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# taz.de -- Proteste in Indien: Yoga gegen Korruption
> Schon zum zweiten Mal hat der bekannte indische Yogalehrer Baba Ramdev
> Massenproteste in der Hauptstadt Neu-Dehli angeführt. Er will das Land
> von der Korruption heilen.
Bild: Yoga zur Säuberung der indischen Demokratie: Guru Baba Ramdev.
DELHI taz |Am Ende des Tages nahm der Guru in seiner Heimatstadt Haridwar
ein Bad im heiligen Ganges, so wie es sich für jeden hinduistischen
Gläubigen gehört. Doch zuvor hatte Baba Ramdev die politische Bühne Indiens
beherrscht, das Parlament zum Stillstand gebracht und mit Tausenden von
Anhängern die Nacht illegal in einem Fußballstadion kampiert.
„Ich gehe nicht, weil wir verloren, sondern weil wir gewonnen haben“, rief
der Guru in die Menge, als er am Dienstag eine von ihm geführte sechstägige
Fasten- und Protestaktion friedlich beendete. Der 41-jährige Vollbartträger
stand dabei mit entblößten Schultern vor seinem Publikum im Delhier
Ambedkar-Stadion. Er trug nur ein orange Tuch um den Hals und machte eine
gewohnt gute Figur. Schließlich ist er Indiens berühmtester, im Westen
würde man sagen: Fernsehprediger – berühmt vor allen für seine eleganten
Yogaübungen vor der Kamera.
Doch neuerdings sieht man Ramdev häufiger auf Demonstrationen als bei
Yogaseminaren. Er hat auch nie verhehlt, warum: „Wir säubern unsere
Körper“, pflegt er seit Jahren seinen Yogaschülern zu sagen, „aber dann
säubern wir unsere Demokratie.“
Was Ramdev unter Körperreinigung versteht, war immer klar: Seine
Organisation, der Patanjali Yogpeeth Trust, bietet laut Eigendarstellung
täglich 20.000 Gratis-Yogakurse überall in Indien an. Außerdem führt sie
ein Krankenhaus und ein Unternehmen für ayurvedische Medikamente und
Lebensmittel.
In Delhi gibt es die Duftshampoos und Kräuterpillen vom Guru in jedem
besseren Geschäftsviertel. Sie haben ein bisschen den Ruf von
Reformhausprodukten, also nichts Schlechtes. Und auch Yogaübungen sind kein
Firlefanz. Als dem Guru einmal nachgesagt wurde, er hätte versprochen, mit
Yoga auch Aids und Krebs zu heilen, trat Ramdev den Gerüchten schnell
entgegen und stellte klar, dass Yoga den Erkrankten nur Erleichterung
verschaffen könne.
## Gurus werden traditionell respektiert
Ramdev bringt daher mehr Glaubwürdigkeit mit auf die politische Bühne, als
auf den ersten Blick erkennbar ist. Sein orangefarbenes Tuch und sein
langer schwarzer Bart gelten in Indien nur bei der westlich orientierten
Elite als clowneske Verkleidung. Für die normalen Leute sind sie der
typische Aufzug eines Gurus, dem im Hinduismus traditionell Respekt
gebührt.
Auf Tradition baute Ramdev auch seine Botschaft: „Seid indisch! Sprecht
indische Sprachen, tragt indische Kleider, trinkt indische Getränke“,
lautete eine seiner Maximen. Coca-Cola und McDonald’s verdürben den
indischen Geist. Sogar die populäre Kricket-Kultur Indiens griff der Guru
als ein Überbleibsel des von ihm verhassten britischen Kolonialerbes an.
Kricket verleite die Fans zum Trinken, ätzte Ramdev.
Offenbar waren ihm Yogaschule und TV-Studio auf die Dauer zu langweilig.
Schon im vergangenen Jahr zog Ramdev mit Tausenden von Anhängern nach Delhi
– und wurde von der Polizei mit Knüppeln und Tränengas vertrieben. Er
selbst floh in einem Sari, als Frau verkleidet.
## Erfolgreiche Proteste
Doch der Protest war ein Riesenerfolg, sogar der Oberste Gerichtshof
verurteilte später das Vorgehen der Polizei. In diesem Jahr kannten sich
der Guru und die Polizei also schon. Prügeleien blieben aus. Doch gelang es
Ramdev, mit seinen Leuten in einer Kolonne aufs Parlament zu marschieren.
Die Demonstration war nicht genehmigt, also wollte die Polizei Ramdev
festnehmen. Doch das war praktisch unmöglich, als sich der Guru in einem
Bus inmitten seiner Anhänger befand. Die Folge: ein Massen- und
Medienspektakel, in dem Ramdev tatsächlich wie der Sieger erschien. Denn er
erhielt am letzten Tag freien Abzug.
Dabei sagte der Guru nun, was er unter der Säuberung der indischen
Demokratie versteht: „Stürzt die Kongresspartei, rettet das Land!“,
skandierte er und sprach viel von Korruption und „schwarzem Geld“ im
Ausland. An seiner Seite fanden sich diesmal Politiker der
Oppositionsparteien. Sogar die Partei der Unberührbaren stellte sich hinter
ihn. Wie es aber mit ihm weitergeht, steht in den Sternen.
Weder religiöse Führer noch Bollywood-Stars noch erfolgreiche Unternehmer
konnten sich bisher in der indischen Politik etablieren. Aber versucht
haben sie es alle schon.
15 Aug 2012
## AUTOREN
Georg Blume
## TAGS
Indien
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