# taz.de -- Debatte Drittmittel an Unis: Das Geld des Geistes | |
> Wer die meisten Drittmittel einwirbt, der forscht und lehrt angeblich | |
> auch am besten, heißt es. Doch das Gegenteil ist richtig. | |
Bild: Einer für alle – Vorlesung an der Universität Freiburg. | |
Früher hieß es: Über Geld spricht man nicht, man hat es. Heute ist das ganz | |
anders. Auch an der Universität reden alle nur noch von Geld – aber kaum | |
einer redet davon, dass die Universität nur noch von Geld redet. Die | |
eingeworbenen Drittmittel, die Prämien für die Einwerbung von Drittmitteln, | |
die Vorfinanzierung der Antragsprosa, die Höhe der Studiengebühren, etwaige | |
Gehaltszulagen bei Berufungsverhandlungen, die Milliardenbeträge, die in | |
Exzellenzinitiativen fließen, und die Probleme bei der Anlage von | |
Stiftungsvermögen – das sind die Themen, über die an deutschen | |
Universitäten ständig gesprochen wird. | |
Selbst dort, wo es nicht direkt ums Geld geht, werden die Diskurse über und | |
an den Unis immer geldförmiger: Man redet über das Auf und Ab einzelner | |
Universitäten und Institute auf dieser oder jener Rankinglist wie über das | |
Auf und Ab von Börsenwerten. Die Rankinglist ist nach dem Modell des | |
Ratings für Banken und Staaten entworfen – und wohl so verlässlich, so | |
performativ, so irrationalitätsanfällig wie diese. Die Bank Lehman Brothers | |
bekam bekanntlich noch wenige Tage vor ihrem historischen Crash von der | |
Ratingagentur Standard & Poor’s die Note A+ zugesprochen. | |
Geld ist ein homogenisierendes Medium. Es setzt systematisch gleich, was | |
nicht gleich ist: Dieses Spitzengemälde von Gauguin, dieser Neubau und | |
dieser Sonderforschungsbereich kosten jeweils 70 Millionen Euro. Geld setzt | |
äquivalent und erklärt für gleich gültig, was nicht gleich(wertig) ist. | |
Die fast ausschließliche Orientierung der Universität an Geldwerten geht | |
einher mit einer gespenstischen Homogenisierung der akademischen Diskurse. | |
Mit verlässlicher Regelmäßigkeit liest man in Anträgen für Drittmittel, | |
dass die Antragssteller einen multiperspektivischen und plurimethodischen | |
Ansatz verfolgen, der metadisziplinär anschlussfähig sein soll. | |
## Welche Bringschuld hat die Universität? | |
Die Ergebnisse solcher Drittmittelprojekte sind nicht weniger homogen, | |
vulgo: langweilig. Sie werden auch kaum zur Kenntnis genommen und | |
kommuniziert – außerhalb der Unimauern schon gar nicht. Stolz mitgeteilt | |
werden hingegen Zahlen: Im Rahmen jenes Projekts wurden dreizehn | |
Promotionen und zwei Habilitationen betreut. Es fanden sieben Workshops | |
statt, und es wurden acht Sammelbände publiziert. Gründe genug, einen | |
Folgeantrag zu stellen. | |
Die nicht sonderlich originelle, aber dennoch höchst angemessene Frage, | |
wozu die Universität eigentlich da ist, welche Bringschuld sie hat, was | |
auf- und anregende Forschung ausmacht, wird umso weniger gestellt, je mehr | |
der Unibetrieb durch geldförmige Kennziffern geregelt wird. Kritisch ist | |
zumal die Lage der Sozial- und Geisteswissenschaften. Diese richten sich, | |
halb willig, halb durch Vorgaben genötigt, zunehmend an der | |
Forschungskultur der Natur- und Wirtschaftswissenschaften aus: Publikation | |
in A-Journals, Abschied von Monografien, Abwendung von der Einzelforschung, | |
Tendenz zur Verbundforschung. | |
Als das Kriterium für erfolgreiche sozial- und geisteswissenschaftliche | |
Forschung schlechthin gilt nun auch hier – fast schon scheint’s | |
selbstverständlich zu sein – die Einwerbung von Drittmitteln. Die | |
einschlägigen Zuteilungen und Zahlen werden in der scientific community | |
erstrangig kommuniziert. | |
Ebendas ist die Krux: Was der Forscher außer von Sammelbandvorworten und | |
Antragsprosa („Unser Projekt, Verbund, Kolleg, Sonderforschungsbereich ist | |
gut aufgestellt“) verfasst und publiziert, spielt schlicht keine Rolle | |
mehr. Dass die geisteswissenschaftlichen Publikationen, die noch | |
einigermaßen breit zur Kenntnis genommen werden (etwa aus der Feder von Jan | |
Assmann oder Norbert Bolz, Hans-Ulrich Gumbrecht oder Peter Sloterdijk), | |
sich gerade der Freiheit und Einsamkeit des Forschers und nicht den | |
endlosen Gremiensitzungen eines Drittmittelprojekts verdanken, ist dem | |
brutal entromantisierten Unibetrieb geradezu peinlich. | |
In demselben Maße, in dem die Universität auf messbare Nutzenmaximierung | |
getrimmt wird, produziert sie Nutzloses und Uninteressantes. Ich weiß, wie | |
unzeitgemäß es klingt, und sage es dennoch – oder eben deshalb: Der | |
Unibetrieb ist heute in weiten Teilen (von einigen gallischen Dörfern mit | |
zweifelhaftem Ranking abgesehen) ebenso geldbesessen wie geist- und | |
besinnungslos. | |
17 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Jochen Hörisch | |
## TAGS | |
Drittmittel | |
Hochschulwatch | |
Universität | |
Wissenschaft | |
Publikation | |
Halle | |
Exzellenzinitiative | |
Sponsoring | |
Sponsoring | |
Universität | |
Transparenz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Betrug in der Wissenschaft: „Summa cum fraude“ | |
Ein Forschungsprojekt an der Uni in Saarbrücken untersucht Mechanismen | |
wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Die Zwischenbilanz. | |
Bewertung von Wirtschaftsforschern: Mediale Aufmerksamkeit steigern | |
Bei früheren Gutachten hatte das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle | |
nicht gut abgeschnitten. Nun darf es weitermachen. | |
Arbeitsbedingungen an Hochschulen: Professoren zweiter Klasse | |
Mit befristeten Verträgen für Lehrende stopfen die Universitäten ihre | |
Finanzlücken – auch auf Kosten der Studierenden. Ein unfaires System. | |
Milliarden für die Wissenschaft: Champions League statt Bundesliga | |
Die Fraktionschefs der schwarz-roten Bundesregierung wollen mit fünf | |
Milliarden Euro Spitzenunis und Nachwuchswissenschaftler fördern. | |
Kritik an Hochschulwatch: Schafft mehr Transparenz! | |
RektorInnen beschweren sich über Hochschulwatch. Die Macher antworten – mit | |
einer Einladung an Universitäten und Wirtschaft. | |
Stiftungsprofessuren in Deutschland: Die Hochschultrojaner | |
An deutschen Hochschulen gibt es 1.000 Professuren, die von Unternehmen | |
oder privaten Stiftungen finanziert werden. Was bedeutet das für die Unis? | |
Anti-Rüstungsforschung an Hochschulen: Friedensbewegung reloaded | |
Aktivisten streiten erfolgreich dafür, dass Hochschulen keine | |
Rüstungsprojekte durchführen. Die Anzahl der Unis mit Zivilklauseln soll | |
verdoppelt werden. | |
Rüstungsforschung an der Uni: Ein ganz normaler Auftraggeber | |
Die Uni Hannover forscht im Auftrag der Bundeswehr. Dies wolle sie nur für | |
friedliche Zwecke tun. Trotzdem fordern Studierende eine Zivilklausel. |