# taz.de -- Preiskrieg um Hepatitis-C-Medizin Sovaldi: Barmer und AOK scheren a… | |
> Die Verhandlungen für die 1.000-Dollar-Pille laufen. Doch mehrere Kassen | |
> haben nun mit dem Hersteller individuelle Rabattverträge geschlossen. | |
Bild: Kostspielig aber äußerst wirksam: Sovaldi. | |
BERLIN taz | Im Streit um den künftigen gesetzlichen Erstattungsbetrag für | |
das 1.000-Dollar-Medikament Sovaldi zur Behandlung von Hepatitis C haben | |
die Krankenkassen Barmer GEK sowie die AOK Niedersachsen und die AOK | |
Rheinland/ Hamburg nun auf eigene Faust Fakten geschaffen. | |
Ungeachtet der laufenden Preisverhandlungen zwischen dem | |
US-Pharmahersteller Gilead und dem Spitzenverband Bund der gesetzlichen | |
Krankenkassen als Repräsentant aller Kassen haben die beiden AOKen bereits | |
in diesem Winter individuelle Rabattverträge für Sovaldi mit Gilead | |
geschlossen. Das bestätigten die beiden AOKen, die Barmer GEK und der | |
Sprecher des AOK-Bundesverbands, Kai Behrens, am Dienstag der taz. Auch die | |
Techniker Krankenkasse (TK) befinde sich „in Verhandlungen mit Gilead um | |
einen Rabattvertrag“, erklärte ein TK-Sprecher. | |
Es sei „verständlich“, dass einzelne Kassen „mit Blick auf die | |
Beitragszahler und die Zuwächse bei den Arzneimittelausgaben“ | |
Einzelverträge mit dem Hersteller abschlössen, verteidigte Behrens die | |
Entscheidung. Es gehe keineswegs darum, die Position des | |
GKV-Spitzenverbands in den kollektiven Verhandlungen zu schwächen, sondern | |
darum, darauf hinzuweisen, „dass es politischen Handlungsbedarf gibt“. | |
Derzeit existiere nur unzureichende gesetzliche Handhabe gegen das | |
Preisdiktat der Hersteller. | |
Es gelte, die „immense Belastung“ für die Versichertengemeinschaft durch | |
die „Höchstpreispolitik von Gilead“ zu begrenzen, erklärte ein Sprecher d… | |
AOK Niedersachsen. Ein Sprecher der Barmer GEK ergänzte, die Verträge | |
gälten bundesweit. Über die genaue Ausgestaltung und Konditionen ihrer | |
Rabattverträge mochten die betroffenen AOKen und die Barmer GEK mit | |
Rücksicht auf das mit Gilead vereinbarte „Stillschweigen“ keine Angaben | |
machen. | |
Aus Koalitionskreisen hieß es, die Rabattverträge beinhalteten eine | |
monatliche Kündigungsfrist, damit die Kassen für den Fall, dass ein | |
günstigeres, gleich wirksames Medikament auf den Markt kommen sollte, die | |
Verträge schnell beenden könnten. | |
## Rückwirkende Preisanpassung | |
Der AOK-Bundesverband sowie mehrere Ersatzkassen fordern seit Monaten, dass | |
der Gesetzgeber nachbessert bei dem so genannten | |
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Danach dürfen die Pharmaunternehmen den | |
Preis für ein innovatives Medikament im ersten Jahr nach der Marktzulassung | |
allein festsetzen. Erst danach greift ein Erstattungsbetrag, den Hersteller | |
und Kassen aushandeln müssen, notfalls mit Hilfe einer Schiedsstelle. | |
Die AOK nun möchte, dass dieser ausgehandelte Preis nicht wie bislang erst | |
ab dem 13. Monat gilt, sondern rückwirkend bereits ab Tag eins der | |
Marktzulassung. „Es gilt, die Lücke zu schließen, die der Gesetzgeber für | |
das erste Jahr der freien Preispolitik noch nicht geschlossen hat“, | |
erklärte der Sprecher der AOK Niedersachsen. Der Sprecher des | |
GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, mochte die Einzelgänge der Kassen „nicht | |
kommentieren“. Nur so viel: Kollektive Erstattungsbetragsverhandlungen für | |
80 Millionen gesetzlich wie private Versichte seien „etwas anderes“ als | |
Individualverträge einzelner Kassen. Diese stünden den Kassen | |
„selbstverständlich frei“. | |
Das Medikament Sovaldi gilt als Durchbruch bei der Therapie der Hepatitis | |
C: Es kann die Viruserkrankung nicht nur schneller und mit höherer | |
Erfolgsaussicht heilen, sondern hat auch weitaus weniger Nebenwirkungen als | |
das Vorgängerpräparat Interferon. Die hohen Preise – derzeit verlangt | |
Gilead in den USA 1.000 Dollar pro Tablette und in Deutschland 700 Euro –, | |
haben jedoch zu einer Debatte um die Grenzen der Belastbarkeit der | |
öffentlichen Gesundheitssysteme geführt: Die Gesamtbehandlungskosten mit | |
Sovaldi liegen zwischen 60.000 und 120.000 Euro pro Patient. | |
Am Montag hatte der GKV-Spitzenverband mitgeteilt, dass die | |
Preisverhandlungen mit Gilead vorerst gescheitert seien und nun eine | |
Schiedsstelle angerufen worden sei. „Wir wollen den Gesprächsfaden aber in | |
der Hand behalten“, versicherte der Sprecher Florian Lanz. Es sei möglich, | |
dass sich der GKV-Spitzenverband mit Gilead doch noch einige – trotz | |
laufenden Schiedsstellenverfahrens. | |
20 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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