# taz.de -- Krautreporter online: Experimentiert wird mit der Crowd | |
> Die Krautreporter sind online. Mit ordentlichen, aber nicht besonders | |
> originellen Geschichten. Die Reparatur des Onlinejournalismus ist das | |
> noch lange nicht. | |
Bild: Das Neueste im Onlinejournalismus. | |
Selten hat ein journalistisches Projekt schon vor seinem Start für so viel | |
Diskussionen gesorgt wie [1][Krautreporter]. Im Frühsommer legten die rund | |
25 Journalisten los. Ihr Ziel: Ein Internetmagazin mit hochwertigen Texten, | |
hintergründig, experimentell und tiefgründig, finanziert ausschließlich | |
durch Abonnenten. | |
Innerhalb von vier Wochen wollten sie 15.000 Menschen finden, die dafür 60 | |
Euro spenden. 900.000 Euro sollten so zusammenkommen. Am Ende waren es | |
17.585 Spender und gut eine Million Euro. | |
Damit machten sie sich auf die Suche nach einem Büro, nach Programmierern | |
und Mitarbeitern für die PR. Aus der Öffentlichkeit zogen sie sich komplett | |
zurück – die Krautreporter hatten gelernt. Mit ihrem Spruch: „Der | |
Online-Journalismus ist kaputt. Wir kriegen das wieder hin“, haben sie viel | |
Kritik und Häme auf sich gezogen. Gemeint war: Viele Nachrichtenseiten | |
hetzen dem Weltgeschehen hinterher, fokussiert auf die schnelle Schlagzeile | |
und viele Klicks. Das ist in der Tat zu kritisieren, aber eben nicht mit so | |
einem Auftreten. Mittlerweile bereuen sie das und trotzdem müssen sie sich | |
nun daran messen lassen. | |
16 Artikel stehen nun auf der Seite. Jeder kann sie lesen, kommentieren | |
können nur zahlende Mitglieder. Es gibt eine Reportage aus Gaza nach dem | |
Waffenstillstand, ein Portrait der Autorin Dora Heldt, ein Interview mit | |
einem dänischen Krankenpfleger im Ebola-Gebiet. | |
## Nicht alles speziell fürs Projekt | |
Es sind vor allem Auslands-, Kriegs- und Krisengeschichten. Die Texte sind | |
gut geschrieben und ordentlich recherchiert. Besonders originell sind sie | |
aber nicht. Viele von ihnen könnten so auch in Zeitungen und Magazinen | |
erscheinen – oder an anderer Stelle im Internet. Und das tun sie zum Teil | |
auch schon, denn nicht alle Formate, die auf krautreporter.de zu finden | |
sind, sind speziell für das Projekt entwickelt. | |
Tilo Jung zum Beispiel hat seine Interviewsendung „Jung und Naiv“ | |
mitgebracht, Peer Schader, der seinen privaten Supermarktblog betreibt, | |
schreibt über „Edeka und das Märchen vom Tante-Emma-Laden“ und Christoph | |
Koch führt die Rubrik „Medienmenü“ weiter, die bisher auf seinem Blog | |
erschien und in der mehr und weniger Prominente erzählen, was sie lesen, | |
schreiben und hören. | |
Ihren Anspruch, journalistisch zu experimentieren, erfüllen Krautreporter | |
bisher also nicht. Außer in einem Punkt, der aber immerhin wesentlich ist: | |
dem Umgang mit der Crowd. | |
## Beta-Version für Mitglieder | |
Vor gut zwei Wochen bekamen die zahlenden Mitglieder Zutritt zu einer | |
Beta-Version der Webseite. Sie sollten sie testen und Fehler finden. | |
Immerhin ein paar Leute haben das getan. In den Kommentaren steht jetzt zum | |
Beispiel: „Mit meinem Mobil-Browser ist die Webseite kaum benutzbar“ oder | |
„Im Firefox30 stimmt die Textformatierung nicht mehr“. Auch jetzt zum Start | |
sind diese Probleme noch nicht vollständig gelöst. | |
Aber nicht nur technisch sollen die Leser mitbestimmen, auch und vor allem | |
inhaltlich. Zahlende Nutzer sehen neben dem Text eine Kommentarleiste. Dort | |
posten zum Einen die Autoren Zusatzinfos, Fotos oder Eindrücke aus ihrer | |
Recherche. Tilo Jung hat in seinem [2][Israel-Interview] zum Beispiel ein | |
Video vom Bombenalarm in Tel Aviv hinterlegt. Hannah Hünniger hübscht ihren | |
Text über Dora Heldt mit Fotos vom Interviewort und Beschreibungen der | |
Interviewsituation auf. Zum Anderen können Leser dort ihre Zeilen | |
hinterlassen. Den etwas bemüht poetischen Einstieg zum Dora Heldt Portrait | |
kommentiert Leser Sebastian mit „Ich möchte auch an diesen Ort, nicht nur | |
um zu verstehen, warum diese Einleitung deinen Text schmückt, nein, es muss | |
dort auch schön sein.“ | |
## Nichts blinkt | |
Die Seite ist schlicht gehalten, das war von Anfang an der Plan: Keine | |
Werbung, keine Banner, nichts blinkt oder springt den Leser an. Schwarze | |
Schrift auf weißem Grund. Jeder Text beginnt mit einem großen Bild, Links | |
und Menüpunkte sind rot geschrieben. Eine Einteilung in Ressorts gibt es | |
nicht, auch das gehört zum Konzept. Hier geht es um die Geschichte, nicht | |
um programmiererische Tüftelei. | |
Für jeden sichtbar sind die Auflistungen zu Spenden und Ausgaben. Der | |
Großteil des Geldes, 68 Prozent, ist demnach tatsächlich, wie versprochen, | |
in die Redaktion und Autoren geflossen. Auch ihren Umgang mit Nutzerdaten | |
legen die Reporter offen: Sie messen, wie die Leser die Seite nutzen, mit | |
welchen mobilen Geräten, welchen Browsern und über welche IP-Adresse. Geld | |
verdienen sie mit diesen Informationen aber nicht. | |
Ihr Versprechen, die Nutzer vollwertig in das Projekt einzubeziehen, lösen | |
Krautreporter also ein. Es wird interessant zu sehen, ob sie es durch die | |
Paywall vor den Kommentaren schaffen, eine anspruchsvolle Debattenkultur zu | |
etablieren. Gerade erst hat [3][sueddeutsche.de] dazu einen neuen Versuch | |
gestartet. | |
Die Reparatur des Onlinejournalismus ist das deswegen aber noch lange | |
nicht. Ein Jahr haben die Krautreporter jetzt Zeit, zu zeigen, dass sie ihr | |
Niveau halten können und sich hoffentlich noch mehr trauen, zu | |
experimentieren. Ob das aber reichen wird, genügend Leute zu überzeugen, | |
jährlich 60 Euro zu spenden – für etwas, das sie ähnlich an vielen anderen | |
Stellen im Netz finden – ist damit noch nicht bewiesen. | |
24 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://krautreporter.de/ | |
[2] http://krautreporter.de/53--der-himmel-bewahre-uns-davor-dass-wir-euch-euro… | |
[3] http://www.sueddeutsche.de/ | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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