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# taz.de -- Hepatitis-Generika in Indien: 1 Dollar pro Tablette statt 1.000
> Das Hepatitis-Medikament Sovaldi kostet in den USA 1.000 Dollar pro
> Tablette. Ein indisches Generikum soll nun nur noch einen Bruchteil
> kosten.
Bild: Hier bleiben die Medikamente wohl billig: indisches Krankenhaus.
BERLIN taz | Die indischen Patentbehörden haben dem 1.000-Dollar-Medikament
Sovaldi der US-Firma Gilead zur Behandlung von Hepatitis C überraschend den
Patentschutz verweigert. Der Wirkstoff Sofosbuvir, auf dem Sovaldi basiert,
sei „nicht innovativ genug“ im Vergleich zu „bereits bekannten Molekülen…
teilten die Behörden am Mittwoch in Mumbai mit. Eine ausführlichere
Begründung war bis Redaktionsschluss nicht erhältlich. Damit dürfte es
indischen Generikaherstellern freistehen, demnächst das Arzneimittel
Sovaldi wirkstoffgleich nachzubauen und in Indien zu deutlich günstigeren
Preisen anzubieten als das Originalpräparat.
Eine Sprecherin von Ärzte ohne Grenzen in den USA begrüßte den Schritt in
Richtung „mehr Wettbewerb“. Sie prognostizierte, der Preis könne in Indien
„auf einen Dollar pro Tablette“ sinken – im Vergleich zu 1.000 Dollar in
den USA und 700 Euro in Deutschland.
Die Entscheidung der indischen Patentbehörden überrascht insofern, als
Sovaldi bei seiner Marktzulassung in den USA (Ende 2013) und Europa (Anfang
2014) in Studien nachweisen konnte, Patienten mit der Viruserkrankung
Hepatitis C nicht nur schneller, sondern auch mit sehr viel höheren Chancen
heilen zu können – und dies im Gegensatz zu der Vorgängertherapie
Interferon praktisch nebenwirkungsfrei. Die horrenden Preise, die der
US-Konzern auch mit den hohen Kosten für Forschung, Entwicklung und für das
Patent begründete, hatten in westlichen Industrienationen eine Debatte über
die Grenzen der Belastbarkeit der Gesundheitssysteme ausgelöst: Eine
Sovaldi-Behandlung kostet in Deutschland zwischen 60.000 und 120.000 Euro
pro Patient.
In Indien dagegen hatte Gilead mit Verweis auf das weitaus geringere
Bruttoinlandsprodukt bereits im September 2014 freiwillig Verträge mit
sieben Generikaherstellern geschlossen, die Sovaldi als Generikum
produzieren und in Schwellen- und Entwicklungsländern billig vermarkten
können sollten. Von Gesamtkosten von 900 US-Dollar für eine
Komplettbehandlung war die Rede.
## Zwangslizenz für Generikahersteller
Der Spruch der indischen Patentbehörden erweitert nun die Zahl der
potenziellen Generikahersteller und dürfte die Preise weiter sinken lassen.
Dafür starkgemacht hatten sich in Anträgen an die Patentbehörden der
indische Generikahersteller Natco Pharma Limited sowie die Initiative for
Medicines, Access & Knowledge aus New York.
In Indien wird das Patentrecht für Arzneimittel zum Ärger der
Originalhersteller seit jeher weitaus laxer gehandhabt als in den meisten
westlichen Industrienationen. „Es sieht beispielsweise keine Patentvergabe
für graduelle Verbesserungen an einem schon existierenden Produkt vor“,
sagt Rolf Hömke, Sprecher des Verbands forschender Arzneimittelhersteller
in Deutschland.
Daneben besteht die Möglichkeit sogenannter Zwangslizenzen im Fall einer
„gesundheitlichen Notlage“, wenn Verhandlungen über eine Belieferung zu
akzeptablen Bedingungen für Indien gescheitert sind. Davon Gebrauch machte
das Land vor einigen Jahren im Fall des Medikaments Sorafnib zur Behandlung
seltener Leber- und Nierenkrebsarten: ein indischer Generikahersteller
erhielt die Zwangslizenz.
Die aktuellen Entwicklungen in Indien wollte Johannes Kandlbinder, Director
Market Access von Gilead Deutschland, nicht kommentieren. Nur so viel: Für
die Preispolitik auf dem US- und den europäischen Pharmamärkten hätten sie
„keine Auswirkungen“, sagte Kandlbinder der taz. So wäre es indischen
Generikaherstellern nach dem deutschen Patentschutz etwa verboten,
Nachahmerpräparate von Sovaldi hierzulande zu verkaufen.
## Gileads Monopol brechen
In Deutschland müssen sich Gilead und die gesetzlichen Krankenkassen bis zu
diesem Samstag auf einen Preis für Sovaldi einigen, andernfalls entscheidet
eine Schiedsstelle. Man sei „auf einer Zielgeraden“, versicherte
Kandlbinder. Der Spitzenverband der Kassen dagegen gab sich weniger
optimistisch.
Der Preis für Sovaldi könnte in Deutschland aber aus einem anderen Grund
demnächst fallen: Das mit Gilead konkurrierende US-Pharmaunternehmen AbbVie
hat im Dezember 2014 in den USA die Zulassung für ein Mittel gegen
Hepatitis C erhalten, das als mindestens so innovativ wie Sovaldi gilt –
und damit als „game changer“, der Gileads Monopol brechen und die Preise
sinken lassen könnte. Die Zulassung für Deutschland erwartet AbbVie in den
nächsten Wochen.
16 Jan 2015
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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Generika
Hepatitis C
Medizin
Indien
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