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# taz.de -- Teure Hepatitis C-Medizin Sovaldi: Einspruch gegen das Wirkstoffpat…
> Die NGO „Ärzte der Welt“ fordert vor dem Europäischen Patentamt den
> US-Konzern Gilead heraus. Die Kassen aber sagen, für Sovaldi sei genug
> Geld da.
Bild: Forschung für die 700-Euro-Tablette: Im Labor von Gilead in Foster City,…
BERLIN taz | Der Zorn über die Preispolitik des US-Pharmaherstellers Gilead
für sein neues Arzneimittel Sovaldi zur Behandlung von Hepatitis C hat nun
auch in Europa eine medizinische Nicht-Regierungsorganisation auf den Plan
gerufen. Das Netzwerk „Ärzte der Welt“ legte am Dienstag beim Europäischen
Patentamt in München Einspruch ein gegen das Patent für den
Sovaldi-Wirkstoff Sofosbuvir. Sollte die Anfechtung des Patents erfolgreich
sein, so die Hoffnung von „Ärzte der Welt“, dann verlöre Gilead sein
Monopol – und europäische Generikahersteller könnten wirkstoffgleiche
Präparate zu einem weitaus geringeren Preis herstellen und anbieten.
Der derzeitige Preis – in Deutschland etwa kostet eine Tablette Sovaldi 700
Euro, die Gesamtbehandlungkosten liegen zwischen 60.000 und 120.000 Euro –
hatte zuletzt eine Debatte um die Grenzen der Belastbarkeit der
Krankenversicherungssysteme ausgelöst. „Wir setzen uns für den universellen
Zugang zu medizinischer Versorgung ein“, begründete ein Sprecher von „Ärz…
der Welt“ den Vorstoß. Auch in wohlhabenden Ländern wie Deutschland,
Frankreich oder England gefährde der Preis von Sovaldi die Existenz der
solidarischen Gesundheitssysteme.
Inhaltlich begründet „Ärzte der Welt“ die Patentanfechtung in einem
21-seitigen Schriftsatz damit, dass Gilead die Erfindung der
Molekularstruktur des Wirkstoffs Sofosbuvir nicht allein für sich
reklamieren dürfe. Vielmehr sei diese Molekularstruktur auch das Ergebnis
der Arbeit zahlreicher staatlicher und privater Forschungseinrichtungen –
was den alleinigen Anspruch einer einzelnen Firma nicht rechtfertige.
## Entscheidung kann Jahre dauern
In Indien war eine Nicht-Regierungsorganisation mit einer ähnlichen
Argumentation im Januar überraschend erfolgreich gewesen – die indischen
Patentbehörden verweigerten Sofosbuvir daraufhin den Patentschutz.
Allerdings gilt das indische Patentrecht als weitaus laxer als das
europäische.
Von den europäischen Arzneimittelzulassungsbehörden war der Wirkstoff 2014
als Therapie-Durchbruch klassifiziert worden, weil es die Viruserkrankung
Hepatitis C in vielen Fällen schneller, nebenwirkungsärmer und
erfolgreicher heilt als das bisherige Medikament Interferon.
Der Sprecher des Europäischen Patentamts, Rainer Osterwalder, sagte der
taz, bis zu einer Entscheidung könnten „mehrere Jahre vergehen“. Das
Patentamt prüfe lediglich, „ob ein Patent in rechtlicher und technischer
Hinsicht“ erteilt werden könne. Ethische Überlegungen wie die nach der
Angemessenheit eines Preises dürften bei dieser Beurteilung keine Rolle
spielen. Insgesamt würden jährlich etwa fünf Prozent aller erteilten
Patente angefochten; in einem Drittel der Fälle werde das Patent
schlussendlich tatsächlich auch zurückgenommen. Patente neuer Arzneimittel
würden am häufigsten von konkurrierenden Pharmaherstellern angefochten.
Ärzte der Welt argumentierte, der Vorstoß ziele – ungeachtet der
Erfolgsaussichten – auch darauf ab, die Diskussion um die Preispolitik von
Medikamenten erneut anzuregen.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit
zwischen 130 und 150 Millionen Menschen chronische Träger des Hepatitis
C-Virus. In der Europäischen Union sind zwischen 7,3 und 8,8 Millionen
Menschen infiziert.
## Es gibt eine Verordnungsscheu
Sollten alle diese Menschen mit Sovaldi oder einem der wenigen anderen
innovativen, ähnlich teuren Hepatitis-C-Präparate behandelt werden wollen,
drohen Krankenversicherungen schon jetzt mit dem finanziellen Kollaps. In
Deutschland gilt nach dem Gesetz: Jeder Versicherte muss das Medikament zu
Lasten der Kasse bekommen, wenn seine Krankheit zu denen zählt, für die das
Medikament zugelassen ist, und wenn ein Arzt es ihm verordnet.
Die Erfahrung zahlreicher Patienten dagegen ist eine andere: Aus Angst vor
Überschreitung ihres Arzneimittelbudgets und damit verbundenen
Regressforderungen durch die Krankenkassen, verschrieben viele Ärzte das
Medikament einfach nicht, beklagen die Patienten. Mehrere niedergelassene
Ärzte haben ihre Verordnungsscheu gegenüber der taz bestätigt.
Die Krankenkassen indes beteuern, sie hätten sich mit der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung als Vertreterin der niedergelassenen Ärzte in Deutschland
bereits im vergangenen Herbst darauf verständigt, den finanziellen Rahmen
für die Verordnung von Sovaldi auf 750 Millionen Euro rückwirkend für 2014
und für 2015 auf eine Milliarde Euro „großzügig“ zu bemessen. Ferner sei
Sovaldi aus den so genannten „Richtliniengrößenvolumina“, einem Instrument
zur Wirtschaftlichkeitsprüfung, herausgenommen worden.
Schwerstkranke Patienten, deren Arzt sich dennoch weigere, Sovaldi zu
verordnen, sollen sich nach Kassen-Logik dann eben nach einem anderen Arzt
umsehen. „Wir haben in Deutschland doch freie Arztwahl“, schrieb eine
Vertreterin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen unlängst der
taz als Reaktion auf einen taz-Bericht über einen Patienten, dem Sovaldi
über Monate verweigert worden war – bis er zu sterben drohte.
10 Feb 2015
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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