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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Indien: Sonia Gandhis letztes Aufgebot
> Der altgediente Finanzminister Pranab Mukherjee soll von den
> Parlamentariern zum neuen Präsidenten gewählt werden. Der fällige
> Generationswechsel bleibt aus.
Bild: Premierminister Manmohan Singh, Pranab Mukherjee (M.) und Sonia Gandhi.
DELHI taz | Indiens neuer Präsident ist ein Oldtimer. Pranab Mukherjee
trägt nie westliche Kleidung, sondern weiße Kurtas oder schwarze
Mao-Anzüge. „Für unsere Generation waren Gandhi und Nehru die Vorbilder.
Wir verehrten sie“, sagt Mukherjee. Genauso will er heute verehrt werden.
Er ist 76, hat etliche Ministerposten innegehabt, stand Anfang der 80er
Jahre Indira Gandhi als Finanzminister zur Seite und macht seit 2009 den
gleichen Job für Sonia Gandhi.
Im Westen verehrt man ihn deshalb als Politiker in der Tradition Nehrus.
Das macht schon sein traditioneller Auftritt, auch wenn Mukherjee nie
Moralist wie Nehru, sondern immer nur Macher war. „Mann für alle
Jahreszeiten“ nennt ihn das Magazin India Today und widmet dem neuen
Präsidenten eine Sonderausgabe.
Mukherjee ist wirklich ein Phänomen: Minister seit den 70er Jahren. Damit
ist Mukherjee aber auch Teil des Problems der regierenden Kongresspartei in
Indien. Mit Müh und Not kämpfte Parteichefin Sonia Gandhi die Nominierung
ihres engsten Vertrauten im Kabinett zum neuen Präsidenten durch. Niemand
wollte ihr gehorchen, die Koalitionspartner sprangen ab, nachdem ihr Sohn
Rahul Gandhi im März die wichtigen Provinzwahlen im größten Bundesstaat
Uttar-Pradesh verloren hatte. Es herrschte Auflösungsstimmung in Gandhis
Regierungskoalition.
Doch sie gab nicht auf und sicherte Mukherjees Wahl zum Präsidenten. Gandhi
brauchte die Mehrheit der Stimmen aller nationalen und regionalen
Parlamentarier. Gemeinsam wählen sie am Donnerstag in ihren Parlamenten den
neuen Präsidenten. Der hat in Indien genauso wenig Macht wie der
Bundespräsident in Deutschland.
## Ghandis Macht scheint verbraucht
Trotzdem aber musste Gandhi ihren wichtigsten Minister für das Amt opfern.
Vor fünf Jahren reichte noch die ehemalige Haushälterin Indira Gandhis, die
spätere Politikerin Prathiba Patil für den Präsidentenjob. Damals folgten
Gandhi alle. Sie stand 2007 im Zenit ihrer Macht. Doch heute glaubt kaum
jemand mehr an einen Sieg der Kongresspartei bei den Wahlen 2014. Der seit
2005 amtierende Premier Manmohan Singh ist noch älter als Mukherjee und
gilt als verbraucht und amtsmüde. Aber Ersatz ist nicht in Sicht.
Jetzt rächt sich, dass Sonia Gandhi bis heute die einzige Brücke zwischen
Altpolitikern wie Mukherjee und dem jungen Politmanager-Team um ihren Sohn
Rahul zu sein scheint. Beiden Generationen fehlt heute der Draht zum
Wahlvolk. Die Alten können nicht mehr vom Mythos der Republikväter zehren.
Und die Jungen haben es auf Basis ihrer westlichen Eliteerziehung nicht
verstanden, politische Ideen für die 800 Millionen in Armut lebenden Inder
zu entwickeln.
Was bisher überlebt, ist der relativ gute Ruf der Familie Gandhi. Gegen sie
hat es nur marginale Korruptionsvorwürfe gegeben. Sonia Gandhi hat nun das
Finanzministeramt vorerst in die Hände des Premiers gelegt. Denn es gibt
kaum neues Spitzenpersonal in der Partei.
Immerhin aber sind im Laufe der Wahlvorbereitungen alle alten
Koalitionspartner wieder an Bord gekommen, darunter die unberechenbaren
Ministerpräsidenten von Uttar Pradesh und West-Bengalen. Denn wo immer die
Kongresspartei an Macht verliert, geht sie nicht an die
hindunationalistische Opposition im Parlament in Delhi, sondern an neue
Regionalparteien mit begrenzten lokalen Zielen.
Das ist Gandhis Trost. Deren Chefs lieben es zwar, auf der nationalen Bühne
den Gandhis die Show zu stehlen. Aber regieren wollen sie das Land nicht.
Dafür gab es bisher Leute wie Mukherjee. Wer Indien nach ihnen regiert, ist
völlig offen.
19 Jul 2012
## AUTOREN
Georg Blume
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