emigranten in Portugal nicht gut angesehen. Manche haben das als Verrat am
Heimatland gesehen.
Was wissen Sie von den Lebensbedingungen, die dazu geführt haben, dass Ihr
Großvater nach Deutschland gegangen ist?
Mein Großvater war Zimmermann. Er hatte zwar Arbeit, aber er verdiente
nicht genug, um ein erträgliches Leben zu führen. Was außerdem nicht
vergessen werden darf: In Portugal herrschte damals die Salazar-Diktatur.
Das autoritäre Regime war auch ein Faktor, warum Menschen das Land
verlassen wollten.
War das auch ein Grund für Ihren Großvater?
Er war kein politischer Mensch. Aber er wusste, dass man zu dieser Zeit in
Deutschland freier leben konnte als in Portugal. Jeder fühlte sich
kontrolliert. Selbst in der Emigration. Deswegen erschrak mein Großvater
auch, als bei der Ankunft auf dem Bahnhof sein Name ausgerufen wurde: Er
dachte zuerst, die portugiesische Geheimpolizei PIDE würde ihn suchen, um
ihn zurückzubringen.
Armando Rodrigues de Sá ist nach sechs Jahren nach Portugal zurückgegangen.
Warum hat er seine Familie nicht nach Deutschland geholt?
Er ist als kranker Mann zurückgekehrt. Sein Ziel war immer gewesen, der
Familie zu Hause mit dem in Deutschland verdienten Geld ein besseres Leben
zu ermöglichen. Portugal blieb seine Heimat. Meine Großmutter hütet
übrigens alle Aufnahmen von ihm aus seiner Zeit in Deutschland wie einen
Schatz. Die stehen bei ihr im Wohnzimmer. Sie hat nach wie vor ein
exzellentes Gedächtnis und erinnert sich an viele Details.
Sind Sie eigentlich mit dem berühmten Moped gefahren, das Ihr Großvater bei
seiner Ankunft in Deutschland geschenkt bekam?
Als kleiner Junge habe ich mal bei meinem Großvater hintendrauf auf der
Zündapp gesessen.
Ihr Großvater ist 1979 an Krebs gestorben. Sein Moped steht heute im Haus
der Deutschen Geschichte in Bonn. Was empfinden Sie bei dem Gedanken daran?
Es ist ein bisschen merkwürdig, aber auch schön. Denn es ist eine Würdigung
meines Großvaters und aller Emigranten. Ich bin stolz auf sie. Etwas, was
die portugiesische Regierung damals für all die Menschen wie ihn nicht
empfunden hat.
Wie sieht die Situation für junge Leute heute in Portugal aus?
Schlecht, es gibt für sie kaum Chancen. Selbst die, die einen
Universitätsabschluss haben, verdienen sehr wenig. Und die anderen noch
weniger. Eine junge Krankenschwester erhält bei uns 3 Euro pro Stunde. Die
Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 30 Prozent. Deswegen sehen sich heute
wieder viele gezwungen, auszuwandern. Im Landesinnern gibt es Regionen, in
denen fast nur noch Alte wohnen.
16 Sep 2014
## AUTOREN
Anja Krüger
Pascal Beucker
## TAGS
Migration
Arbeitsmigration
Portugal
Bundesrepublik Deutschland
Armutsmigration
Schwerpunkt Rassismus
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EU
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