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# taz.de -- SPD-Klausur auf dem Landgut: Hilfe für die „arbeitende Mitte“
> Ein Nein zu Waffen für die Ukraine und ein Teilzeitmodell für Familien:
> Damit will die SPD aus dem Umfragetief. Doch eine Affäre könnte das
> vermasseln.
Bild: Gabriel schnuppert Stallgeruch: Der SPD-Chef tritt nach der Klausurtagung…
Hoffen im Rinderstall: Eine halbe Autostunde hinter Berlin, in der Nähe von
Nauen im Havelland, hat die SPD-Spitze bis Montag beraten, wie es mit ihrer
Partei aufwärtsgeht. Für ihre Klausur hatte sie ein Landgut ausgewählt,
dessen umgebauter Stall heute als Tagungssaal dient. Die Bilanz nach zwei
Tagen Konferenz auf dem Bauernhof: Mit einem Nein zu Waffenlieferungen an
die Ukraine und einem Teilzeitmodell für Familien will die Partei aus dem
Umfragetief kommen.
Das Modell der sogenannten Familienarbeitszeit hatte Familienministerin
Manuela Schwesig bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen, damals noch
ohne Erfolg. Es sieht vor, dass junge Eltern bei vollem Lohnausgleich
weniger arbeiten müssen; die Kosten würde der Staat tragen. Nun will die
SPD die Idee wieder aufnehmen und zusammen mit weiteren Angeboten für die
„arbeitende Mitte“ beraten.
Mit dem Begriff meint die Partei Arbeitnehmer aus der Generation der 30-
bis 50-Jährigen, die sich häufig sowohl um die Kindererziehung als auch um
die Pflege ihrer Angehörigen kümmern müssen. „Diese Menschen sollten sich
nicht ständig Sorgen darüber machen müssen, ob die Bildung ihrer Kinder gut
ist und ob sie mit ihrem Einkommen und der Pflege klarkommen“, sagte
Parteichef Sigmar Gabriel.
Daneben stand in Brandenburg vor allem die Europa- und Außenpolitik auf dem
Programm. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war zum
Abschluss der Klausur nach Nauen gekommen. Gabriel lobte dessen
Ankündigung, mit milliardenschweren Investitionen das Wachstum in Europa
anschieben zu wollen.
## Endlich gute Nachrichten
Zuvor hatte die SPD-Spitze mit Nato-Chef Jens Stoltenberg über die
Ukrainekrise gesprochen und bekräftigt, dass die Partei Waffenlieferungen
an Kiew ausschließt. „So eine Lieferung müsste ich als Wirtschaftsminister
genehmigen, und das werde ich nicht tun“, sagte Gabriel.
Wie zur Bestätigung hatte sein Ministerium kurz zuvor Zahlen zu den
deutschen Rüstungsexporten im vergangenen Jahr veröffentlicht. Demnach hat
die Regierung im Jahr 2014 Waffenlieferungen ins Ausland im Wert von 6,52
Milliarden Euro genehmigt, so wenig wie seit Jahren nicht mehr. Ein Erfolg
für die SPD, die im Wahlkampf für einen Rückgang bei den Exporten geworben
hatte.
Endlich gute Nachrichten, wird sich die Parteispitze im Rinderstall gedacht
haben. Schließlich hat das zweite Jahr in der Großen Koalition für die
Sozialdemokraten mit schlechten Neuigkeiten begonnen: In Umfragen kommt
sie, trotz Erfolgen wie dem Mindestlohn, noch immer nicht über 25 Prozent
hinaus. Für seine Gesprächsbereitschaft mit Pegida-Anhängern geriet
Parteichef Gabriel bei den eigenen Leuten in die Kritik. Und die Causa
Edathy brachte der SPD zuletzt katastrophale Schlagzeilen.
## Kein Kommentar zur Affäre Edathy
Auch im Havelland spürten die Sozialdemokraten, dass ihnen die Affäre den
Ausweg aus dem Umfragetief vermasseln könnte. Erstmals äußerte sich der
SPD-Vorsitzende persönlich zur Aussageverweigerung seines Kollegen Michael
Hartmann, den im Edathy-Untersuchungsausschuss mehrere Zeugen belastet
hatten. Einen Mandatsverzicht forderte Gabriel zwar nicht. Er forderte
Hartmann aber auf, sein Schweigen zu brechen, um damit
„Verschwörungstheorien“ zu entkräften.
Damit meinte er Spekulationen der Opposition, die glaubt, dass auch
Fraktionschef Thomas Oppermann in die Affäre verstrickt sein könnte. Der
hat, anders als manche Sozialdemokraten, Hartmanns Schweigen bisher nicht
kritisiert. Auch in Nauen wollte er die Affäre Edathy nicht kommentieren.
Ob der Fraktionschef die angebliche Verschwörungstheorie damit nicht weiter
befeuere? „Er wird seine Gründe haben“, sagte Gabriel, bevor er den
Rinderstall verließ.
9 Feb 2015
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Ukraine-Krise
Sigmar Gabriel
SPD
Familienpolitik
Waffenlieferung
Mindestlohn
Kristina Schröder
Steuern
Bundestag
Hamburger Senat
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