# taz.de -- Crowdfunding: Keine Angst vorm Scheitern | |
> Pauline Tillmann will mit sechs Kolleginnen „Deine Korrespondentin“ | |
> gründen, eine Plattform mit Geschichten von Frauen über Frauen in aller | |
> Welt. | |
Bild: „Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Pauline Tillmann. | |
Pauline Tillmann ist im vergangenen Jahr durch die USA getourt. Drei Monate | |
lang. Sie war in New York, in Washington, in Los Angeles und: im Silicon | |
Valley. Wo man halt so hinfährt, als Journalistin auf der Suche nach | |
Antworten auf die Frage: Wie kann sich Journalismus in den kommenden Jahren | |
finanzieren? „Just do it“, hat sie da gelernt. Das schreibt sie in ihrem | |
Blog. „Man sollte den Mut haben zu scheitern“, sagt sie, während sie in | |
Berlin in einem Café sitzt und ihr Projekt vorstellt: | |
[1][deine-korrespondentin.de]. | |
Mit sechs Mitstreiterinnen will sie eine Plattform für Auslandsjournalismus | |
aufbauen, eine Art Krautreporter von Frauen mit Geschichten über Frauen aus | |
aller Welt. Mit dabei sind unter anderem Simone Schlindwein, die auch | |
[2][für die taz aus Afrika berichtet], und Sabine Rossi, Redakteurin bei | |
Funkhaus Europa und Nahost-Expertin. Es soll eine Gemeinschaft entstehen, | |
die Korrespondentinnen sollen sich gegenseitig helfen, sie sollen sich | |
schulen, und die Leserinnen und Leser sollen einbezogen werden. „Ich habe | |
nichts zu verlieren“, sagt Tillmann, „und die Kolleginnen auch nicht. Wir | |
glauben daran. Und vielleicht glauben ja auch andere daran.“ | |
Ein paar Leute sollten es schon sein, die daran glauben, denn seit Montag | |
sammelt Deine Korrespondentin über die Crowdfunding-Plattform | |
[3][Startnext] Geld ein. 5.000 Euro müssen innerhalb von 30 Tagen als | |
Startkapital zusammenkommen, um eine Website aufzubauen und die | |
Korrespondentinnen für die ersten Geschichten entlohnen zu können. Denn zum | |
Start der Seite, die ab Mai online gehen sollen, wird es zwei Artikel für | |
lau zu lesen geben, anschließend soll sich Deine Korrespondentin über Abos | |
finanzieren. „Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass der Inhalt etwas | |
wert ist“, sagt Tillmann. „Ich will alle Autorinnen fair bezahlen, | |
Journalismus ist für uns kein Hobby.“ | |
Die 31-Jährige ist Korrespondentin im russischen St. Petersburg. Von dort | |
berichtet sie für diverse Zeitungen und die ARD-Radios – und lernt immer | |
wieder ihre Grenzen kennen: „Wir machen das ja auch, weil es in der ARD | |
nicht immer einfach ist, sich als junge Korrespondentin durchzusetzen.“ Sie | |
ist genervt von den grau melierten Männern in den Talkshows. Es gebe auch | |
andere, die berichteten, sagt sie, aber die seien ebenso wenig sichtbar wie | |
viele Frauen, über die es sich zu berichten lohnen würde. „Das will ich | |
ändern.“ | |
## Kein Platz für "Kantiges" | |
Und dafür umgeht sie die klassischen Medien. Denn Tillmann weiß, wie | |
schwierig es ist, „kantigere Themen“ dort unterzubringen. Im Mai war sie | |
bei der Eishockey-WM in Minsk, die Sportwelt zu Gast beim Diktator | |
Lukaschenko, die Verbände bewiesen wieder einmal, wie egal ihnen | |
Menschenrechte sind – doch die Redaktionen interessierte das kaum. Die | |
hatten die Kriege in Syrien und der Ukraine auf dem Schirm – und damit | |
waren die Auslandsseiten voll. | |
Die ersten beiden Themen, die die Korrespondentinnen angehen wollen – über | |
Ostafrikas erste Kampfpilotin und über eine immer wieder von ihrem Vater | |
vergewaltigte Afghanin –, fallen wohl auch in die Tillmann’sche Kategorie | |
„kantig“, schwer zu verkaufen. | |
## Goldenes Zeitalter der Medien-Start-Ups | |
Doch Tillmann treibt mehr an, als nur einen Platz zu haben, um Themen | |
unterzubringen. Sie will lernen. Sie glaubt an das in den USA ausgerufene | |
Goldene Zeitalter der Medien-Start-Ups. Sie ist davon überzeugt, dass es | |
einen Bedarf an Medien neben den etablierten gibt; dass viele Zeitungen | |
schon bald nicht mehr täglich gedruckt erscheinen werden; dass einige sich | |
zu Tode sparen werden; und dass JournalistInnen den Wandel ihrer Branche | |
mitgestalten sollten. | |
Und Tillmann gestaltet gerne. Sie hat sich schon einmal ein | |
journalistisches Projekt von der Crowd finanzieren lassen: 2013 reiste sie | |
nach Indien und Nepal und ging der Frage nach, warum sich Tibeter aus | |
Protest gegen die Politik der chinesischen Regierung selbst anzündeten. | |
3.500 Euro wollte sie für die Reise zusammenbekommen. Das klappte nur, weil | |
kurz vor Schluss der Kampagne ein befreundetes Ehepaar 2.250 Euro zuschoss. | |
Viel wichtiger aber war für sie, gelernt zu haben, wie Crowdfunding | |
funktioniert – und wie es nicht funktioniert. In ihrem Blog hat sie 15 | |
Lehren über das Einsammeln von Geld gezogen, die letzte lautete: „Habe Mut | |
zu scheitern.“ | |
16 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.startnext.com/deine-korrespondentin | |
[2] /!a=Simone+Schlindwein/ | |
[3] http://www.startnext.com/deine-korrespondentin | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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