Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Akademikerball in Wien: Friedliche Proteste
> Gegen den Ball rechter Burschenschaften demonstrieren in Wien Tausende.
> Die Situation bleibt weitestgehend friedlich.
Bild: Proteste an der Wiener Hofburg.
WIEN taz | Nazis in Nadelstreifen, selten passte dieses Bild besser als am
Freitagabend in der Wiener Hofburg. Ab dem späten Nachmittag versammelten
sich hier Hunderte Rechtsextreme, überwiegend Mitglieder von schlagenden
Burschenschaften und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) zum
Akademikerball. Für den bevorstehenden Rechtswalzer hatten die Burschen
sich in Schale geworfen: Frack oder Anzug, dazu die obligatorische
schwarz-rot-goldene Schärpe. Begleitet wurden die Männerbündler von Frauen
in ihren teuersten Abendkleidern.
Bis 2012 noch unter dem Namen „Ball des Wiener Korporationsrings" (WKR)
bekannt, jährte sich das Stelldichein von Österreichs Rechtsaußen bereits
zum 63. Mal. Unter den deutsch-nationalen Burschenschaftlern hält man was
auf seine Tradition - nicht umsonst säbelt man sich hier noch wie bereits
vor 150 Jahren den Schmiss auf die Wange.
Trotz dieses Anachronismus versteht man sich, so die Ankündigung, als
„exklusiver Circle". Als solcher - und das war an diesem Abend mit das
wichtigste - wollte man sich abgrenzen von den Demonstranten vor der Tür,
die FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor einigen Tagen noch als
„Stiefeltruppen der SA (Sozialistische Antifa)" bezeichnet hatte.
Seine Gäste an diesem Abend schienen sich trotz aller Eleganz an dieser
Pöbelei zu ergötzen. „Aus Protest gegen den Protest", sei er hier, sagte
ein extra aus der Steiermark angereister Bursche und schaute dabei voller
Verachtung in Richtung Heldentor, von wo die Ungemach des
antifaschistischen Widerstands drohte. Hier, im Amtssitz des
österreichischen Bundespräsidenten, hielt man vor allem etwas auf sich
selbst. Davon zeugte auch die so genannte Damenspende, die der Veranstalter
jedem weiblichen Gast aushändigte: eine Kette mit einem Swarowski-Anhänger
in Kreuzform.
## Sperrzone im ersten Bezirk
Für das Wohl der laut Veranstalterangaben mindestens 1.700 Gäste, deutlich
mehr als im Vorjahr, sorgten über 2.500 Polizisten, die Wiens ersten Bezirk
in eine einzige Sperrzone verwandelt hatten. Das massive Aufgebot sollte
die sichere Anfahrt der Ballgäste gewährleisten, die überwiegend im Taxi
ihr Ziel erreichten. Die vorher angekündigte Weigerung der Taxifahrer,
Rechtsextreme zu chauffieren, hatte keine Folgen.
Wer sich nicht rechtzeitig auf den Weg machte, hatte es dennoch nicht mehr
ganz leicht. 16 Demonstrationen und Kundgebungen hatten die Gegner des
Balls angemeldet, unter ihnen die Bündnisse „Offensive gegen Rechts" (OGR)
und NOWKR sowie die Interventionistische Linke [Wien].
Knapp 7.000 Menschen folgten dem Aufruf von OGR, einem Zusammenschluss
dutzender linker Gruppen. „Rassistisch, sexistisch, ekelhaft - das ist die
deutsche Burschenschaft" schallte es aus der Menge, die in einem Bogen vom
Schottentor um das Sperrgebiet herum zum Stephansplatz zog. Die
Veranstalter bedankten sich später für die „größte antifaschistische
Demonstration seit Jahren".
Anderswo versuchten kleinere Gruppen von Demonstrierenden, die Zugänge zur
Hofburg zu blockieren. Mehrfach wurden dabei Taxis umkreist und
vorübergehend an der Zufahrt zum Ballgelände gehindert.
## Keine Polizeikessel
Am Volkstheater unweit der Sperrzone wuchs die Menge der Protestierenden im
Laufe des Abends auf mehr als 2.000 an. Die Polizei lieferte sich immer
wieder kleinere Auseinandersetzungen mit den Demonstrierenden. Das Vorgehen
war dabei nicht besonders koordiniert - immer wieder bildeten die
Polizisten Ketten, um sie kurz danach wieder zu lösen und an anderer Stelle
erneut aufzubauen. Mehrmals schien es, als wolle die Polizei einen Kessel
errichten; dieser blieb letztendlich aber doch immer an einer Seite offen.
Aufgerufen zu Blockaden rund um das nahe gelegene Heldentor, die
Hauptzufahrt zur Hofburg, hatte NOWKR, nachdem ihre geplante Demonstration
verboten worden war. Das Bündnis, das unter dem Motto „Für ein Ende der
Gewalt" mobilisiert hatte, hätte seinerseits mit Gewalt gedroht, hieß es in
der Begründung der Polizei.
NOWKR hatte angekündigt, die Ballgäste „nicht mit Samthandschuhen" anfassen
zu wollen. Schon 2011 hatte die Polizei Gegendemonstrationen untersagt.
Dieses Verbot war vom Österreichischen Verfassungsgerichtshof im Nachhinein
als verfassungswidrig erklärt worden.
„Die Polizei setzt auch in diesem Jahr voll auf Eskalation", sagte Anna
Pospischil von der Interventionistischen Linken der taz. „Wieder gibt es
eine riesige Sperrzone, und mit dem Demoverbot provozieren sie bewusst eine
unkontrollierbare Situation." In den extra für die Demonstrationen
angereisten Bussen führte die Polizei zudem massive Personenkontrollen
durch, ein Bus aus München musste umkehren, weil darin Pyrotechnik und
Vermummungsgegenstände gefunden wurden.
Obwohl Tausende Demonstrierende auf den Straßen waren und verschiedentlich
Bänke und Blumenkübel als Baumaterial für Barrikaden verwendet wurden,
ließen sich die meisten nicht provozieren. Als „weitgehend friedlich"
bezeichnete auch Hans Golob, Pressesprecher der Wiener Polizei, die
Geschehnisse gegenüber der taz. Für 38 Festnahmen und über 100
Identitätsfeststellungen hatte es anscheinend dennoch gereicht.
31 Jan 2015
## AUTOREN
Dinah Riese
Erik Peter
## TAGS
FPÖ
Akademikerball
Burschenschaft
Wien
Terrorismus
Rechtspopulismus
Rechtsextremismus
Polizei
Akademikerball
FPÖ
Österreich
Wien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Terrorvorwurf nach Akademikerball: Auf einer Stufe mit al-Qaida
Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gegner des Akademikerballs im
Januar. Der Vorwurf: Bildung einer terroristischen Vereinigung.
„Hausordnung“ der FPÖ: So funksioniert Intigration jetz
Die rechtspopulistische FPÖ setzt sich für den Erhalt der österreichischen
Sprache und Kultur ein. Nun wurde uns die korrigierte Fassung zugespielt.
Neue Regeln für Kfz-Kennzeichen: Lächerlich, anstößig, Nazi
Österreich will Kfz-Kennzeichen mit Hitler-Chiffren verbieten. Bei Nazis
beliebte Kombinationen sollen auf einer Negativliste stehen.
Proteste gegen Pegida und Co.: Demogeld für Antifas
Interne Dokumente beweisen: Antifas erhalten Geld für ihre Teilnahme an
Demonstrationen. Parteien und Regierung agieren als Unterstützer im
Hintergrund.
Proteste in Österreich: Demo-Verbot für Antifaschisten
Ein Gruppe Autonomer darf am Freitag in Wien nicht gegen den
Burschenschaftlerball demonstrieren. Sie habe, so die Polizei, zur Gewalt
aufgerufen.
Josef S. über den Wiener Akademikerball: „Ein Hort reaktionärer Ideologien�…
Weil er gegen das Burschenschaftstreffen protestierte, saß Josef S. ein
halbes Jahr in Haft. Er kritisiert das Verfahren gegen sich und die
Stimmungsmache der FPÖ.
Debatte Justiz in Österreich: Der Rechtsstaat als Spucknapf
Die Farce wird von Bürokraten besser beherrscht als von Literaten. In
Österreich etwa wird das Absurde von der Justiz emsig gepflegt – siehe
Josef S.
Schuldspruch gegen Josef S. in Wien: Ein Zeuge reicht
Trotz dürftiger Beweislage spricht ein Wiener Gericht den Jenaer Student
Josef S. schuldig. Er soll Rädelsführer bei antifaschistischen Protesten
gewesen sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.