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# taz.de -- Grüne Asylpolitik auf Kompromisskurs: Die Stille nach dem Beschluss
> Die Grünen haben den jüngsten Asylkompromiss geräuschlos durchgewinkt.
> Das ist ein Sieg für Realos wie Winfried Kretschmann.
Bild: Im November hatten die Grünen über Asylpolitik noch heftig diskutiert.
BERLIN taz | Die Gewinner jubeln lieber erst gar nicht vor Publikum. Bloß
keine Wunden aufreißen bei diesem sensiblen Thema, das die Grünen im
September in den Ausnahmezustand versetzt hatte. Vor einer Woche verhalfen
grüne Ländervertreter einem weiteren umstrittenen Asylpaket aus dem
Kanzleramt im Bundesrat zu den entscheidenden Stimmen. Doch das Echo
unterscheidet sich eindrucksvoll von jenem nach dem [1][ersten
Asylkompromiss im September]. Nicht einmal eine Brise der Entrüstung wehte
diesmal noch durch die Partei.
Dabei rangen die grün mitregierten Länder erneut heftig um ihre Haltung.
Wie schon beim ersten Asylkompromiss stand am Ende kein einheitliches
Votum. Die meisten grün mitregierten Länder winkten zwar sowohl die Novelle
des Asylbewerberleistungsgesetzes als auch die unter Grünen hochstrittige
Verschärfung des EU-Freizügigkeitsgesetzes durch – um im Gegenzug
zusätzliche Millionen und eine bessere Gesundheitsversorgung für
Asylbewerber herauszuschlagen. Das rot-grün regierte Bremen jedoch wertete
die Einschnitte in die Freizügigkeit samt Wiedereinreisesperren für
Unionsbürger als untragbar – und enthielt sich.
Eigentlich genügend inhaltliche Differenzen, um sich wie im September
öffentlich [2][über den richtigen Kurs in der Asylpolitik zu zerlegen].
Doch selbst scharfe Kritiker des Realokurses scheinen diesmal nicht mehr
geneigt, die grünen Länderfürsten [3][öffentlich als rückgratlos
anzuprangern]. Auch Matthias Güldner, Grünen-Fraktionschef in der
bremischen Bürgerschaft, äußert sich wohlwollend über die Parteifreunde.
Zwar sei es Bremen „relativ schwach“ vorgekommen, die Kritik an dem
Freizügigkeitsgesetz nur in einer Protokollerklärung anzubringen, sagt er.
Schließlich sei doch der Bundesratsbeschluss entscheidend. Aber, versichert
Güldner: „Man konnte beim EU-Freizügigkeitsgesetz zu unterschiedlichen
Abwägungen kommen.“ Daher gebe es von seiner Seite „keinen Groll“.
## „Ein kleiner Schritt nach Vorne"
Selbst die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Luise
Amtsberg, verzichtet auf harsche Worte – obwohl ihre Fraktion noch im
Sommer gewarnt hatte, die Regierung wolle „die europäische Idee endgültig
in die Tonne“ treten. Nun sagt die Abgeordnete: Der Kompromiss sei
„sicherlich nicht optimal und nicht die reine grüne Lehre“, aber immerhin
„ein kleiner Schritt nach vorne“.
So ähnlich hatte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried
Kretschmann beim Grünen-Parteitag in Hamburg sein heftig kritisiertes Votum
für die Einstufung dreier Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer
gerechtfertigt: „Nur wer Kompromisse macht, kann auch von anderen welche
erwarten.“
Bei den Grünen zeichnet sich ein neuer Umgang mit dem
Bund-Länder-Machtgefüge ab. Man will jetzt das Positive herausstellen;
statt der eigenen Parteifreunde lieber die Große Koalition attackieren. So
räumt auch Amtsberg ein: Sie hätte sich härtere Verhandlungen mit dem Bund
gewünscht, aber: „Bei dieser Bundesregierung bleibt im Moment leider nur
die Möglichkeit, über die grünen Ländervertreter an den wenigen
Stellschrauben zu drehen.“
Hat sich Kretschmann mit seiner Rede beim Parteitag durchgesetzt? So sehen
das einige Realos, auch wenn sie sich damit nicht zitieren lassen. Dieter
Janecek, Realokoordinator im Bundestag, findet die neue Ernsthaftigkeit bei
der Bewertung von Kompromissen im Bundesrat „wirklich gut“.
Das sieht die Sprecherin der Grünen Jugend, Theresa Kalmer, anders. Der
Parteinachwuchs prangerte vergangene Woche den „perfiden“ Kompromiss an –
und blieb damit allein. Dabei sei doch selbst die versprochene
Gesundheitskarte für Asylbewerber nur als „Prüfauftrag“ in dem
Bund-Länder-Beschluss festgehalten, kritisiert Kalmer: „Das finde ich
schwach.“ Warum sage das niemand mehr? Kalmer wünscht sich „Diskussionen
über rote Linien, die definitiv nicht zur Verhandlung stehen“.
5 Dec 2014
## LINKS
[1] /Neue-Asylregeln-fuer-Balkanlaender/!146265/
[2] /Kretschmann-empoert-Gruene/!146322/
[3] /Bundesparteitag-der-Gruenen/!149999/
## AUTOREN
Astrid Geisler
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Grüne
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