# taz.de -- Abschied von Klaus Wowereit: „Ich bereue nichts“ | |
> Auf ihrem Parteitag feiert Berlins SPD ihren scheidenden Bürgermeister | |
> und seinen Nachfolger. Der verspricht, den Berlinern besser zuzuhören. | |
Bild: Zitiert sich sogar selbst: Klaus Wowereit beim Abschied neben seinem Nach… | |
BERLIN taz | Am Ende seiner Abschiedsrede nennt der scheidende Regierende | |
Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, noch einmal seine Referenzgrößen: Er | |
zitiert Frank Sinatras „I did it my way“ und Edith Piafs „Ich bereue | |
nichts“ – und sagt „Tschüss“ zu seiner Partei. Es folgen fünf Minuten | |
Standing Ovation. Wowereit, der Glamourmann, verlässt nach 13 Jahren als | |
Regierungschef der Bundeshauptstadt die politische Bühne. | |
Und Berlins SPD trauert auf ihrem Landesparteitag ein bisschen. Denn bei | |
Wowereit wusste sie – allen Pannen und Peinlichkeiten zuletzt – zumindest, | |
wen sie hat. Bei seinem designierten Nachfolger Michael Müller, der einen | |
Mitgliederentscheid überraschend deutlich für sich entscheiden konnte, ist | |
das nicht so klar. Zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht. | |
Klaus Wowereit nutzt seinen letzten Auftritt vor der Partei am | |
Samstagvormittag, um noch einmal an seine – wie er nicht ganz zu unrecht | |
findet – historischen Taten zu erinnern: Seinen Putsch gegen den damaligen | |
Koalitionspartner CDU 2001, der ein Befreiungsschlag gewesen sei für die | |
Partei und die Stadt; die gut ein halbes Jahr später geformte Koalition mit | |
der PDS, der Debatten vorausgegangen seien, gegen die heutigen um den | |
Pannenflughafen BER „harmlos“ seien; den schmerzhaften Einsparungen, mit | |
denen Berlin zeigen wollte, dass es selbst etwas gegen den wachsenden | |
Schuldenberg tun könne. Der 61-Jährige betont: „Rot-Rot war eine | |
erfolgreiche Koalition.“ Dem Applaus nach zu schließen, finden das auch | |
viele der 232 Delegierten im Berliner Congress Centrum am Alexanderplatz. | |
Es ist auch eine indirekte Kritik an der seit 2011 bestehenden | |
Zusammenarbeit mit der CDU. | |
Der Noch-Regierende, der voraussichtlich Mitte Dezember sein Amt übergeben | |
wird, spart nicht mit Spott in eine andere Richtung: Er sei „weiterhin | |
zufrieden mit unserer Opposition“. Tatsächlich haben weder Grüne noch | |
Linkspartei noch Piraten vom schwachen Auftritt der SPD seit 2011 | |
profitieren können. Vielleicht ist Wowereit der Abschied auch aufgrund der | |
fehlenden Konkurrenz nicht nur innerhalb der eigenen Partei „nicht leicht | |
gefallen“, wie er glaubhaft betont. | |
Eindringlich wird er vor allem, als er die SPD ermahnt, wieder mehr | |
miteinander und weniger übereinander zu reden: „Konflikte tragen wir bitte | |
intern aus, nicht nach außen.“ Dafür gebe es genügend Möglichkeiten. Er | |
spielt damit auf die Streitigkeiten während der Suche nach einem Nachfolger | |
für ihn an. Und als er sie auffordert, drohenden Volksentscheiden nicht aus | |
dem Weg zu gehen, etwa bei der Frage einer Olympia-Bewerbung Berlins. Zwar | |
gebe es gute Gründe gegen eine solche Veranstaltung, gab Wowereit offen zu. | |
„Aber alle Städte reißen sich darum und wo Olympische Spiele stattfanden, | |
waren sie eine Erfolgsgeschichte.“ Auch Berlin brauche weitere | |
Erfolgsgeschichten. | |
Wowereit belässt es nicht dabei, andere zu zitieren. Er zitiert auch sich | |
selbst und das gleich doppelt, als es um seinen Nachfolger geht: „Michael | |
Müller ist nicht Wowereit, und das ist auch gut so. Er ist Michael Müller, | |
und das ist gut so.“ Zum Abschied erhält er von der SPD einen Globus und | |
ein Gemälde seines Lieblingsmalers Rainer Fetting, das eine Straßenansicht | |
an der Berliner Mauer zeigt – schließlich ist dies das Wochenende, an dem | |
Berlin den 25. Jahrestag des Mauerfalls begeht. | |
## Für Flüchtlinge und Vollbeschäftigung | |
Wie würde sich Michael Müller präsentieren bei diesem ersten großen | |
Auftritt seit dem gewonnenen Mitgliedervotum vor drei Wochen? Müller, der | |
vor zweieinhalb Jahren von seiner Partei als Landeschef abgewählt worden | |
war; der im Mai überraschend deutlich den Volksentscheid über die von ihm | |
geplante Bebauung auf dem Tempelhofer Feld in der Berliner Innenstadt | |
verloren hatte? | |
Er hat daraus gelernt – das soll die Botschaft sein, mit der Müller die | |
Große Koalition fortsetzen will. Der bisherige Stadtentwicklungssenator | |
betont in seiner fast einstündigen Rede mehrfach, dass er den Bürgern | |
besser zuhören will; dass er versuchen will, wieder zu vermitteln, dass die | |
SPD „gut regieren“ kann, dass sie die Probleme der Bürger versteht und | |
angeht. Daran würden viele Menschen in Berlin seit einigen Jahren zweifeln. | |
Eine mehr als dezente, aber gleichzeitig nicht aufdringliche Kritik an | |
seinem Vorgänger. | |
Ein deutlich veränderter Stil ist für Müller auch die einzige Möglichkeit | |
bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 zu punkten. Denn die | |
vielen Großbaustellen Berlins wird er nicht bis zur nächsten Wahl abräumen. | |
Müller gab freimütig zu, kein Patentrezept für den Pannenflughafen BER zu | |
haben. Wichtiger als ein schneller Eröffnungstermin sei dann auch, den | |
Bürger klar zu machen, was in Schönefeld passiere: „Es ist nicht | |
nachvollziehbar, dass man nie jemand sieht mit einer Bohrmaschine auf der | |
BER-Baustelle.“ | |
Auch die Probleme der wachsenden Stadt – allen voran die steigenden Mieten | |
– sind nur langfristig zu lösen. Dafür geizte Müller nicht mit | |
Ankündigungen, die ihn als durchaus linken SPDler erkennbar machen lassen: | |
Er werde sich für eine solidarische Stadt einsetzen, in der Bildung die | |
Grundlage bilde für sozialen Aufstieg; er will den Berlinern „Sicherheit im | |
Wandel“ geben; Berlin müsse eine auch wieder wirtschaftlich führende Stadt | |
werden – Müller sprach gar von Vollbeschäftigung; und er betonte die | |
Notwendigkeit, sich für Flüchtlinge einzusetzen: „Flüchtlinge können von | |
uns nicht behandelt werden wie ein Verwaltungsakt. Sie kommen in diese | |
Stadt dieses reichen Landes, oft traumatisiert. Es muss selbstverständlich | |
sein, dass sie eine gute Unterkunft erhalten und Zugang zu Bildung.“ | |
## „Ich habe richtig Lust drauf“ | |
Schließlich möchte Müller, der Wowereit auch als Kultursenator beerben | |
wird, nicht nur Wohnungen bauen, sondern auch jene Freiräume erhalten, die | |
von Künstlern und Kulturschaffenden genutzt werden und für die Berlin | |
weltweit bekannt ist. „Ich will das Unfertige für Künstler bewahren“, so | |
Müller. Und „Kultur für alle“ sichern – „egal ob im Kiez oder Unter d… | |
Linden.“ | |
Fast eine Stunde spricht Müller und lässt dabei die Dauerkritik geradezu | |
abperlen, er habe keine Ausstrahlung und könne nicht reden. Als er mit dem | |
Satz „Ich habe richtig Lust da drauf“, schließt, gibt es kaum jemanden im | |
Saal, der ihm das nicht glaubt. Müller muss dafür nicht mal jemanden | |
zitieren. | |
Es folgen auch hier Standing Ovations und minutenlanger Applaus. Und als | |
der Parteitag kurz darauf noch seine laut Satzung vorgesehene Aufgabe | |
erfüllt, Müller auch offiziell zum Kandidaten für das Amt des Regierenden | |
Bürgermeisters per Handzeichen zu bestimmen, da gibt es keine Enthaltung | |
und keine Gegenstimme. | |
8 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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