Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gefälschte Studien zu Generika: Verstoß gegen Qualitätsstandards
> Die Zulassung vieler Nachahmer-Medikamente in Europa basiert auf Studien
> der indischen Firma GVK Biosciences. Auf gefälschten Studien, wie es
> scheint.
Bild: Was ist drin? Die Zulassung hunderter Produkte auf dem deutschen Markt st…
BERLIN taz | Die arzneimittelrechtlichen Zulassungen von mehr als hundert
Medikamenten auf dem deutschen und europäischen Markt basieren
möglicherweise auf gefälschten Studien an Menschen.
Das gab das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am
Freitag in Bonn bekannt – und zog unmittelbare Konsequenzen: Sämtliche
betroffene Arzneimittel, deren Zulassungsgrundlage Studien der indischen
Firma GVK Biosciences seien, dürften „so lange nicht mehr in Verkehr
gebracht werden, bis der Zulassungsinhaber neue Studien mit Nachweis der
Bioäquivalenz vorgelegt“.
Von einer „Gefahr für die Gesundheit der Patienten“ sei nach derzeitiger
Erkenntnis „aber nicht auszugehen“, sagte ein BfArM-Sprecher der taz. Die
rund 100 Pharmafirmen, die mit GVK Biosciences als Auftragsunternehmen
zusammen gearbeitet hatten, seien aufgerufen worden, den Behörden sämtliche
Studien vorzulegen. Unter den Herstellern sollen unter anderem die Firmen
Betapharm aus Augsburg und Hexal aus Holzkirchen sein. Das hatte zuvor der
Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung berichtet.
Um welche weiteren Hersteller und Arzneimittel es sich handelt, ließ das
BfArM am Freitag offen. Gefälscht worden seien aber ausschließlich Studien
für Nachahmer-Präparate, so genannte Generika. Für eine Genehmigung solcher
Mittel müssen die Hersteller wie beim Original durch so genannte
Bioäquivalenzstudien nachweisen, dass ihr Präparat genauso gut wirkt und
verträglich ist wie das Originalpräparat.
## Systematische Fälschung
Aufgeflogen waren die Fälschungen bereits während einer Überprüfung durch
die französische Überwachungsbehörde ANSM im Mai: Damals hatten die
französischen Prüfer das indische Unternehmen GVK Biosciences mit Sitz in
Hyderabad genauer unter die Lupe genommen.
GVK Biosciences ist eines der größten Unternehmen für Auftragsforschungen
in Asien („contract research organisation“), das im Auftrag von
Pharmafirmen weltweit Studien durchführt und Daten erhebt. Von neun
überprüften Studien aus dem Zeitraum „zwischen mindestens Juli 2008 und
2013“ war ein Teil der Ergebnisse offenbar „systematisch gefälscht“ word…
So heißt es in einem Brief der Leiterin der Abteilung für die Zulassung von
Arzneimitteln bei der EU-Kommission, Sabine Jülicher, an den Ausschuss für
Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA,
der der taz vorliegt.
Danach war in allen neun untersuchten Studien ein Teil der
Elektrokardiogramme – also die Ergebnisse von Herzuntersuchungen –
manipuliert worden. Einige der Untersuchungen waren demnach offenbar frei
erfunden. Wenigstens „zehn verschiedene Personen“ hätten die Fälschungen …
der Firma vorgenommen, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Zahl der
Mitwisser und der lange Zeitraum, in dem die Fälschungen stattgefunden
hätten, würden „kritische Defizite“ im Qualitätssystem von GVK Bioscienc…
aufzeigen, so Jülicher.
## Einfluss auf Wirksamkeit
In Frage stehe nun die Zulässigkeit sämtlicher dort vorgenommener
Bioäquivalenzstudien. Generika sind wirkstoffgleich mit den von ihnen
nachgeahmten Originalpräparaten, aber nicht notwendigerweise gleich in der
Art der Aufbereitung. Es kann zum Beispiel sein, dass die Tablette, die den
Wirkstoff beinhaltet, aus anderen Substanzen besteht als das Original oder
dass die Hülle anders ist.
Das kann zur Folge haben, dass der Wirkstoff beispielsweise früher oder
später als beim Originalmedikament ins Blut gelangt – was wiederum
Konsequenzen auf seine Wirksamkeit und Verträglichkeit haben kann. Die
Bioäquivalenzstudien nun sollen zeigen, dass das Generikum tatsächlich
identisch funktioniert wie das Original. Die Studien hierzu sind weitaus
weniger aufwändig als klinische Prüfungen für Originalpräparate, häufig
werden zur Prüfung der Generika nur 10 bis 20 Probanden eingeschlossen.
Zudem sind sie nur ein Teil am Ende einer Kette diverser Kontrollen, die
das Generikum durchlaufen muss – und ohne die es keine Zulassung erhalten
würde. Als Motivation für die Fälschungen vermutete ein Branchenkenner
gegenüber der taz „Kosten-, Geld- und Zeitersparnis“.
Der Geschäftsführer von Pro Generika, dem Interessenverband der Generika-
und Biosimilarunternehmen in Deutschland, Bork Bretthauer, warnte im
Gespräch mit der taz davor, aufgrund der Vorkommnisse in Indien
Nachahmerpräparate generell zu verteufeln: „Generika sind und bleiben das
Rückgrat unserer Arzneimittelversorgung. Daher muss jetzt lückenlos und
rasch aufgeklärt werden, wie es bei GVK Biosciences zu den groben Verstößen
gegen die strengen Qualitätsstandards kommen konnte und was jetzt getan
werden kann, damit sich so etwas nicht wiederholt.“
## Internationale Zusammenarbeit nötig
Ähnlich äußerte sich der Sprecher des Verbands forschender
Arzneimittelhersteller, Rolf Hömke, dessen Mitgliedsfirmen allerdings
ausschließlich Originalpräparate herstellen und insofern von dem
Fälschungsskandal nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse gar nicht
betroffen sind: „Es ist üblich, dass Hersteller, egal ob von
Originalpräparaten oder Generika, auch mit ausländischen Firmen zusammen
arbeiten, die darauf spezialisiert sind, klinische Studien zu
organisieren“, sagte Hömke der taz.
Und solange dabei die internationalen wissenschaftlichen, rechtlichen wie
medizinethischen Standards eingehalten würden, sei diese Form der
Kooperation problemlos. Die Option, auf Studien in Schwellenländern wie
Indien ganz zu verzichten, schloss Hömke aus: "Eine Sippenhaft nach
Länderzugehörigkeit ist nicht angebracht".
Ab einer bestimmten Größe sei es zwingend notwendig, Arzneimittelstudien
multinational durchzuführen, erklärte er: „Bei Herz-Kreislaufmedikamenten
etwa, die eine hohe Probandenzahl erfordern, findet man sonst gar nicht
genug Studienteilnehmer.“ Die Arzneimittelkommission der Deutschen
Apotheker forderte am Freitag, als Konsequenz aus den Studienfälschungen
„die Inspektionen vor Ort durch europäische und nationale Behörden zu
verstärken“.
5 Dec 2014
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Medikamente
Fälschung
Studie
Generika
Arzneimittelgesetz
Generika
Pille danach
Sterbehilfe
Gesundheitsdaten
Ebola
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hepatitis-Generika in Indien: 1 Dollar pro Tablette statt 1.000
Das Hepatitis-Medikament Sovaldi kostet in den USA 1.000 Dollar pro
Tablette. Ein indisches Generikum soll nun nur noch einen Bruchteil kosten.
Behörde empfiehlt Freigabe: EU will „Pille danach“ ohne Rezept
Die „Pille danach“ könnte es bald auch in Deutschland rezeptfrei geben. Die
europäische Arzneimittelbehörde hat die Freigabe des Medikaments Ellaone
empfohlen.
Streitgespräch zur Sterbehilfe: „Anfang und Ende sind unverfügbar“
Ärzte dürfen nicht zum Töten ermächtigt werden, sagt Gerhard Steier.
Bewusste Abschiede seien das Beste, was Sterbenden passieren könne,
entgegnet Gita Neumann.
Großforschungsprojekt Nationale Kohorte: Körpercheck für die Forschung
Die medizinischen Daten von rund 200.000 Menschen sollen in den nächsten
Jahren erhoben werden. Sie stehen dann der Forschung zu Verfügung.
Forschung zum Ebola-Virus: Im Tierversuchsstadium
Die medizinische Forschung zur Ebola-Bekämpfung verlief bisher schleppend.
Einzig das US-Militär suchte früh nach geeigneten Mitteln.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.