| # taz.de -- Preis der Hepatitis-C-Medizin Sovaldi: Das Ende eines langen Streits | |
| > Der Hersteller der neuen Hepatitis-C-Medizin und die Kassen haben sich | |
| > nun doch geeinigt. Das Medikament soll mehr als 200 Euro billiger werden. | |
| Bild: Patentierter Wirkstoff: In Deutschland können Generikahersteller Sofosbu… | |
| BERLIN taz | Im Streit um den [1][Preis für das Medikament Sovaldi] zur | |
| Behandlung von Hepatitis C haben sich die deutschen Krankenkassen und der | |
| US-Pharmakonzern Gilead überraschend doch geeinigt. Künftig müssen die | |
| Krankenkassen für eine Tablette Sovaldi noch 488 Euro bezahlen. Bislang | |
| hatte der Preis pro Tablette bei 700 Euro gelegen. | |
| Der Kassen-Spitzenverband teilte am Donnerstag mit, der gesetzliche | |
| Erstattungsbetrag für eine zwölfwöchige Therapie liege nunmehr bei | |
| 43.562,52 Euro netto – gegenüber 60.000 Euro, die Gilead bislang verlangt | |
| hatte. | |
| Tatsächlich aber bezahlen die Kassen für die Zwölf-Wochen-Therapie nur rund | |
| 41.000 Euro, denn von dem gesetzlichen Erstattungspreis wiederum wird noch | |
| ein gesetzlich fixierter Herstellerabschlag (5,88 Prozent netto) abgezogen. | |
| Der Erstattungsbetrag gelte rückwirkend ab dem 23. Januar und werde | |
| überdies dank einer ausgehandelten Preisstaffelung in den kommenden zwei | |
| Jahren erneut abgesenkt. Die Vertragslaufzeit betrage drei Jahre. | |
| Um den Kompromiss war seit sieben Monaten zäh gerungen worden. Die | |
| Schiedsstelle, die nach den zunächst für gescheitert erklärten | |
| Verhandlungen im Januar einberufen worden war, werde aufgelöst. | |
| ## Sonderabsprachen einiger Kassen | |
| Sovaldi war in Deutschland Anfang 2014 auf den Markt gekommen und gilt als | |
| medizinischer Durchbruch in der Therapie der Viruserkrankung Hepatitis C. | |
| Der Wirkstoff Sofosbuvir kann die Erkrankung nicht nur schneller, sondern | |
| auch nebenwirkungsärmer mit höherer Erfolgsrate heilen als das bisherige | |
| Präparat Interferon. Die außergewöhnlich hohen Gesamttherapiekosten – sie | |
| lagen bisher zwischen 60.000 und 120.000 Euro pro Patient – hatten jedoch | |
| zu einer Debatte um die Grenzen der Belastbarkeit der Gesundheitssysteme | |
| geführt. | |
| Einige Krankenkassen, darunter die AOK und die Barmer GEK, hatten deshalb | |
| bereits während der laufenden Verhandlungen zwischen dem Spitzenverband der | |
| gesetzlichen Kassen und dem Hersteller einen Tabubruch begangen und im | |
| Alleingang [2][individuelle Rabattverträge mit dem Pharmakonzern] | |
| geschlossen. Ob der nun ausgehandelte gesetzliche Erstattungsbetrag unter | |
| oder über dem der Rabattverträge liegt, konnte eine Sprecherin des | |
| GKV-Verbands nicht sagen. Nur so viel: „Der Betrag ist mit einer Ersparnis | |
| verbunden.“ | |
| Aus Entrüstung über die Preispolitik von Gilead hatte Anfang dieser Woche | |
| die Nichtregierungsorganisation „Ärzte der Welt“ beim europäischen | |
| Patentamt in München das [3][Wirkstoffpatent für Sofosbuvir angefochten]. | |
| An der Entwicklung der Molekularstruktur von Sofosbuvir hätten auch andere | |
| private wie staatliche Akteure mitgewirkt; Gilead könne sie nicht allein | |
| für sich in Anspruch nehmen, argumentierten „Ärzte der Welt“. | |
| ## Orientierung am Reichtum der Länder | |
| Das Medikament müsse möglichst vielen Hepatitis-C-Infizierten zugänglich | |
| sein. Dazu könne ein Patent-Entzug beitragen. Denn dann könnten auch | |
| Generikahersteller wirkstoffgleiche Präparate zu einem weitaus günstigeren | |
| Preis herstellen und anbieten. Das europäische Patentamt hat indes bereits | |
| darauf hingewiesen, dass Patente nicht aus ethischen Überlegungen entzogen | |
| werden können. | |
| Gilead hatte unterdessen immer wieder darauf hingewiesen, dass der Preis | |
| auch die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung abbilden müsse und sich | |
| zudem nach dem Reichtum eines Landes richten solle. In vielen Ländern | |
| Afrikas und Südostasiens etwa stellt Gilead seine hochpreisigen | |
| Arzneimittel viel billiger zur Verfügung. In Indien wiederum hat Gilead | |
| [4][Verträge mit einzelnen Generikaherstellern] geschlossen, die die | |
| eigentlich patentgeschützten Präparate nachbauen und – ausschließlich in | |
| Indien – günstiger verkaufen. | |
| Den indischen Patentbehörden war dies offenbar nicht genug: Sie | |
| verweigerten Mitte Januar dem Wirkstoff Sofosbuvir in Indien den | |
| Patentschutz. Damit dürfen in Indien noch mehr Generikahersteller | |
| Nachahmermedikamente herstellen. In Europa, wo das Patentrecht um Längen | |
| strikter ist, gilt eine solche Entwicklung als ausgeschlossen. | |
| ## Nachahmerschutz von 20 Jahren | |
| Der Verband forschender Arzneimittelhersteller bekräftigte unterdessen am | |
| Donnerstag die Notwendigkeit und den Nutzen von Patenten. Richtig sei, dass | |
| Patente die wirtschaftliche Nutzung von Erfindungen für eine gesetzlich | |
| festgelegte Zeit vor Nachahmung schützten – zu Gunsten der Firma, die die | |
| Erforschung und Entwicklung finanziert und durchgeführt hat. | |
| Diese Zeit beträgt weltweit einheitlich 20 Jahre. Daneben aber garantierten | |
| die Patente, dass die Erfindungen allgemein zugänglich gemacht würden, denn | |
| die Patentschriften, in denen sie beschrieben sind, würden veröffentlicht. | |
| Dass etwas patentiert ist, bedeute ferner nicht automatisch, dass nur der | |
| Patentinhaber selbst damit arbeiten könne. Denn mit dessen Zustimmung | |
| könnten auch andere Hersteller das Patent nutzen – etwa unter Zahlung von | |
| Lizenzgebühren. | |
| Auch gewährten Patente keine absolute Monopolstellung, stellte der Verband | |
| klar. Die Produkte des Patentinhabers müssten sich trotz des zeitlich | |
| befristeten Schutzes vor Nachahmung mit anderen Wettbewerbern messen | |
| lassen. Für den Arzneimittelbereich bedeute dies, dass patentgeschützte | |
| Arzneimittel mit bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln sowie | |
| anderen innovativen Therapien konkurrierten. | |
| 12 Feb 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
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