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# taz.de -- Paywalls für journalistische Inhalte: Jetzt zählt nur noch Geld
> Früher zählten Reichweite, Visits und Page Impressions. Nun lassen
> Zeitungsverlage ihre Leser im Netz bezahlen. Mit unterschiedlichem
> Erfolg.
Bild: Sind sie nicht schön?
Christian Lindner ist eigentlich ein großer Freund des Internets. Der
Chefredakteur der Rhein-Zeitung hat sich wie kein zweiter Zeitungsmacher in
der Republik früh im Digitalen positioniert. In seiner Koblenzer Redaktion
streuen die Journalisten ihre Recherchen bei Twitter und Facebook und
verbreiten sich auf diesem Weg immer wieder auch über die Provinz hinaus.
Das schmeichelt den Reportern. Nur Geld verdienen sie damit kaum.
„Wir sind doch irgendwie alle diesem Irrtum aufgesessen: dass der Verkauf
von Werbung im Internet reicht, um unseren Journalismus zu finanzieren“,
sagt Lindner. Auch sein Verlag versucht, diesen Fehler zu korrigieren, mit
dem die ganze Branche kämpft. Darum verlangt die Koblenzer Rhein-Zeitung
seit diesem Sommer Geld von ihren Lesern im Netz – so wie etwa hundert
andere Zeitungen in Deutschland auch. Bislang sind es neben Bild und Welt
vor allem Lokal- und Regionalzeitungen, aber auch FAZ und Süddeutsche
basteln an Modellen. Das kommende Jahr dürfte zeigen, ob Journalismus im
Netz auch Geld bringt.
Lindner berichtet mit einer Portion Faszination in der Stimme, das
Management der Rhein-Zeitung habe „einhellig“ entschieden, dass Reichweite
für sich genommen „kein Wert mehr ist“. Bislang haben sich Verlage damit
gebrüstet, wie oft Nutzer auf ihren Seiten vorbeischauen und wie viele
Artikel sie aufgerufen haben. „Doch diese Visits und Page Impressions sind
uns vollkommen egal“, sagt Lindner. „Wir messen unseren Erfolg jetzt auch
im Netz nur noch daran, wie viele reale Kundenkontake wir knüpfen.“
Verträge mit Lesern statt der üblichen paar Kröten von Werbekunden: Das ist
das Ziel. Mit wenigen Ausnahmen wie der digitalen Nachrichtenschleuder
Focus Online knüpfen Onlinemedien ihre Hoffnung an Abos im Netz. Die Zeit,
in der Printredaktionen das Geschäft im Digitalen stützten, läuft in vielen
Häusern ab. Künftig dürfte es darum gehen, Profite aus dem Digitalen ins
Gedruckte zu steuern. In vielen Verlagen gilt: Die ausdauernde Präsenz im
Digitalen muss endlich etwas abwerfen.
## „Zarte Zahlen“
Wenn sich Lindner die ersten Früchte seines neuen Modells ansieht, dann ist
er guter Dinge. „Mehr als 400 Tagespässe im Monat, fast 200 Web-Abos für
ein ganzes Jahr, das sind noch zarte Zahlen“, sagt er und rechnet das
Ergebnis in Stellen um: Einen Volontär könne er damit „schon mal“ bezahle…
das sei „ein guter Anfang“. Sein Ziel sei aber, dass das neue Bezahlmodell
in einem Jahr seine gesamte Onlineredaktion trägt. „Das ist immerhin eine
Kerntruppe von sechs Leuten.“
Abomodelle im Netz haben für klassische Redaktionen allerdings gleich
mehrere Haken. Auf den meisten Seiten gehen die Bezahlschranken erst
runter, wenn Leser ein gutes Dutzend Texte im Monat abgerufen haben. Das
ist ein System, das ausgerechnet die bestraft, die einer Marke treu
bleiben: Stammkunden werden zur Kasse gebeten, digitale Flaneure sind fein
raus. Nur wenige Titel wie die Ibbenbürener Volkszeitung verlangen schon
vom ersten Text an Geld, nach dem Prinzip: ganz oder gar nicht.
Vor allem aber stellt sich für die Redaktionen die Frage, wofür sie
eigentlich Geld verlangen können. Weltnachrichten etwa wird immer
mindestens einer kostenfrei ins Netz stellen – ARD und ZDF sowieso, aber
auch der ein oder andere Verlag, der im Zweifel auf das Prinzip „Masse
statt Klasse“ setzt, um möglichst viele der knappen Werbegelder
einzusammeln. Gefragt ist also vor allem Exklusivität.
Dass das Geschäft mit eigenen Inhalten funktionieren kann, zeigt die
Stiftung Warentest. Sie verlangt für Testberichte schon seit 2001 Geld. Die
Stiftung plagt schließlich dasselbe Problem wie die Zeitungen: Ihren
Magazinen Test und Finanztest laufen und sterben die Abonnenten weg. Das
Digitale soll helfen, die Redaktion weiter zu finanzieren. Das Motto von
Andreas Gebauer, dem Chef von test.de: „Was nichts kostet, ist auch nichts
wert.“
## Über drei Millionen Euro jährlich
Gebauer zählt aktuell 81.000 Digitalabos. Der Großteil sind zwar Abonnenten
der Printhefte, die für den digitalen Zugang nicht zusätzlich zahlen. Gut
30.000 Nutzer zahlen aber für die „Test-Flatrate“, wie die Stiftung ihr
Abomodell nennt. Die Digitalzugriffe bringen der Stiftung bereits mehr als
eine Million Euro im Jahr ein, zusammen mit den Einzelabrufen sind es mehr
als drei Millionen Euro. Tendenz: steigend. „Jede Redaktion muss sich auf
ihre Stärke konzentrieren“, sagt Gebauer. „Wer Geld verlangen will, sollte
etwas anbieten, das kein anderer hat.“
Die Tester haben es da natürlich leicht: Sie haben so gut wie keine
Konkurrenz, anders als die Macher von Tageszeitungen. Lindner von der
Rhein-Zeitung will Journalismus im Netz deshalb anders präsentieren. Ihm
schwebe ein „Lesesalon“ vor, in dem sich seine Nutzer „zurücklehnen und
unser Angebot genießen können – ein Erlebnis, wie sie die Zeitung
jahrzehntelang geboten hat“. Wie das aussehen soll? Darauf hat auch Lindner
noch keine Antwort parat. Die nächste Baustelle tut sich auf.
30 Sep 2014
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Internet
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Axel Springer
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