# taz.de -- Teure Aids-Prophylaxe: Ein blaues Wunder | |
> Das in den USA neu zugelassene Aidspräventionsmedikament Truvada wird in | |
> Afrika bereits eingesetzt – und stößt auf Skepsis. Der Hauptgrund: Es ist | |
> zu teuer. | |
Bild: Knapp zwei US-Dollar täglich soll die Aids-Prophylaxe mit der blauen Pil… | |
NAIROBI taz | Es wird als neues Wundermittel im Kampf gegen Aids gepriesen: | |
Truvada, eine blaue Pille, die den Ausbruch der Immunschwächekrankheit in | |
Trägern des HI-Virus verhindern und sogar die Ausbreitung der HIV-Infektion | |
selbst bremsen soll. Diese Woche, pünktlich zur Weltaidskonferenz in | |
Washington, wurde das Medikament in den USA zugelassen. | |
Die Erfolgsmeldungen zu Truvada beruhen auf Studien, die unter Leitung des | |
Forschungszentrums für internationale klinische Studien der Universität | |
Washington in mehreren afrikanischen Ländern durchgeführt worden sind. | |
In Kenia und Uganda zeigte sich, dass die vorbeugende Einnahme von Truvada | |
das Risiko der Ansteckung deutlich vermindert, und zwar um 75 Prozent. In | |
Botswana, dem Land mit der höchsten HIV-Infektionsrate der Welt, sank die | |
Infektionsgefahr um 63 Prozent. | |
Die Ergebnisse können als gesichert gelten. Knapp 4.800 heterosexuelle | |
Paare, von denen jeweils ein Partner HIV-positiv war, beteiligten sich an | |
den Studien in Kenia und Uganda. Die „negativen“ Teilnehmer wurden nach dem | |
Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt, von denen eine Truvada bekam, | |
eine andere nur einen Teil der Wirkstoffkombination, nämlich Tenofovir, die | |
dritte Placebos. | |
Weder die Teilnehmer noch die Mitarbeiter der Studie wussten, wer in | |
welcher Gruppe ist. Damit sind, wissenschaftlichen Kriterien zufolge, alle | |
Möglichkeiten zur Beeinflussung der Ergebnisse ausgeschlossen. | |
Allerdings gab es einen Ausreißer, nämlich eine Studie unter kenianischen | |
Frauen. Diese Untersuchung wurde sogar vorzeitig abgebrochen, weil sie | |
offensichtlich erfolglos war: Truvada schützte die Frauen nicht besser als | |
ein Placebo. | |
„Ich erklärte mir das so, dass die Frauen das Medikament nicht regelmäßig | |
genommen haben“, kommentiert Jared Baeten von der Universität Washington. | |
„Jedenfalls nicht regelmäßig genug, um eine Ansteckung zu verhindern.“ | |
## Ein gutes Medikament | |
Problematisch daran ist, dass sich Resistenzen entwickeln, wenn ein | |
Medikament nicht regelmäßig eingenommen wird. Für Truvada würde das | |
bedeuten, dass es dann auch für die Behandlung ausfiele. | |
Kenianische Fachleute sehen die Ergebnisse insgesamt trotzdem durchaus | |
positiv – nur nicht für Kenia. „Truvada ist ohne Frage ein gutes | |
Medikament“, sagt der Pharmazeut Kipkerich Koskei, „aber für die Kenianer | |
ist es zu teuer.“ | |
Koskei ist leitender Pharmazeut im Gesundheitsministerium. Dort erstellt er | |
die Listen der Medikamente, deren Verbreitung die kenianische Regierung | |
empfiehlt. Truvada, das in Kenia bereits eingesetzt wird, wird er wohl | |
nicht auf diese Liste setzen. | |
„Ich glaube, es gibt hier bessere Methoden der Vorbeugung“, sagt er. „Zum | |
Beispiel Kondome.“ | |
## Täglich zwei Dollar | |
Denn eine Truvada-Pille, die täglich genommen werden muss, kostet in Kenia | |
knappe zwei Dollar. „Wenn Sie bedenken, wie viele Menschen bei uns von | |
einem Dollar täglich leben müssen, dann ist Truvada zur Prophylaxe bei uns | |
einfach nicht praktikabel.“ | |
Statt knapp zwei Dollar am Tag für eine Tablette auszugeben, „kaufen die | |
Leute lieber etwas zu essen“. Kondome sind viel billiger: Für einen Dollar | |
gibt es acht Dreierpacks. | |
Auch in Südafrika sind Zweifel an Truvada geäußert worden: Gerade weil es | |
bei regelmäßiger Einnahme wirksam sei, könnte es ein falsches Gefühl von | |
Sicherheit erzeugen und dazu führen, dass die Menschen andere | |
Präventionsmaßnahmen beispielsweise beim Geschlechtsverkehr | |
vernachlässigen, sagen Aidsaktivisten. | |
## Langzeitwirkung unbekannt | |
Zudem sind die Langzeitwirkungen des Medikaments noch unerforscht. | |
Südafrikanische Ärzte haben bei Truvada-Patienten Nierenschwäche und | |
Osteoporose festgestellt. | |
Dass die kenianische Regierung den Einsatz von Truvada subventionieren | |
könnte, hält Koskei im Gesundheitsministerium in Nairobi für völlig | |
ausgeschlossen. | |
Zurzeit würden rund 90 Prozent der Programme zur Behandlung von HIV-/Aids | |
vom Ausland finanziert, Zusatzausgaben für eine auch im internationalen | |
Maßstab teure Prophylaxe seien da undenkbar. | |
Asunta Wagura hat ähnliche Bedenken. „Viel zu teuer“, sagt die | |
Mitarbeiterin der Frauenorganisation Kenwa, die Tausenden HIV-positiven | |
Frauen und Kindern in Kenia hilft. „Viele Frauen haben nicht einmal Geld, | |
um ins Krankenhaus zu fahren.“ | |
25 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Bettina Rühl | |
## TAGS | |
Schwerpunkt HIV und Aids | |
Schwerpunkt HIV und Aids | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Eine Pille zur HIV-Prävention: Blaue reduzieren Infektionsrisiko | |
Die Anti-Aids-Pille Truvada hat gute Chancen auf eine Zulassung zur | |
Prävention noch im Jahr 2016. Ein Problem ist der extrem hohe Preis. | |
Welt-Aids-Tag: Kampf gegen HIV kostet Geld | |
Immer mehr Jugendliche in ärmeren Ländern sterben an Aids. | |
Hilfsorganisationen fordern von Deutschland mehr Geld, um diese Entwicklung | |
zu stoppen. | |
HIV-positive Frauen sterilisiert: Gegen ihren Willen | |
Unter der Drohung sonst keine Medikamente zu erhalten, sollen in Kenia | |
Dutzende HIV-positiver Frauen unfruchtbar gemacht worden sein. | |
Zwangssterilisation in Namibia: Gericht gibt Frauen Recht | |
In einem staatlichen Krankenhaus in Namibia wurden HIV-infizierte Frauen | |
zwangssterilisiert. Einige der Betroffenen klagten, das Gericht urteilte | |
auf „grobe Fahrlässigkeit“. | |
Marketingseminare für Mediziner: Lukrativ für den Arzt, teuer für Patienten | |
Die Regierung subventioniert Verkaufstrainings für Ärzte, bei denen teure | |
Gesundheitschecks an den Patienten gebracht werden sollen. Diese | |
Förderpraxis wird nun überprüft. | |
Kommentar Welt-Aids-Konferenz: Lasst uns über Sex reden! | |
Viele Regime, gerade in Afrika, verbreiten weiter die Mär, Aids sei eine | |
Dekadenzerscheinung des Westens. Da nützen die besten Medikamente nichts. | |
Welt-Aids-Konferenz: Die soziale Krankheit | |
Die Welt-Aids-Konferenz in den USA zeigt eine einfache Wahrheit: Das | |
HI-Virus ist einzudämmen. Doch Geld und Aufklärung fehlen überall. | |
HIV-positive Kinder: „Ohne Behandlung sterben 80 Prozent“ | |
Zu wenige HIV-positive Kinder werden in armen Ländern behandelt, sagt die | |
Ärztin Chewe Luo. Denn bei Babys ist ein spezieller Test notwendig. | |
Medizinische Versorgung in Simbabwe: Der Kranke kommt im Eselskarren | |
Im Missionshospital Musiso versorgt ein Arzt 200 Patienten am Tag. Die | |
Ausbreitung von Aids, Geldmangel und die Abwanderung von Pflegepersonal | |
sind die größten Herausforderungen. | |
Aids in Washington: „Kondome haben keine Tradition" | |
Besonders unter Afroamerikanern gibt es viele Aids-Infizierte. Weil sie arm | |
sind, nicht Bescheid wissen und manchmal nicht Bescheid wissen wollen. Das | |
soll sich ändern. | |
Internationale Aids-Konferenz: Nicht nur behandeln, sondern heilen? | |
Am Sonntag beginnt in Washington die 19. Internationale Aids-Konferenz mit | |
25.000 TeilnehmerInnen. Und mit viel Optimismus. | |
Umstrittenes Medikament in USA zugelassen: Tabletten zur Aids-Prävention | |
In den Vereinigten Staaten ist erstmalig ein Medikament zur Vermeidung von | |
HIV-Infektionen zugelassen worden. Das Präparat ist unter anderem wegen | |
hoher Therapie-Kosten umstritten. | |
Neues Verfahren in der AIDS-Prävention: Spucketest für HIV-Infektion | |
Die US-Arzneimittelbehörde gibt ein einfach benutzbares und frei | |
verkäufliches Analysegerät zur Erkennung von HI-Viren frei. Das zieht eine | |
teilweise irrationale Diskussion nach sich. | |
Medikamentöse HIV-Prävention: Die „Pille davor“ | |
Um sich bei riskantem Sex vor dem Virus zu schützen, werden HIV-Medikamente | |
vorsorglich eingenommen. Für den Massen-einsatz sind die Präperate viel zu | |
teuer. |