# taz.de -- Soziales Gesundheitsprogramm: Indien verärgert Pharmakonzerne | |
> Es ist ein schwerer Rüchschlag für westliche Pharmakonzerne. Indien sieht | |
> die kostenlose Abgabe nachgeahmter Medikamente, sogenannter Generika, | |
> vor. | |
Bild: Eine Apotheke in der indischen Stadt Varanasi. | |
BERLIN taz | Künftig können Inder und Inderinnen alle Medikamente kostenlos | |
bekommen – aber nur, wenn es sich um Nachahmerprodukte handelt, sogenannte | |
Generika. Die indische Regierung hat dafür ein umgerechnet 4,3 Milliarden | |
Euro schweres Programm aufgelegt. Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen | |
müssen sogar mit Strafen rechnen, wenn sie stattdessen Markenprodukte | |
verschreiben. | |
Was das Leben von 1,2 Milliarden Menschen dramatisch verbessern dürfte, | |
bringt die westlichen Pharmakonzerne auf die Palme. Für die Hersteller von | |
teuren Markenpräparaten – etwa Sanofi-Aventis aus Frankreich, Novartis aus | |
der Schweiz, Pfizer aus den USA und GlaxoSmithKline aus Großbritannien – | |
ist das ein schwerer Rückschlag auf einem der größten Märkte der Welt, auf | |
dem sie sich enorme Wachstumschancen ausgerechnet hatten. | |
Indien verbilligt mit diesem Schritt nicht nur die heimische | |
Gesundheitsversorgung. Das Land macht den westlichen Unternehmen auch | |
zunehmend selbst Konkurrenz. Die indische Generikaindustrie mit jährlichen | |
Umsätzen von rund 20 Milliarden Euro beliefert nicht nur den heimischen | |
Markt, sondern auch den in vielen Entwicklungsländern, die sich die teuren | |
Markenprodukte aus den Industrieländern nicht leisten können. Viele | |
Gesundheitsprogramme dort, etwa zur Aidsbehandlung, lassen sich nur dank | |
der billigen Medikamente aus Indien finanzieren. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass die westlichen Pharmakonzerne in Indien | |
Probleme bekommen. Im März hatte die indische Regierung ein Patent des | |
deutschen Bayer-Konzerns für ein Mittel zur Krebsbehandlung aufgehoben. Sie | |
erteilte stattdessen einem indischen Generikahersteller die Lizenz zu | |
dessen Herstellung. Die Behandlung kostet damit nur 130 Euro im Monat statt | |
4.000 Euro mit den Originalpillen. Die westlichen Pharmakonzerne | |
verteidigen die hohen Preise mit Verweis auf die hohen Kosten für die | |
Erforschung neuer Arzneien. | |
## Import von Generika seit 2005 legal | |
Die Erteilung solcher Zwangslizenzen zur Abwehr von Gesundheitsgefahren hat | |
die Welthandelsorganisation (WTO) 2001 trotz heftigen Widerstandes der | |
Pharmaindustrie zugelassen. 2005 hat die WTO ihr Patentabkommen geändert. | |
Entwicklungsländern ist seither der Import von Generika erlaubt, selbst | |
wenn dadurch Patente großer Konzerne umgangen werden. | |
Einen weiteren Rückschlag für ihre Ambitionen in Schwellenländern erlitten | |
die Pharmakonzerne, als vergangenen Monat China seine Patentgesetze | |
änderte. Auch hier dürfen nun heimische Firmen unter bestimmten Umständen | |
patentierte Medikamente nachmachen. | |
6 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Nicola Liebert | |
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