Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pro & Contra Tarifeinheitsgesetz: Wer kämpft für wen?
> Die Regierung plant ein Gesetz zur Tarifeinheit. Handelt es sich um einen
> Eingriff ins Streikrecht oder hilft es den Beschäftigten?
Bild: DGB-Fahnen bald ohne Gegenwind?
Pro: Hilft den Beschäftigten
Getrennt marschieren, vereint kämpfen. So haben die Gewerkschaften in der
Bundesrepublik jahrzehntelang unzählige Tarifkonflikte bestritten und dabei
meist ordentliche Ergebnisse für alle erstritten. Dann kündigten
durchsetzungsstarke Spartengewerkschaften, etwa von Ärzten oder Lokführern,
die Solidarität auf, um für ihre Klientel mehr herauszuholen; und im Jahr
2010 wurden sie darin vom Bundesarbeitsgericht gestärkt. Nun steuert die
schwarz-rote Bundesregierung mit einem Tarifeinheitsgesetz dagegen, das die
Macht von Spartengewerkschaften beschneidet. Das ist richtig.
Der Gesetzgeber vollzieht damit etwas, wozu die Gewerkschaften aus eigener
Kraft nicht mehr fähig waren: Sie müssen sich künftig vor einem
Tarifkonflikt einigen, was sie für wen und welche Berufsgruppe wollen.
Dabei ist gar nicht gesagt, dass die kleinen – angeblich kämpferischen –
Spartengewerkschaften von den großen – angeblich zahmen –
DGB-Gewerkschaften untergebuttert werden. Im Gegenteil: In der Praxis
könnte es darauf hinauslaufen, dass die kampfstarken Berufsgruppen für
Druck auf den Arbeitgeber sorgen, während die weniger kampfstarken
Berufsgruppen für die nötige Quantität und damit Legitimität in der
gesamten Belegschaft sorgen.
So helfen sich alle. Vermieden wird damit ein Gegeneinander der
Gewerkschaften, das nur den Arbeitgebern nützt. Natürlich wird der Weg zur
Tarifeinheit, die im Übrigen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ stärkt, nicht einfach, und es wird Streit und Verwerfungen geben.
Aber letztlich nützt die Tarifeinheit auch den Beschäftigten exponierter
Berufsgruppen: Auch sie können ihre Arbeit verlieren, oder ihre Tätigkeit
büßt aufgrund von Umstrukturierungen oder technischem Fortschritt ihre
herausragende Stellung ein. Dann brauchen auch sie Solidarität. (RICHARD
ROTHER)
Kontra: Skandalöser Eingriff ins Streikrecht
Es waren salbungsvolle Worte, mit denen die Bundesarbeitsministerin am
Dienstag über ihr geplantes Tarifeinheitsgesetz informierte. Gleich
mehrfach betonte Andrea Nahles, sie wolle keinesfalls das Grundrecht auf
Streik antasten. Sie wolle nur die „Konsenskultur“ und die
„Verabredungskultur“ stärken und „Anreize“ für eine gütliche Einigung
setzen, sagte Nahles.
Was so harmlos klingt, ist in der Konsequenz ein massiver Eingriff in die
verfassungsrechtlich verbriefte Koalitionsfreiheit der ArbeitnehmerInnen.
Das Vorhaben ist ein Skandal. Trotz aller Bekundungen soll den kleineren
Gewerkschaften und damit unter Umständen ganzen Berufsgruppen de facto das
Streikrecht genommen werden – nämlich jenen, bei denen sich die große
Mehrheit in einer Gewerkschaft organisiert, die im Gesamtbetrieb in der
Minderheit ist. Wie bei den Lokführern.
In der Hoffnung, die ungeliebten Spartengewerkschaften vom Hals zu
bekommen, mag sich manche DGB-Gewerkschaft über die Planungen von Nahles
freuen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen. Wirklichen Grund, die
Sektkorken knallen zu lassen, haben nur die Arbeitgeber. Denn sie allein
bestimmen, welche Arbeitseinheiten zu einem Betrieb zusammengefasst oder
ausgegliedert werden. Das bedeutet, dass sie künftig durch den jeweils
passenden Zuschnitt auch noch die Hoheit erhalten, festzulegen, welcher
Tarifvertrag kraft Mehrheit dominiert.
Die Bundesrepublik gehört zu den streikärmsten Ländern Europas. Da bedarf
es keiner weiteren Reglementierungen. Schon jetzt unterliegt das deutsche
Streikrecht starken und höchst problematischen Beschränkungen. So gehört
der Generalstreik in anderen EU-Staaten zum klassischen Repertoire der
Gewerkschaften, in Deutschland ist er verboten. Es wäre an der Zeit, über
eine Ausweitung statt über die weitere Einschränkung des Streikrechts
nachzudenken. (PASCAL BEUCKER)
29 Oct 2014
## AUTOREN
Richard Rother
Pascal Beucker
## TAGS
Tarifeinheit
Gewerkschaft
DGB
Streik
FAU
Schwerpunkt Bahnstreik
Schwerpunkt Bahnstreik
Lokführer
Tarifeinheit
Tarifeinheit
Gewerkschaft
GDL
GDL
Schwerpunkt Bahnstreik
DGB
Reiner Hoffmann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lohnprellung bei der „Mall of Berlin“: Urteil gegen Baufirma
Monatelang warten rumänische Bauarbeiter auf ihren Lohn. Jetzt bekommen sie
ihn zugesprochen – die Baufirma war nicht zur Gerichtsverhandlung
erschienen.
GDL-Chef und der Bahnstreik: What a man
Alle hassen Claus Weselsky. Dabei ist der oberste Lokomotivführer ein
richtig harter Hund – einer, der genau in dieser Position gebraucht wird.
Arbeitskampf der Lokführer: Auf geht's, ab geht's, vier Tage Streik
Es ist der längste Streik seit der Gründung der Deutschen Bahn AG im Jahr
1994: Ab Donnerstag legen die Lokführer im Personenverkehr erneut ihre
Arbeit nieder.
Streikdrohung der Lokführer: Alle Räder ruhen, aber erst später
Die Lokführer-Gewerkschaft GdL lehnt den Vorschlag der Bahn ab und setzt
auf Konfrontation. Wann der nächste Streik kommt, steht noch nicht fest.
Gewerkschaften zu Tarifeinheitsgesetz: DGB vereint im Schweigen
DGB, IG Metall und Ver.di wollen sich zurzeit nicht zum Gesetzesentwurf von
Arbeitsministerin Nahles äußern. Piloten drohen mit Verfassungsklage.
Entwurf für Tarifeinheitsgesetz: Lokführer an die Kette
Die Arbeitsministerin lädt die großen Gewerkschaften ein, die Kleinen
plattzumachen. Den genauen Gesetzentwurf will sie bisher nicht offenlegen.
Arbeitsrechtler über Tarifeinheit: „Eingriff ins Streikrecht“
Heiner Dribbusch hält das Vorhaben der Arbeitsministerin für einen Fehler.
Die Spartengewerkschaften seien weder übermächtig noch besonders
streikfreudig.
Tarifeinheitsgesetz geplant: Vielfalt der Streikwesten gefährdet
Das Tarifeinheitsgesetz soll in diesem Jahr kommen: Im Konfliktfall
entscheiden Arbeitsgerichte, wer im Betrieb das Sagen hat.
Konkurrenz der Gewerkschaften: Zwei Seelen, ach, in meiner Brust!
Die GdL will nicht nur Tarifverträge für Lokführer erstreiten, sondern für
alle bei ihr organisierten DB-Mitarbeiter. Für die ist bisher die EVG
zuständig.
GDL-Chef Weselsky über Bahnstreik: „Das passt nicht zusammen“
Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft beklagt, dass die Bahn Gespräche
absagt, Züge nicht fahren lässt und den Streikenden die Schuld am Chaos
gibt.
Gewerkschafter gegen Gesetz: Hände weg vom Streikrecht
Der DGB-Bundeskongress spricht sich gegen eine gesetzliche Regelung zur
Tarifeinheit aus. Die aber fordern die Arbeitgeber.
Neuer DGB-Chef über Geld: „Geiz ist nicht geil“
Reiner Hoffmann soll am Montag an die Spitze des DGB treten. Ein Gespräch
über den Wert der Arbeit, die Rente der Zukunft und Europa.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.