| # taz.de -- Schwarz-Grün in Hessen: Gelassenheit nach Biblis-Skandal | |
| > Die Grünen halten sich mit Kritik an Ministerpräsident Bouffier zurück. | |
| > Der soll RWE mit einem Brief eine Schadenersatzklage erleichtert haben. | |
| Bild: Biblis in der Abenddämmerung. Die Bundesgrünen hängen auch die Affäre… | |
| BERLIN taz | Unterschiedlicher hätten die Reaktionen kaum sein können. Das | |
| Fernsehmagazin „Monitor“ berichtete in der vergangenen Woche, wie ein auf | |
| Wunsch von RWE verfasster Brief von Hessens CDU-Ministerpräsident Volker | |
| Bouffier dazu beitrug, dass der Energiekonzern das Land auf Schadenersatz | |
| verklagen konnte. Die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia | |
| Kotting-Uhl, fand Bouffiers Verhalten „unglaublich empörend“. | |
| Der Regierungschef hatte RWE angekündigt, dass das Land „dagegen vorgehen“ | |
| werde, wenn der Konzern das Atomkraftwerk Biblis nach dem Ende des als | |
| Reaktion auf die Fukushima-Katastrophe verfügten dreimonatigen Moratoriums | |
| wieder anfahren würde. Für die Bundestagsabgeordnete Kotting-Uhl war | |
| offensichtlich, dass „dieser Brief eine Berechtigung zur Klage schafft“. | |
| Ganz anders fiel die Reaktion der Grünen in Hessen selbst aus. Man sehe den | |
| Briefwechsel von Großmann und Bouffier „als juristisch nicht relevant für | |
| die Schadenersatzklage an“, teilte Frank Kaufmann als Obmann der Grünen im | |
| hessischen Biblis-Untersuchungsausschuss mit. Verantwortlich für die | |
| Schadenersatzforderungen von RWE sei allein die damalige schwarz-gelbe | |
| Koalition im Bund gewesen, so Kaufmann. Auch die Tatsache, dass RWE seine | |
| Schadenersatzklage unter anderem auf Bouffiers Brief stützt, lässt die | |
| Landesgrünen nicht an ihrer Haltung zweifeln. | |
| Doch nicht nur die hessischen Grünen halten sich mit Angriffen auf ihren | |
| Koalitionspartner zurück. Auch die Bundespartei hängt die Affäre | |
| mittlerweile tiefer. Der Parteirat soll das Thema in dieser Woche nur kurz | |
| behandelt haben, Pressemitteilungen der Bundestagsfraktion gibt es nicht. | |
| Fraktionschef Anton Hofreiter äußert sich auf Anfrage zunächst gar nicht, | |
| später dann sehr zurückhaltend. „Welche Verantwortung die damalige | |
| hessische Landesregierung getragen hat, ist in Wiesbaden zu klären“, | |
| schreibt er. „Wir sind uns sicher, dass dort mit der nötigen Sorgfalt | |
| gearbeitet wird.“ | |
| Selbst Atom-Expertin Kotting-Uhl, die in der vergangenen Woche noch so | |
| empört war und in Monitor einen Untersuchungsausschuss des Bundestags ins | |
| Auge gefasst hatte, erwähnt Volker Bouffier in einer aktuellen | |
| Stellungnahme für die taz nur noch am Rande und verweist auf den hessischen | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| ## „Offensichtlicher Akt von Kumpanei“ | |
| Stattdessen wollen die Bundesgrünen jetzt vor allem die Rolle von | |
| Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem damaligen Umweltminister Norbert | |
| Röttgen beim AKW-Moratorium untersuchen. Ob sie einen Untersuchungsausschus | |
| auf Bundesebene fordert, hat die Partei noch nicht entschieden. | |
| Selbst bei der SPD stößt diese Zurückhaltung der Grünen auf Verwunderung. | |
| Doch während die Sozialdemokraten in Hessen massive Vorwürfe gegen Bouffier | |
| erheben – Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel spricht von einem | |
| „offensichtlichen Akt von Kumpanei“ – behindern sie auf Bundesebene die | |
| Aufklärung der Vorgänge. So habe das von SPD-Frau Barbara Hendricks | |
| geführte Bundesumweltministerium einem wichtigen Mitarbeiter, den der | |
| hessische Untersuchungsausschuss vernehmen sollte, keine Aussagegenehmigung | |
| erteilt, sagte Grünen-Obmann Frank Kaufmann. | |
| Bei weiteren ehemaligen Mitarbeitern habe sich das Ministerium außerstande | |
| gesehen, eine aktuelle Postanschrift zu ermitteln, sodass die für diesen | |
| Freitag geplante Befragung verschoben werden musste. | |
| Der Briefwechsel zwischen Bouffier und Großmann, der jetzt im Fokus steht, | |
| fand im Juni 2011 statt. Als Reaktion auf die Atomkatastrophe im | |
| japanischen Fukushima hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung im | |
| März 2011 die acht ältesten deutschen Atomkraftwerke für drei Monate vom | |
| Netz nehmen lassen, um die Sicherheit zu überprüfen. Auch nach Ablauf | |
| dieses Moratoriums gingen sie nicht wieder ans Netz. Im August wurden sie | |
| dann durch eine Novelle des Atomgesetzes dauerhaft abgeschaltet. | |
| Die AKW-Betreiber haben sowohl gegen die vorläufige als auch gegen die | |
| dauerhafte Stilllegung geklagt. In Bezug auf die vorläufige Abschaltung hat | |
| RWE bereits recht bekommen – diese sei rechtlich unzulässig gewesen. In | |
| weiteren Verfahren klagen die Konzerne darum auf insgesamt 882 Millionen | |
| Euro Schadenersatz. Das Urteil stützt sich vor allem darauf, dass die | |
| Konzerne vor dem Moratorium nicht offiziell angehört worden sind und dass | |
| die Länder ihren Ermessensspielraum nicht genutzt haben. | |
| Der Brief, in dem Bouffier damit droht, gegen ein Wiederanfahren | |
| vorzugehen, ist vor allem für die Zeit zwischen dem Moratorium und der | |
| Verabschiedung der Atomrechtsänderung relevant. In dieser Zeit hätten die | |
| Konzerne ihre AKWs theoretisch wieder anfahren können. Dass dies nicht | |
| geschehen ist, begründet RWE mit Bouffiers Schreiben. | |
| 21 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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