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# taz.de -- Diskussion um Sicherheit: Vertrauen Sie mir
> Sicherheit klingt gut. Jeder denkt, er wIsse, was damit gemeint ist. Aber
> sie ist ein Versprechen, dessen Einlösung sich oft nicht kontrollieren
> lässt.
Bild: Kritik? Pssssst. Wer unklare Sicherheitsversprechen gibt, fordert blindes…
Alle versprechen sie. Der Staat, die Unternehmen, sie alle verkünden, viel
für unsere Sicherheit zu tun. Das klingt gut. Doch die Frage ist: Welche
Art von Sicherheit ist eigentlich gemeint? Weniger Anschläge? Weniger
Banküberfälle? Mehr Festnahmen? Mehr staatliche Überwachung? Oder heißt
mehr Sicherheit: Mehr Schutz vor staatlicher Überwachung? Weniger
Festnahmen? Mehr Schutz vor datensammelnden Unternehmen? Oder vor dem
neugierigen Partner?
Ähnlich zwiespältig lesen sich die Äußerungen der Bundesregierung. Da heißt
es einmal: „Die Arbeit von Nachrichtendiensten in demokratischen Staaten
war für die Sicherheit der Bürger immer unerlässlich und wird es auch in
Zukunft sein.“ Dann aber: „Die Bundesregierung befürwortet Maßnahmen, die
der Verbesserung von Datenschutz und Datensicherheit dienen.“
Eine Seite muss da verlieren. Entweder die Privatsphäre. Oder der
Geheimdienst – und damit das von Politikern beschworene Bedürfnis der
Bevölkerung nach nicht näher definierter Sicherheit. Die vermeintliche
Sicherheit des einen führt hier zur Unsicherheit des anderen. Man kennt das
von Staaten, die gerade beim Wettrüsten sind, Panzer um Panzer, Rakete um
Rakete.
Jetzt findet das Wettrüsten vor allem im Raum der digitalen Kommunikation
statt. Im Gegensatz zum Kalten Krieg ist hier aber nicht so eindeutig, wer
auf welcher Seite steht. Die Koalitionen wechseln, die Frontverläufe sind
nicht immer zu erkennen. Mal kämpfen Staat und Unternehmen gegen Bürger.
Mal der Staat an der Seite der Bürger gegen Unternehmen.
## Welche Art von Sicherheit bekommt man?
Derselbe Staat, der zur Nutzung von Verschlüsselungswerkzeugen aufruft,
will sich ein Hintertürchen offen halten und unbemerkt auf persönliche
Kommunikationsdaten zugreifen. Geheimdienste nutzen Sicherheitslücken,
dabei sollen sie doch Bevölkerung und Unternehmen vor Angriffen bewahren.
Und selbst wenn Persönliches in der Cloud vor kriminellen Hackern geschützt
sein mag, kann trotzdem die NSA darauf Zugriff haben. Da ist es sehr
praktisch, wenn der Nutzer, der Verbraucher, der Bürger gar nicht so genau
weiß, welche Art von Sicherheit er zugesagt bekommt.
Sicherheit. Klingt gut, ist universell anwendbar, und jeder denkt sofort,
er wüsste, was damit gemeint ist. Tatsächlich ist Sicherheit vor allem ein
Versprechen, das uns auffordert, darauf zu vertrauen, dass es eingelöst
wird. Allerdings ist Vertrauen in der Politik eine instabile Währung. Die
Bundeskanzlerin spricht gerne mal kippenden Ministern ihr „vollstes
Vertrauen“ aus. Wer heute noch vertrauenswürdig war, ist morgen womöglich
reif für den Rücktritt. Auf das Vertrauen, das die Bundeskanzlerin in ihre
Kabinettskollegen setzt, ist also kein Verlass. Zumindest dann nicht, wenn
sie es versichert.
Um Vertrauen geht es auch, wenn der BND Sicherheit verspricht. Der Leiter
vom Standort Bad Aibling des BND, der neulich als Zeuge im
Untersuchungsausschuss des Bundestages war, konnte auf die Frage, wie viele
Anschläge durch die geheimdienstliche Überwachung verhindert wurden, keine
Antwort geben: „Dazu gibt es keine Zahlen.“ Man muss also dem Versprechen
des BND glauben, dass seine Tätigkeit vor Anschlägen schützt. Ähnlich
verhält es sich mit dem Ruf nach Vorratsdatenspeicherung, wie er häufig aus
Polizeikreisen zu hören ist. Zahlen, die das Instrument tatsächlich als
wirksam bei der Verbrechensbekämpfung belegen, gibt es auch hier keine.
Sicher ist nur, dass die anlasslose Speicherung von Daten mit Grundrechten
kollidiert.
Sicherheit und Vertrauen, beide Begriffe sind nicht nur auf den ersten
Blick ähnlich eindeutig und auf den zweiten Blick ähnlich nebulös. Wer
unklare Sicherheitsverprechen gibt, fordert blindes Vertrauen ein. Der
Bürger, Verbraucher, Nutzer hat dabei das Nachsehen: Er weiß nicht, was ihm
genau versprochen wird. Und selbst wenn er es wüsste, ist er in vielen
Bereichen gar nicht in der Lage, ein solches Versprechen zu überprüfen und
Konkretes einzufordern.
## Das Bedürfnis nach Geheimhaltung
Das gilt nicht nur im Bereich des Internets und der
Informationstechnologie. Wo es um Sicherheit geht, ist das Bedürfnis nach
Geheimhaltung am größten. Die Lieblingsantwort der im
NSA-Untersuchungsausschuss vernommenen BND-Vertreter auf kritische Fragen
lautet: „Nichtöffentlich.“ Die Geheimhaltung kommt den Sicherheitsbehörden
in jeder denkbaren Situation zupass: Die Kriminalität ist gesunken, es gab
keine Anschläge? Sie haben gute Arbeit geleistet. Die Kriminalität hat
zugenommen? Dann müssen die Sicherheitsanstrengungen und Budgets erhöht
werden.
Alle Risiken, sagt der Soziologe Ulrich Beck, haben die Eigenschaft, mehr
oder weniger unsichtbar zu sein. In der Welt des Digitalen gilt das umso
mehr. Die Katastrophe kann genauso unsichtbar sein wie ein wirksamer Schutz
vor ihr. Wenn man etwa keinen Datenklau feststellen kann – ist dann alles
in Ordnung oder hat man nur nichts gemerkt?
Das schönste am Sicherheitsversprechen aber ist: Es kostet nichts. Weil
niemand weiß, was genau hier eigentlich versprochen wird, kann sich niemand
in die Irre geführt fühlen. Keiner demonstriert oder zieht vor Gericht,
weil sich die versprochene Sicherheit letztlich vor allem als eines zeigt:
ziemlich unsicher.
24 Nov 2014
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
BND
Geheimdienst
Schwerpunkt Überwachung
NSA-Affäre
Privatsphäre
Sicherheit
Vertrauen
Schwerpunkt Überwachung
Datenschutz
Polizei
Tor
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