# taz.de -- Arbeitsmarktreform in Italien: Eile gegen Kündigungsschutz | |
> Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nutzt die Vertrauensfrage, um die | |
> umstrittene Arbeitsmarktreform durchs Parlament zu peitschen. | |
Bild: Bei ihr sucht er Anerkennung als starker Leader: Italiens Minister- präs… | |
ROM taz | Mit einem Vertrauensvotum hat Italiens Regierung unter Matteo | |
Renzi am Mittwochabend im Schnelldurchgang die Arbeitsmarktreform | |
durchgesetzt. Am Ende sprachen sich nach teils heftigen Tumulten 165 | |
Senatoren für das „Jobs Act“ getaufte Maßnahmenpaket aus, während 111 mit | |
Nein stimmten. | |
In nur einem Tag peitschte Renzi so die Reform durch den Senat; dem Plenum | |
blieb dank der von der Regierung sofort gestellten Vertrauensfrage | |
praktisch keine Zeit, das Gesetz inhaltlich zu beraten. Renzi hatte Grund | |
für die Eile: Am Mittwoch nämlich hatte er, parallel zur Senatssitzung, in | |
Mailand zu einem informellen EU-Jugendbeschäftigungsgipfel eingeladen. Vor | |
Angela Merkel, François Hollande und den Granden der EU wollte er sich als | |
Leader präsentieren, der mit dem versprochenen Reformeifer ernst macht. | |
Doch die eigentlich für den Nachmittag vorgesehene Vertrauensabstimmung | |
rutschte dann auf den späten Abend, weil vor allem die Senatoren der | |
Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos massiv Obstruktion betrieben, bis hin | |
zum offenen Tumult. Die Sitzung musste für Stunden unterbrochen werden. | |
Doch trotz des eigentlich für den Mailänder Gipfel zu spät gekommenen | |
Senatsvotums hatte sich Kanzlerin Merkel schon rundum positiv über den | |
„wichtigen Schritt“ der Arbeitsmarktreform geäußert. Die Reform sieht unt… | |
anderem die Schaffung einer allgemeinen Arbeitslosensicherung ebenso vor | |
wie die Abschaffung vieler prekärer Vertragsformen, beginnend bei zeitlich | |
befristeten Honorarverträgen. Außerdem soll eine nationale Arbeitsagentur | |
ins Leben gerufen werden, um endlich die Voraussetzungen für aktive | |
Arbeitsmarktpolitik zu schaffen; die bisherigen Arbeitsämter spielen in der | |
Jobvermittlung praktisch keine Rolle. | |
Zum großen Konfliktpunkt auch in der eigenen Partito Democratico (PD) und | |
mit den Gewerkschaften wurde Renzis Reform allerdings wegen der Absicht, | |
zugleich den Kündigungsschutz weiter zu schwächen. So sollen bei | |
betriebsbedingten Kündigungen zum Beispiel wegen schlechter Wirtschaftslage | |
die Rechte der Arbeitnehmer auf Kündigungsschutzklagen abgeschafft werden; | |
stattdessen sollen sie generell bloß eine Abfindung erhalten. | |
Dagegen laufen die linken Minderheitsflügel in der PD Sturm. Doch die | |
innerparteiliche Opposition ist zersplittert; das Gros ihrer Senatoren | |
beugte sich der Parteidisziplin. Nur drei Abweichler blieben der Abstimmung | |
fern, ein weiterer kündigte an, er werde sein Mandat niederlegen. Die | |
übergroße Mehrheit der parteiinternen Opponenten dagegen gab als Linie aus, | |
das Gesetz werde jetzt im Abgeordnetenhaus modifiziert. Renzi allerdings | |
hat vor, den Jobs Act auch dort per Vertrauensabstimmung durchzubringen. | |
Vorher jedoch ruft der größte Gewerkschaftsbund des Landes, die CGIL, für | |
den 25. Oktober zu einer Großdemonstration gegen die Reform in Rom auf. | |
Damit steht die CGIL allerdings allein; die anderen Gewerkschaftsbünden | |
halten nichts von Straßenprotesten. | |
9 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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