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# taz.de -- Experte über deutsche Dschihadisten: „Al-Qaida gilt als weichges…
> Der Organisationsgrad deutscher Islamisten steigt, warnt Islam-Experte
> Guido Steinberg. Anschläge des IS in Europa hält er für wahrscheinlich.
Bild: Polizisten am Frankfurter Flughafen, dem Ort des einzigen islamistischen …
Sonntaz: Herr Steinberg, in Ihrem neuen Buch geht es um die Globalisierung
des islamistischen Terrorismus und deutsche Dschihadisten. Als größte
Bedrohung gilt derzeit der „Islamische Staat“ (IS). Wird der IS in
Deutschland zuschlagen?
Guido Steinberg: Ich bin fest davon überzeugt, dass der IS Anschläge in
Europa planen wird, in Deutschland oder einem anderen Land. Abu Bakr
al-Baghdadi, der IS-Anführer, will die Führung in der dschihadistischen
Bewegung übernehmen. Bin Ladens Erbe kann er nur antreten, wenn er
aufsehenerregende Anschläge nach dem Muster des 11. September verübt. Da IS
nicht in der Lage ist, Anschläge in den USA zu begehen, wird Europa das
Ziel sein, auch weil IS so viele europäische Rekruten hat. Wahrscheinlich
werden es Anschläge im Ausmaß von Madrid 2004 oder London 2005 sein.
Hat IS eine Agenda für Europa?
Nein, Ziel ist der Aufbau eines grenzübergreifenden islamischen Staats im
Irak und im historischen Großsyrien, das heißt einschließlich Libanon,
Jordanien, Israel und einiger Teile der Türkei. Auch der Kampf gegen
Saudi-Arabien ist angekündigt. Darüber hinaus gibt es nur eine vage Vision
von Weltherrschaft.
Welche Rolle spielen deutsche Dschihadisten im IS?
IS ist vor allem eine irakisch-syrische Organisation. Deutsche und andere
Europäer werden in der Propaganda eingesetzt, in Verwaltungsjobs und in den
letzten Monaten häufig als Selbstmordattentäter. Das dürfte daran liegen,
dass ihnen die militärische Ausbildung fehlt. Oder daran, dass sie das
selbst wünschen.
Über 400 Ausreisen deutscher Islamisten soll es seit 2012 nach Syrien
gegeben haben, deutlich mehr als vor einigen Jahren ins
pakistanisch-afghanische Grenzgebiet. Woher kommt der Zulauf?
Zum einen hat die deutsche Szene von ihrer Größe her eine kritische Masse
erreicht. Außerdem ist es einfach, nach Syrien zu kommen. Mit dem
Personalausweis kommt man in die Türkei, dann ist man schon an der
syrischen Grenze. Zumindest bis zum letzten Winter konnte man gut
eigeninitiativ dort hinreisen. Jetzt ist die Konkurrenz unter den
Organisationen ein Problem. Viele Rekruten wollen den bedrängten Syrern zu
Hilfe kommen. Von den Untaten des Assad-Regimes gibt es im Internet viele
Bilder, die haben für sehr viel Empörung gesorgt.
Hat sich auch die Organisationsform der deutschen Dschihadisten verändert?
Ja, der Organisationsgrad wächst stetig. Das konnte man in Pakistan
feststellen, wo Deutsche sich schon 2009 zu einer Einheit zusammengetan
haben. In Deutschland gründete sich Millatu Ibrahim, seit 2011 die
wichtigste dschihadistische Organisation. Sie ist längst verboten, mit den
Resten haben wir aber noch zu tun.
Sie beschreiben die Sauerlandgruppe, die 2007 festgenommen wurde, als
„hybride Organisationsform“. Was heißt das?
Dass diese Gruppe nicht mehr rekrutiert wurde. Kurz nach 2001 gab es einen
Al-Qaida-Emir in Deutschland, der rekrutiert hat, dann die Rekruten nach
Pakistan schickte, und alles war generalstabsmäßig organisiert. Bei der
Sauerlandzelle scheint sehr viel Eigeninitiative dabei gewesen zu sein. Sie
haben versucht, nach Tschetschenien zu kommen, dann in den Irak, das ist
beides nicht gelungen, dann wollen sie eher zufällig in Waziristan gelandet
sein. Dort haben sie sich der Islamischen Dschihad-Union angeschlossen und
sind mit einem Auftrag zurückgekommen.
Reisen Islamisten heute mit dem Ziel nach Syrien, für IS zu kämpfen? Oder
ist es Zufall, wo sie landen?
Mein Eindruck ist, dass die Rekrutierung heute oft im Freundeskreis
erfolgt. Man geht in einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten und sorgt
dafür, dass man einen Anlaufpunkt zum Beispiel in Istanbul hat. Wie dieser
Kontakt hergestellt wird, ist mir nicht ganz klar. Deutlich ist aber, dass
die Anzahl der Ausreisen in dem Moment zugenommen hat, als die ersten
Deutschen dort angekommen sind und begonnen haben, im Internet Propaganda
zu machen. Denis Cuspert, der früher als Rapper bekannt war und inzwischen
für den IS auftritt, spielt da eine sehr wichtige Rolle.
Was macht den IS so attraktiv?
Der Wunsch, in einem Staat zu leben, wie ihn sich Salafisten vorstellen,
ist sehr ausgeprägt. IS bietet das glaubhaft an.
Welche Rolle spielt die ungeheure Brutalität des IS?
Man kann im Internet die Bilder von deutschen Rekruten mit den Köpfen von
kurdischen Soldaten in der Hand oder beim Schänden von Leichen sehen. IS
ist wegen der großen Gewaltbereitschaft attraktiv. Viele Rekruten scheinen
IS für das dschihadistische Original zu halten, und die Nusra-Front, die ja
zu al-Qaida gehört, für eine weichgespülte politische Version.
Ein islamistischer Anschlag ist in Deutschland bislang gelungen: Arid Uka
tötete am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten und verletzte zwei schwer.
Ist Uka ein typischer deutscher Dschihadist?
Den gibt es nicht. Bei Uka weiß man nichts über Kontakte zu anderen,
deshalb gilt er als typischer Einzeltäter. Vor ein paar Jahren galt das als
der Dschihadismus der Zukunft. Solche Anschläge lassen sich nicht
verhindern. Richtig gefährlich wird es aber, wenn eine Organisation wie IS
ihre Ressourcen einsetzt: Wenn Geld da ist, Rekruten, Kapazitäten, diese
auszubilden.
Sie halten die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in Deutschland für
unzureichend - zentrale Hinweise kamen in der Vergangenheit von anderen
Geheimdiensten. Was muss geschehen?
Man könnte Moscheen und Kulturzentren aggressiver überwachen, um
Radikalisierungsprozesse besser mitzubekommen. Man könnte auch bei der
Gewinnung von Quellen mit mehr Druck arbeiten, ausländerrechtlich zum
Beispiel. Unsere Nachbarländer, die bessere Geheimdienste haben, arbeiten
so. Wir sollten das zumindest diskutieren, auch wenn ich annehme, die
Antwort ist nein – solange kein Anschlag geschieht. Dann muss man aber
zumindest die präventive Arbeit verstärken.
Wie?
Es geht ganz banal um Sozialarbeit. Gut wäre auch ein Aussteigerprogramm.
Dazu müsste man eine Person gewinnen, die verurteilt ist, in der Szene
glaubwürdig, und die sagt: Leute, lasst das sein. Wie es die Briten haben.
Das ist bislang in einem Fall versucht worden: Bei Daniel Schneider aus der
Sauerland-Gruppe. Da ist es leider gescheitert.
4 Oct 2014
## AUTOREN
Sabine am Orde
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