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# taz.de -- Eine Pille zur HIV-Prävention: Blaue reduzieren Infektionsrisiko
> Die Anti-Aids-Pille Truvada hat gute Chancen auf eine Zulassung zur
> Prävention noch im Jahr 2016. Ein Problem ist der extrem hohe Preis.
Bild: Das Zulassungsverfahren für Truvada als Präventionsmittel läuft
Berlin taz | In den USA ist sie bereits seit 2012 erhältlich, in Frankreich
können Männer mit hohem HIV-Risiko sie seit Anfang des Jahres erwerben: die
Anti-Aids-Pille Truvada. Noch im Jahr 2016 könnte das Medikament, das
HIV-Infektionen präventiv verhindern kann, nun auch in Deutschland
erhältlich sein. Einen entsprechenden Antrag reichte die Herstellerfirma
Gilead Sciences Anfang der Woche bei der Europäischen Arzneimittelagentur
(EMA) ein. Die Deutsche Aids-Hilfe rechnet demzufolge mit einer Zulassung
noch in diesem Jahr. Diese hätte Gültigkeit für alle 28 EU-Staaten.
Bislang ist Truvada Teil der Therapie von HIV-Infizierten. Dass es auch für
Gesunde dazu taugt, sich gar nicht erst mit dem Virus anzustecken, bewiesen
jüngst mehrere Studien in der höchsten Risikogruppe der sogenannten
„Männer, die Sex mit Männern haben“ (MSM).
Bei dieser Pre-Expositions-Prophylaxe oder kurz „PrEP“ genannten
Präventionsbehandlung wirkt die tägliche Einnahme einer Pille durch den
Nichtinfizierten dem Risiko einer HIV-Infektion entgegen. Die
durchschnittliche Gefahr einer Ansteckung von 0,1 bis 1 Prozent bei etwa
ungeschütztem Analverkehr senkt sich damit noch einmal um 86 Prozent. PrEP
ist damit bei richtiger Anwendung in etwa so sicher wie Kondome, schätzt
die Deutsche Aids-Hilfe.
2015 belegten zwei staatlich finanzierte Studien aus [1][England] und
[2][Frankreich] die Präventivwirkung des Medikaments. Demnach verhindert es
die HIV-Vermehrung in den Schleimhäuten und Körperzellen. Selbst wenn es zu
Kontakt mit Schleimhäuten oder Wunden gekommen ist, können sich die Erreger
nicht im Körper einnisten.
Internationale Medien feierten bereits euphorisch einen Durchbruch im Kampf
gegen die HIV-Epidemie. Selbst der Guardian nannte Truvada in einem
[3][Kommentar] „game-changer“. Andrew Cuomo, Gouverneur von New York,
[4][versprach 2012] großspurig, die HIV-Epidemie im Bundesstaat bis 2020
weitgehend einzudämmen. Für Großbritannien errechnete kürzlich eine
[5][Studie] bei einer zeitnahen Einführung und richtiger Anwendung des
Medikaments 10.000 Neuinfektionen weniger bis zum Jahr 2020.
„Das sind Fantasiezahlen, sie sind nicht realistisch“, kritisiert Armin
Schafberger. Er ist Arzt und Medizinreferent der Deutschen Aids-Hilfe. Bei
der Einführung des Medikaments zur Prävention würden voraussichtlich längst
nicht alle besonders gefährdeten Gruppen das Mittel auch richtig oder
überhaupt anwenden. „Einerseits ist es bei täglichem Gebrauch mit über 800
Euro im Monat sehr teuer, andererseits zeige sich in der Praxis oftmals,
dass Medikamente durch mangelnde Aufklärung und falsche Anwendung
wirkungslos bleiben“, sagte Schafberger der taz.
Ob die Krankenkassen die Kosten übernehmen, sei überdies fraglich,
Medikamente zur Vorbeugung seien normalerweise keine reguläre
Kassenleistung. „Die Kassen könnten die Kosten aber freiwillig übernehmen,
ähnlich wie bei bestimmten Impfungen vor Reisen“, sagte Schafberger.
Immerhin: Die jüngsten Studien überzeugten auch den Arzt von der
Präventivwirkung Truvadas: „Es ist wirksam bei schwulen Männern mit einem
hohen Risiko. Es kann viele HIV-Infektionen verhindern und muss darum auch
zum Einsatz kommen.“ Neben regelmäßigen HIV-Tests und einer unverzüglichen
Behandlung Infizierter könne die Pille ein wichtiger Baustein der
HIV-Prävention werden, so der Mediziner.
## Tägliche Einnahme
„Ohnehin ist es teilweise schon im Umlauf“, sagt Schafberger. Demnach
bestellten einige Männer das Medikament bereits im Internet, andere bekämen
Truvada von ihrem Arzt „offlabel“ verschrieben. Die amerikanische Aids
Healthcare Foundation (AHF) legte jüngst eine [6][Beschwerde gegen die
Herstellerfirma] ein, da diese in den USA für die gelegentliche präventive
Einnahme Werbung mache. In Europa sei ohnehin nur ein Antrag für den
täglichen Präventivgebrauch von Truvada vorgesehen, wie der Pharmakonzern
der taz sagte.
Nach der besagten Studie aus Frankreich könnte solch ein anlassbezogener
Gebrauch, etwa vor einem „wilden Wochenende“, sogar funktionieren, sagt
Schafberger. „Allerdings“, schränkt er ein, „gab es bei den Probanden der
Studie derart viele Anlässe, dass man kaum noch von einem gelegentlichen
Gebrauch der Prophylaxe sprechen kann.“ Daher bedürfe es weitergehender
Forschung zur Präventivwirkung bei gelegentlicher Einnahme des Medikaments.
Gefährlich ist jedoch die Einnahme von Truvada bei bereits erfolgter
Infektion: „Dabei können sich Resistenzen gegen den Wirkstoff Tenofovir
entwickeln, sodass eine spätere Therapie mit dem Medikament wirkungslos
bleiben könnte“, sagt Schafberger. Die Pharmafirma beschreibt dieselben
häufig auftretenden Nebenwirkungen wie beim Einsatz als Therapeutikum:
„Kopfschmerzen, Übelkeit und Gewichtsverlust.“
## Zentrales HIV-Register
Eine [7][aktuelle Studie aus den Niederlanden] spricht hingegen wieder eine
deutlich euphorische Sprache. Die Big-Data-Analyse verglich die Daten von
617 Neuinfizierten zwischen 1996 und 2010. Aufgrund von Erbgutanalysen des
Virus wiesen die Forscher dabei nach, dass vor allem diejenigen Infizierten
den Erreger verbreiteten, die noch nicht von ihrer Krankheit wussten. In
den Niederlanden sind die Daten fast aller HIV-Infizierten zentral
registriert und anonymisiert für Forschungszwecke gespeichert.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Kombination aus Prävention und
Therapie der Schlüssel zum Erfolg in der Aids-Prävention sind. Wichtig
seien für MSM neben der Einführung von prophylaktischen Anti-HIV-Pillen
regelmäßige Tests und bei einem positiven Befund der sofortige
Therapiebeginn, so der Epidemiologe Oliver Ratmann zur taz. Er ist einer
der Autoren der Studie. „Wir schätzen, dass sich die Zahl der
Neuinfektionen der MSM um mehr als die Hälfte reduzieren lässt, wenn man
diese drei Maßnahmen bündelt“, meint er.
Hoffnung, dass der Präventivgebrauch des Medikaments in der Praxis
tatsächlich derart erfolgreich sein könnte, schöpft Ratmann [8][aus den
USA]: „In San Francisco ist die Zahl der Neuinfizierten seit der Einführung
von Prep bei gleichzeitiger Ausweitung von Präventionsangeboten um 30
Prozent zurückgegangen.“
5 Feb 2016
## LINKS
[1] http://www.theguardian.com/society/2015/feb/24/daily-pill-truvada-cuts-spre…
[2] http://www.aidsmap.com/Pre-exposure-prophylaxis-also-stops-86-of-HIV-infect…
[3] http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/feb/26/hiv-treatment-game-cha…
[4] http://www.nytimes.com/2014/07/04/upshot/pill-to-prevent-hiv-gets-a-promine…
[5] http://www.telegraph.co.uk/news/health/news/12098835/Daily-HIV-pill-for-men…
[6] http://www.businesswire.com/news/home/20160119006859/en/AHF-Files-FDA-Compl…
[7] http://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371%2Fjournal.pmed.100…
[8] http://www.sfexaminer.com/sf-records-all-time-low-in-hiv-infections-deaths/
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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