# taz.de -- Bewertung von Wirtschaftsforschern: Mediale Aufmerksamkeit steigern | |
> Bei früheren Gutachten hatte das Institut für Wirtschaftsforschung in | |
> Halle nicht gut abgeschnitten. Nun darf es weitermachen. | |
Bild: Nach dem Versagen klassicher Lernformen, Lernen ganz entspannt. | |
Berlin taz | Sechs Institute für Wirtschaftsforschung leistet sich die | |
Leibniz-Forschungsgemeinschaft, sechs von insgesamt 89. Vielleicht zu viel | |
Wirtschaft, zumal alle die Richtung der Mainstream-Ökonomie vertreten. | |
Wiederholt kam daher – von außen – der Vorschlag, eines der Institute wenn | |
nicht zu schließen, so doch für eine ganz andere Ausrichtung der | |
Wirtschaftswissenschaften zu öffnen. Etwa für „Plurale Ökonomik“, die | |
derzeit unter Studenten populär wird und auch vor Kurzem auf dem Berliner | |
Kongress „Solidarische Ökonomie“ eine Rolle spielte. | |
Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), das jetzt von der | |
Leibniz-Spitze evaluiert wurde, wäre ein guter Kandidat für einen solchen | |
Turnaround gewesen: nach dem Versagen der neoklassischen Ökonomie in der | |
Bankenkrise betriebs- und volkswirtschaftliche Forschung einmal ganz | |
anders! | |
Bei den beiden vorherigen Evaluationen hatte das IWH mit seinen 75 | |
Beschäftigten und einem Budget von 7,8 Millionen Euro jährlich nämlich | |
überhaupt nicht gut abgeschnitten. Gegenüber den großen Geschwistern im | |
Westen, wie dem IfO-Institut in München oder dem DIW in Berlin, produzierte | |
das einzige ostdeutsche Wirtschaftsinstitut nur unterdurchschnittliche | |
Ergebnisse. | |
Von Schließung oder Eingliederung in eine Universität, vielleicht sogar vom | |
Umzug in die Landeshauptstadt Magdeburg, war die Rede. Die letzte Bewertung | |
2011 kostete dem langjährigen IWH-Chef Ulrich Blum den Kopf: Er musste | |
gehen. | |
Seine Nachfolgerin Claudia Buch packte den Umbau beherzt an, konnte aber | |
nach einjähriger Amtszeit dem Ruf in den Vorstand der Bundesbank nicht | |
widerstehen. Dem Oberthema des Instituts entsprechend, die Transformation | |
der Volkswirtschaften im Osten Europas von der Plan- zur Marktwirtschaft | |
und ihre Integration ins neue Europa zu untersuchen, glich das 1992 | |
gegründete IWH selbst einer ständigen wissenschaftlichen Baustelle. | |
## Underdog-Image | |
Die Stadtökonomie wurde gestrichen, dafür Finanzökonomie auf den Schild | |
gehoben. An der Spitze der Abteilungen, notierten die Gutachter, herrsche | |
eine „hohe personelle Fluktuation“. | |
Seit November 2014 leitet der Volkswirt Reint Gropp, zuvor Professor für | |
Bankwesen an der Universität Frankfurt/Main, das Institut. Sein Ziel sei | |
es, eine höhere „wissenschaftliche und mediale Aufmerksamkeit“ zu | |
erreichen, gab Gropp gleich nach Amtsantritt an. „Mit dem Image des | |
„Underdogs“ passt er vielleicht ganz gut zum oft unterschätzten Halle“, | |
kommentierte die örtliche Mitteldeutsche Zeitung. | |
Bei der jetzigen Wissenschafts-Prüfung der Leibniz-Gemeinschaft bekam das | |
IWH ein überraschend positives Attest. Zwar seien in den kritischen Voten | |
der Jahre 2007 und 2011 die „wissenschaftlichen Leistungen moniert und | |
erhebliche Führungsdefizite am Institut festgestellt“ worden, die eine | |
„konzeptionelle und personelle Erneuerung“ notwendig machten. | |
Seitdem aber seien „überzeugende Maßnahmen zur Reform des IWH ergriffen | |
worden, die zu deutlichen Verbesserungen“ geführt hätten, heißt es im | |
Evaluationsbericht. Nicht nur die Publikationsleistung habe sich | |
verbessert. Erfreulich sei auch die stärkere Kooperation mit den | |
Hochschulen. Gute Noten erhielten unter anderem das | |
wirtschaftswissenschaftliche Datenzentrum und das neue „Centrum für | |
Evidenzbasierte Politikberatung“, das stärker in die praktische | |
Wirtschaftspolitik der ostdeutschen Bundesländer einwirken will. | |
## Thematische Weiterentwicklung | |
Unter dem Strich „grünes Licht“ für die weitere Förderung des IWH, das v… | |
Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Die letztliche Entscheidung | |
wird daher die Gemeinsame Wissenschaftskommission (GWK) in ihrer Sitzung am | |
30. September treffen. Instituts-Chef Gropp äußerte sich erleichtert. | |
„Besonders freut mich, dass die thematische Weiterentwicklung des Instituts | |
von der Bewertungsgruppe vollumfänglich unterstützt wird“, kommentierte der | |
IWH-Präsident. | |
Konsequent verfolgt Gropp die Strategie, auch in der | |
„Aufmerksamkeitsökonomie“ Punkte zu sammeln. Vor wenigen Wochen machte das | |
IWH Schlagzeilen mit einer Berechnung, wonach der deutsche Staatshaushalt | |
durch die Zinssituation letztlich von der Griechenland-Krise profitiere. | |
„Milchmädchenrechnung“, war die Reaktion aus der Fachwelt, weil der | |
Zinsverlust auf Seiten der Sparer nicht berücksichtig werde. Auch die taz | |
schrieb über die Hallenser Zahlen: „Richtig, aber eben auch verkürzt“. Das | |
Medien-Echo jedenfalls war kollosal. | |
10 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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