# taz.de -- Streitfall Medizinische Zentralbibliothek: Hüter des medizinischen… | |
> Am Freitag fällt die Entscheidung über die weitere Existenz der zentralen | |
> Bibliothek für Lebenswissenschaften (ZB MED). Das Institut soll die | |
> Leibniz-Gemeinschaft verlassen. | |
Bild: Medizinische Zentralbibliothek in Bonn: Noch gehört das Institut zur Lei… | |
BERLIN taz | Die Leibniz-Forschungsgemeinschaft will die Deutsche | |
Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) nicht länger in ihren Reihen von 89 | |
Instituten sehen. Der Grund: Das Leibniz-Informationszentrum für | |
Lebenswissenschaften, so der zweite Name, arbeite nicht wissenschaftlich | |
und modern genug. Die gemeinsame Finanzierung durch den Bund und die Länder | |
solle daher ab 2017 auslaufen. Der Jahresetat des Instituts beträgt etwas | |
mehr als 12 Millionen Euro. | |
Als das negative Votum der Leibniz-Gutachter im März bekannt gemacht wurde, | |
waren die Beschäftigten der ZB MED an den beiden Standorten Köln und Bonn | |
zunächst geschockt und bestürzt. „Die Nachricht kommt für alle 119 | |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter völlig überraschend und ist | |
unverständlich“, lautete die erste Reaktion. Es folgte eine Protestwelle | |
quer durch das deutsche Gesundheitswesen und die Suche nach Notlösungen. | |
Am Freitag entscheidet in Bonn die Gemeinsame Wissenschaftskommission (GWK) | |
von Bund und Ländern, ob die Wissenschaftsminister dem Vorschlag der | |
Leibniz-Gutachter folgen. Alle Zeichen deuten darauf hin – was aber auch in | |
diesem Fall nicht das Ende der Medizinbibliothek bedeuten muss. | |
Gegründet wurde die ZB MED aus der medizinischen Abteilung der Uni- und | |
Stadtbibliothek Köln im Jahre 1973 zur Sammlung überregionaler | |
Fachinformationen für den Bereich Lebenswissenschaften, zunächst Medizin | |
und Gesundheitswesen, später auch Ernährungs-, Umwelt- und Agrarforschung. | |
Im Jahr 1977 folgte die Aufwertung zur „Blaue-Liste-Einrichtung“, die von | |
Bund und Ländern finanziert werden, der heutigen Leibniz-Gemeinschaft. An | |
den Standorten Köln und Bonn hält die Bibliothek derzeit 38.400 | |
Zeitschriften und 1,6 Millionen Bücher sowie in der | |
Online-Literaturdatenbank Livivo 55 Millionen Datensätze bereit. | |
Der Übergang von der alten Buch- in die neue digitale Informationswelt | |
bereitete den Hütern des medizinischen Wissens jedoch erkennbar | |
Schwierigkeiten. Die „Entwicklung der ZB MED hin zu einem modernen | |
Fachinformationszentrum“ sei nicht in ausreichendem Maße gelungen, stellte | |
die Leibniz-Prüfkommission 2015 fest. Kritikpunkte waren der zu geringe | |
Ausbau der anwendungsorientierten Forschung, die Vernetzung mit anderen | |
nationalen Informationsstrukturen sowie die internationale Positionierung | |
des Suchportals Livivo. | |
## Zwei neue Professuren | |
Die Betroffenen hielten dagegen: Zur Stärkung der Forschung seien gerade | |
zwei gemeinsame Professuren mit den Unis Köln und Bonn ausgeschrieben | |
worden, darunter eine W2-Professur für „Wissenserschließung“. „Dieser | |
Ausbau der Forschungsaktivitäten wird durch die Empfehlung der | |
Leibniz-Gemeinschaft gestoppt“, beschwerten sich die Bibliothekare. | |
„Insofern ist die Begründung für die Schließung von ZB MED völlig | |
unverständlich.“ Auch die Nutzer der Bibliothek sahen das so. Eine | |
Onlinepetition zum Erhalt der ZB MED erhielt binnen weniger Wochen mehr als | |
10.000 Unterschriften von Unterstützern. | |
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) lobte „die schnelle | |
und unkomplizierte Bereitstellung von Fachliteratur durch die ZB MED“. Sie | |
diene „nachhaltig der Patientensicherheit, da durch die Datenbank eine | |
effiziente Bearbeitung und Beurteilung von Fällen unerwünschter | |
Arzneimittelwirkungen ermöglicht wird“, äußerte sich der Pharmaverband. | |
Beim Verlust der Bibliothek, so ein BPI-Sprecher drastisch, „droht eine | |
Informationswüste“. | |
Das für seine Unabhängigkeit bekannte Institut für Qualität und | |
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) weist in einem offenen Brief | |
darauf hin, dass ihm das ZB MED im Jahr 2015 fast 3.500 Volltexte geliefert | |
habe, die in Gutachten zur Medikamentenbewertung eingeflossen seien. Der | |
AStA der Uni Köln brachte mit einer Solidaritätsdemo den Protest auf die | |
Straße. | |
Das wichtigste Rettungsbündnis wurde mittlerweile zwischen dem Düsseldorfer | |
Wissenschaftsministerium und dem Berliner Bundesgesundheitsministerium | |
geschmiedet. | |
## Eine mögliche Lösung | |
„Derzeit finden im Hintergrund der GWK-Entscheidung Gespräche zwischen dem | |
Wissenschaftsministerium NRW und dem Bundesgesundheitsministerium zum | |
Transformationsprozess sowie Gespräche mit den Universitäten Köln und Bonn | |
als Standorten der ZB MED statt, um mit Einrichtung der gemeinsamen | |
Professuren die Weiterentwicklung der ZB MED zu einem modernen und | |
wettbewerbsfähigen Informationszentrum für die Lebenswissenschaften zu | |
ermöglichen“, erklärte Hermann Lamberty, der Sprecher der | |
NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, auf Anfrage der taz. In dieser | |
Richtung hatte sich schon Ende Mai der sogenannte GWK-Ausschuss geäußert, | |
in dem die Abteilungsleiter die Beschlüsse der Minister vorbereiten. | |
In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass die ZB MED nach dem Ausscheiden | |
aus der Leibniz-Gemeinschaft weiter existiert – in Trägerschaft des Landes | |
NRW und mit Förderung aus dem Berliner Gesundheitsministerium. Wenn der | |
„Transformationsprozess“ zur Digitalisierung Fortschritte gemacht hat, soll | |
wieder ein Aufnahmeantrag bei Leibniz gestellt werden. | |
23 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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