# taz.de -- Gewerkschafter gegen Gesetz: Hände weg vom Streikrecht | |
> Der DGB-Bundeskongress spricht sich gegen eine gesetzliche Regelung zur | |
> Tarifeinheit aus. Die aber fordern die Arbeitgeber. | |
Bild: Kloppte auf dem DGB-Kongress auch mal auf den Tisch: Verdi-Chef Frank Bsi… | |
BERLIN taz | Der DGB lehnt eine per Gesetz vorgeschriebene Tarifeinheit | |
kategorisch ab, wenn damit Einschränkungen des Streikrechts verbunden sind. | |
In Berlin billigten die 400 Delegierten des Bundeskongresses bei wenigen | |
Gegenstimmen einen entsprechenden Antrag. | |
Vorangegangen war die erste wirklich lebhafte Diskussion auf dem Kongress, | |
der noch bis Freitag stattfindet. „Das Streikrecht ist ein Grundrecht auch | |
für Splittergruppen, es ist nicht teilbar“, rief Brigitte Runge, Delegierte | |
der IG Metall, in den Saal. | |
"Es muss uns misstrauisch machen, wenn sich die Arbeitgeber für die | |
Tarifeinheit ins Zeug legen", sagte ihr Kollege Herbert Grimberg von der | |
Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Er zergliederten die | |
Arbeitgeber Betriebe und sorgten für "Tarifwirrwarr". Dann beschwerten sie | |
sich über dieses "Wirrwarr" und forderten eine gesetzliche Regelung. "Wir | |
sollten diesen Sirenengesängen nicht nachkommen", forderte Grimberg. | |
Hintergrund ist, dass sich die Arbeitgeber für eine gesetzliche Regelung | |
starkmachen. Sie würde bedeuten, dass künftig der Grundsatz „ein Betrieb – | |
ein Tarifvertrag“ vorgeschrieben wird. Das zielt in erster Linie gegen | |
Berufsgewerkschaften wie den Marburger Bund (Ärzte) oder Cockpit (Piloten) | |
und die Zersplitterung der Tariflandschaft. Allerdings könnten in manchen | |
Betrieben auch Einzelgewerkschaften des DGB in der Minderheit sein. Auch | |
sie hätten dann kein Recht mehr, eigenständig Tarifverträge abzuschließen | |
oder zu streiken. | |
## Hohe Hürden | |
In den acht Einzelgewerkschaften des DGB wird seit geraumer Zeit darum | |
gerungen, wie man sich zu dem Vorhaben stellt, das Union und SPD laut | |
Koalitionsvertrag noch in dieser Legislatur umsetzen wollen. Bei | |
Gewerkschaftern, aber auch bei vielen Juristen herrscht die Auffassung vor, | |
dass eine gesetzlich vorgeschriebene Tarifeinheit nicht ohne eine | |
allgemeine Einschränkung des Streikrechts zu haben ist. Damit würde ein | |
verfassungsrechtlich indirekt garantiertes Grundrecht angetastet. | |
Die Hürden für solch einen Eingriff hat der DGB nun hoch angesetzt. Die | |
Delegierten fassten den Entschluss, jegliche Eingriffe des Gesetzgebers in | |
bestehende Regelungen abzulehnen, „die das Streikrecht oder die | |
verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie beeinträchtigen“. Ein | |
Gegenantrag hatte verlangt, die Bundesregierung unmissverständlich dazu | |
aufzufordern, das „gesetzgeberische Vorhaben zur Tarifeinheit nicht weiter | |
zu verfolgen“. | |
Zu solch einer klaren Aussage wollte sich die Mehrheit der Delegierten | |
nicht durchringen. Rein faktisch bedeutet der Mehrheitsbeschluss jedoch | |
eine Absage an einen gesetzlichen Eingriff. | |
Bereits am Vormittag hatte der neue DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sein | |
Grundsatzreferat gehalten. Hoffmann forderte eine Ausweitung der | |
Mitbestimmungsmöglichkeiten in Unternehmen, eine gerechtere Steuerpolitik | |
sowie eine Ende der Sparpolitik in Europa. Der 58-Jährige verlangte zudem | |
eine grundlegend neue Ordnung am Arbeitsmarkt. Die Reformen der großen | |
Koalition, darunter die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 | |
Euro oder die Rente mit 63, „das reicht uns nicht“, rief Hoffmann. | |
Vor allem die geplanten Einschränkungen beim Mindestlohn sorgten bei den | |
Gewerkschaftern auf dem Kongress für helle Empörung. „Würde kennt kein | |
Ausnahme, weder bei Unter-18-Jährigen noch bei Langzeitarbeitslosen. Wir | |
werden nicht hinnehmen, dass Langzeitarbeitslose stigmatisiert werden“, | |
rief der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske unter lautstarker Zustimmung in | |
den Saal. | |
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass Langzeitarbeitslose im ersten | |
halben Jahr einer neuen Beschäftigung keinen Anspruch auf 8,50 Euro haben. | |
Ein Einfallstor für „Hire and Fire“, sagen Gewerkschaften und | |
Arbeitsmarktexperten voraus. Bsirske rief die acht Einzelgewerkschaften | |
dazu auf, in den nächsten Monaten ein breites gesellschaftliches Bündnis | |
zur Verteidigung eines uneingeschränkten Mindestlohns zu knüpfen. Die | |
Auseinandersetzung um den Gesetzentwurf, der im September beschlossen | |
werden soll, „wird in hohem Maß in der Öffentlichkeit entschieden, auf die | |
müssen wir Druck machen und Einfluss nehmen“, so Bsirske. | |
13 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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