# taz.de -- Studentische Hilfskräfte protestieren: Sachmittel ohne Streikrecht | |
> Über 100.000 Studierende arbeiten als Hilfskräfte im Universitätsbetrieb. | |
> Oft werden sie als billige Zuarbeiter ausgenutzt. | |
Bild: Studentische Hilfskräfte sind oft billige Arbeitskraft. | |
BERLIN taz | Marie Diekmann hilft an der Goethe-Uni in Frankfurt in | |
Tutorien, den Studierenden den Vorlesungsstoff nachzubereiten. Der | |
Stundenlohn als studentische Hilfskraft von 10 Euro war vergleichsweise | |
gut, dumm nur, dass das Geld oft verspätet kam. | |
Universitäten wie die Goethe-Universität in Frankfurt wollen gern exzellent | |
sein, die Arbeitsbedingungen der studentischen Hilfskräfte sind oft weit | |
davon entfernt. Dagegen formiert sich nun in Frankfurt Protest. Hilfskräfte | |
haben eine Interessenvertretung gegründet, Anfang der Woche fand die erste | |
Semesterversammlung statt. | |
In vielen Bundesländern werden Hiwis als Sachmittel, nicht als Personal | |
geführt. Anspruch auf Vertretung durch einen Personalrat haben sie nicht, | |
in Einzelfällen machen sie viele Überstunden. Viele, das ergab eine Studie | |
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), wissen über ihre Rechte | |
nicht Bescheid. | |
„Wir wissen von Fällen, bei denen kranken Hiwis der Lohn nicht weiter | |
gezahlt wurde und die Arbeit nachgeholt werden musste“, erklärt Diekmann, | |
die sich in der Hilfskraft-Initiative der Uni Frankfurt engagiert. Ein | |
klarer Gesetzesbruch. Denn auch wenn die Hilfskräfte als Sachen abgerechnet | |
werden – in Deutschland ist die Lohnfortzahlung bei Krankheit garantiert, | |
Fehlzeiten dürfen nicht nachgeholt werden. Das Gespräch mit der Uni hat man | |
bereits gesucht, diese hat aber sämtliche Vorwürfe bestritten. | |
## Selbst geringe Rechte werden nicht eingehalten | |
„Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass selbst die geringen Rechte, | |
die für studentische Hilfskräfte gelten, nicht eingehalten werden“, erklärt | |
Andreas Keller, Leiter des Bereichs Hochschule und Forschung bei der | |
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. In Thüringen etwa schufteten | |
Hilfskräfte für weniger als 8 Euro pro Stunde. Die Zahl der Hilfskräfte | |
liegt nach Schätzungen der GEW bundesweit im sechsstelligen Bereich. Es sei | |
ein Problem von enormer Tragweite, so Keller. | |
„Das Problem ist, dass die Hilfskräfte kaum eine Lobby haben“, meint Tobias | |
Cepok, Jugendbildungs-Referent der GEW Hessen. Er steht mit der | |
Hilfskraft-Initiative aus Frankfurt in Kontakt. „Oftmals sind Hilfskräfte | |
nur wenige Semester beschäftigt. Nicht genug Zeit, um sich zu organisieren | |
und Forderungen politischen Nachdruck zu verleihen.“ | |
## Lichtblicke in Thüringen und an der Frankfurter Uni | |
In Berlin sieht es besser aus. Es ist das einzige Bundesland, in dem die | |
studentischen Kräfte mit in den Tarifvertrag einbezogen sind. Und mit | |
knappen 11 Euro gibt es hier den höchsten Stundenlohn bundesweit. Überall | |
sonst ist die Bezahlung teils seit 20 Jahren nicht gestiegen. | |
In den allgemeinen Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes im Frühjahr | |
wird das Thema Hilfskräfte kein Thema sein. Doch es gibt Lichtblicke: In | |
Thüringen hat die rot-rot-grüne Landesregierung das Thema in den | |
Koalitionsvertrag aufgenommen. In Frankfurt hat die Hiwi-Initiative | |
erreicht, dass ihre Belange bei den anstehenden Verhandlungen der Uni | |
mitdiskutiert werden. Doch selbst wenn die Hilfskräfte in Frankfurt Erfolg | |
haben sollten: die Goethe-Universität ist eine autonome Uni mit eigenem | |
Hausvertrag. Ein Erfolg hier wäre nur innerhalb der Uni, nicht für Hessen | |
bindend. | |
4 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Alina Leimbach | |
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