| # taz.de -- Falsch untergebracht: Keine Geste für Abschiebehäftlinge | |
| > Mehr als 900 Flüchtlinge saßen rechtswidrig in Hannover-Langenhagen in | |
| > Abschiebehaft. Entschädigung sei nicht in Sicht, beklagt ein Anwalt. | |
| Bild: Seit Anfang 2014 wieder eine reine „Abschiebeeinrichtung“: Justizvoll… | |
| HAMBURG taz | „Es wäre doch eine gut Geste“, sagt Peter Fahlbusch. Der | |
| Anwalt aus Hannover, spezialisiert auf Ausländerrecht, nähme die rot-grüne | |
| Landesregierung gerne beim Wort, was den vie beschworenen | |
| „Paradigmenwechsel“ bei Aufenthalt und Abschiebungen angeht. Da solle man | |
| sich „bei den Menschen, die teilweise monatelang in Hannover-Langenhagen | |
| rechtswidrig in Abschiebehaft gesessen haben, förmlich entschuldigen“, sagt | |
| der Jurist. „Oder – und sei es nur symbolisch – eine Haftentschädigung zu | |
| zahlen.“ | |
| Hintergrund des Vorstoßes ist ein von Fahlbusch selbst erstrittenes Urteil: | |
| Im Juli entschied der Europäischen Gerichtshof (EuGH), dass | |
| „ausreisepflichtige“ Flüchtlinge nicht als Verbrecher behandelt werden | |
| dürfen. In der Folge hätten die Betroffenen auch nicht zwecks Abschiebung | |
| in Gefängnissen mit „normalen“ Strafgefangenen untergebracht werden dürfe… | |
| Viele Bundesländern - und in deren Hoheit fällt hierzulande der | |
| Strafvollzug – hatten es versäumt, dieses schon seit 2008 geltende | |
| „Trennungsgebot“ in der EU-Rückführungsrichtlinie in deutsches Recht zu | |
| gießen. | |
| Stichtag für diese Umsetzung wäre der 24. 12. 2010 gewesen. Zwischen jenem | |
| Datum und dem Jahresende 2013 saßen nach Auskunft des Justizministerium in | |
| Hannover insgesamt 868 "ausreisepflichtige" Männer sowie 55 Frauen in der | |
| beanstandeten Abschiebungshaft in Langenhagen verbracht. | |
| Zum 1. Januar 2014 wandelte die Landesregierung das Gefängnis wieder zu | |
| einer reinen Abschiebeeinrichtung um, die aber kaum oder zeitweise garnicht | |
| genutzt wird. Die seinerzeit rückläufige Zahl an Abschiebehäftlingen war | |
| auch der Grund gewesen, warum die schwarz-gelben Vorgängerregierung | |
| verstärkt Strafgefangene mit geringen Haftstrafen in Langenhagen | |
| untergebracht hatte. Dass Abzuschiebende dort „in einem separaten Gebäude | |
| auf der Justizvollzugsanstalt untergebracht waren“, änderte aus Sicht des | |
| Bundesgerichtshofes aber nichts daran, „dass es sich um eine Unterbringung | |
| in einer gewöhnlichen Haftanstalt handelte“. | |
| „Ausgehend von der Entscheidungen des EuGH und des BGH ist festzustellen, | |
| dass diese 923 Abschiebehaft-Gefangene alle rechtswidrig in Langenhagen | |
| inhaftiert wurden“, sagt Rechtsanwalt Fahlbusch. „Dies ist ein Skandal!“ | |
| Zu der von ihm angeregten Entschuldigung oder gar Entschädigung wird es | |
| wohl nicht kommen: Auf taz-Nachfrage war aus dem Innenministerium nur zu | |
| hören: „Ihre Anfrage wird in unserem Hause bearbeitet. Sobald wir eine | |
| Rückmeldung haben, melden wir uns.“Wann das sein werde, so | |
| Ministeriumssprecher Matthias Eichler, könne er nicht absehen. | |
| Da müsse jeder Betroffene separat eine Haftentschädigung einklagen, sagt | |
| Fahlbusch, der eine Handvoll Mandaten vertritt. Das Gesetz sieht für solche | |
| Fälle ein Schmerzensgeld von 25 Euro pro Tag vor. „Eine öffentliche | |
| Entschuldigung für das Unrecht könnte der rot-grünen Landesregierung gerade | |
| zu Weihnachten gut zu Gesicht stehen“, sagt Fahlbusch – „und macht | |
| vielleicht viele Regress-Verfahren obsolet.“ | |
| 18 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
| ## TAGS | |
| Abschiebehaft | |
| EuGH | |
| Justiz | |
| Flüchtlinge | |
| Abschiebehaft | |
| Hamburg | |
| Abschiebehaft | |
| Abschiebe-Gefängnis | |
| Inhaftierung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Anwalt über Abschiebehaft: „Im Zweifel gegen die Freiheit“ | |
| Anwalt Peter Fahlbusch führt Statistik darüber, wie oft seine Mandanten zu | |
| Unrecht in Abschiebungshaft saßen – 738 Menschen seit 2001. Ein | |
| Armutszeugnis, sagt er. | |
| Minderjährige Flüchtlinge: Ein Traum vom besseren Leben | |
| Über tausend minderjährige Flüchtlinge kamen 2014 ohne ihre Familie in | |
| Hamburg an – ein kleiner Teil von ihnen macht Probleme. Die Jugendlichen | |
| sind unter Beschaffungsdruck. | |
| Abschiebehaft in Deutschland: Tür an Tür mit Kriminellen | |
| Der Europäische Gerichtshof beanstandet die deutsche Praxis, Flüchtlinge in | |
| Gefängnisse zu sperren. Doch nicht alle Bundesländer reagieren darauf. | |
| Urteil zur Flüchtlingspolitik: Richter verlangen Trennung | |
| Abschiebehäftlinge sind anders unterzubringen als Strafgefangene, | |
| entscheidet der Europäische Gerichtshof. Dieses Urteil hat Konsequenzen. | |
| Inhaftierung von Abschiebehäftlingen: Flüchtlinge unter sich | |
| Niedersachsen trennt Abschiebehäftlinge wieder von Untersuchungs- und | |
| Strafgefangenen und erfüllt damit – widerwillig – rechtliche Vorgaben. |