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# taz.de -- Unabhängigkeitspläne in Katalonien: Eine hoch symbolische Abstimm…
> Eine Art Volksbefragung soll das verbotene Referendum über die
> Unabhängigkeit ersetzen. Der Ausgang steht schon fest.
Bild: Urnenbox in einem Wahllokal in Barcelona.
MORA LA NOVA taz | Trotz Nieselregen wollte Miguel Roca früh da sein. Als
einer der Ersten stimmte er am Sonntag in Mora la Nova über die Zukunft
seiner Heimat Katalonien ab. „Sí! Sí!“, erklärt er stolz. „Wollen Sie,…
Katalonien ein Staat wird?“, lautet die Frage auf dem Zettel. „Ja“, kreuzt
er ohne zu zögern an. „Im Falle, dass sie zustimmen: Wollen sie, dass
dieser Staat unabhängig ist?“ – „Ja“, lautet auch hier seine Antwort. …
bin für die Unabhängigkeit von Spanien, solange ich denken kann“, sagt der
46-jährige Elektroinstallateur.
Wie im Dreitausendseelendorf Mora la Nova am Fluss Ebro stimmten die
Katalanen in 942 der 947 Städte und Gemeinden Kataloniens ab. In 1.317
Wahllokalen wurden 6.695 Urnen aufgestellt. In den Städten bildeten sich
lange Schlangen vor den Wahllokalen. Vor allem das doppelte Ja wanderte in
die Urnen. Wer gegen die Unabhängigkeit ist, blieb eher zu Hause.
Rechtlich verbindlich ist die Abstimmung nicht. Denn ein Referendum, wie es
die katalanische Autonomieregierung wollte, wurde vom spanischen
Verfassungsgericht auf Antrag der konservativen Regierung in Madrid
gestoppt. „Die katalanische Regierung hat daraufhin einen
Bürgerbeteiligungsprozess ins Leben gerufen“, sagt Marta Meseguer. Die
54-jährige Informatiklehrerin leitet die Wahl an einem der drei Tische in
Mora la Nova.
„Generalprobe“ nennt El Periódico, eine der wichtigsten Zeitungen
Kataloniens, die Abstimmung, die offiziell keine ist, auf ihrem Titelblatt
vom Sonntag. „Alle Wahllokale werden von Freiwilligen betreut“, berichtet
Meseguer. Sie gehört zur Katalanischen Nationalversammlung (ANC), einer
Bürgerinitiative, die seit Jahren für die Unabhängigkeit Kataloniens mobil
macht. „Es ist kein einziger Beamter beteiligt“, unterstreicht Meseguer.
Denn die Staatsanwaltschaft in Madrid hat die Polizei in Katalonien
angehalten, die Verantwortlichen der Wahllokale festzustellen, um
gegebenenfalls Verfahren wegen eines Verstoßes gegen die Entscheidung des
Verfassungsgerichts einzuleiten. Vor allem dort, wo Schulen und Rathäuser
für die Abstimmung genutzt werden, kann dies für Direktoren und
Bürgermeister zu Problemen führen.
## Hoffen auf Autonomie
In Mora la Nova nutzen sie die Halle, in der einmal im Jahr eine große
Landwirtschaftsmesse stattfindet. Der Bürgermeister des Ortes, in dem
sowohl Gemeindeverwaltung als auch Opposition aus nationalistischen
Parteien bestehen, will aus Vorsicht nicht mit der Presse sprechen, lässt
er durch einen Sekretär erklären.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy wetterte am Tag vor dem Urnengang:
„Das ist weder ein Referendum noch eine Konsultation oder sonst etwas in
der Art.“ Er erklärte zudem, „dass es keinerlei Effekt haben wird“.
Roca ist dennoch zuversichtlich, dass seine Stimme für etwas nutze ist und
der Weg zur Unabhängigkeit schon bald gelingen wird. „Wer hätte vor fünf
Jahren gesagt, dass wir einmal so stark werden?“, erklärt er. In den
letzten Jahren wächst die Unabhängigkeitsbewegung unaufhörlich. Dreimal
hintereinander gingen am katalanischen Nationalfeiertag, dem 11. September,
rund eine Million der 7,5 Millionen Katalanen für eine Loslösung von
Spanien auf die Straße. „Unumkehrbar“ ist für Roca dieser Prozess. Er ist
sicher, dass er die Unabhängigkeit schon bald erleben wird.
## Wut über die Krise
„Die Unabhängigkeitsbewegung ist so etwas wie die Mischung aus Empörung
über die aktuelle Lage plus die Verteidigung unserer Identität“, erklärt
der 46-Jährige. Er redet von eigener Kultur, eigener Sprache, vom
„Unternehmergeist der Katalanen“ und vom „In-den-Tag-Hineinleben“ der
restlichen Spanier. Doch was ihn am meisten bewegt, ist die finanzielle
Lage seiner Heimat. Roca rechnet wie alle Nationalisten vor, dass das
reiche Katalonien mehr Steuern abführt, als später an Dienstleistungen
zurückkommt. „Jetzt in der Krise wurde das unerträglich“, denn ein
unabhängiges Katalonien hätte weniger Kürzungen hinnehmen müssen. Roca
träumt von einem anderen Land, gerechter, sozialer, ohne Korruption in der
Politik.
„Ich hoffe, dass wir uns auch danach gut mit Spanien verstehen“, sagt er
dann noch. Denn er hat Familie im restlichen Spanien. Seine Mutter kam mit
22 aus dem Süden nach Katalonien, sein Vater stammt aus Mora la Nova. „Ein
Teil der Familie meiner Mutter redet nicht mehr mit uns, weil wir für die
Unabhängigkeit sind“, sagt Roca. „Die sind einfach engstirnig“, meint er.
9 Nov 2014
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Katalonien
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