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# taz.de -- Auszeichnung für Berliner Webradio: Ungleiche Gewinner
> Die Macher des „Berlin Community Radio“ haben den „Crowd for Media“-P…
> gewonnen. Über die Kriterien der Preisvergabe lässt sich streiten.
Bild: Sarah Miles (links) und Anastazja Moser haben die Radio-Finanzierung für…
Das Studio ist kaum größer als eine Besenkammer. Schon mit der Besetzung
von zwei Leuten wird es mehr als gemütlich. Auf knapp acht Quadratmetern,
dem Herzen des [1][Berlin Community Radio], baumeln die Boxen von der
Decke.
Der schmale Raum im Acud-Kunsthaus in Berlin-Mitte ist mit schwarzen
Schallschutz-Elementen ausgekleidet. Dieses kleine Technik-Mekka platzt
fast vor Equipment: Plattenspielern, CD-Playern, Mischpult, Mikrofonen und
einem Computer, der mit einer Soundkarte verbunden ist. Ein Fenster, das in
den Hof blicken lässt, spendet ein wenig Licht.
„Den Rekord mit zwölf Leuten während einer Livesendung in diesem Studio
hält die Young Girl Reading Group“, sagt Anastazja Moser, 28 Jahre alt. Sie
initiierte mit ihrer 32-jährigen Nachbarin Sarah Miles im September 2013
das Berlin Community Radio (BCR).
Die Lesegruppe mit Mädchen osteuropäischer Herkunft ist eines der 90
Formate des Online-Radios. Neben vielen Musikshows reicht das Spektrum von
Pop-Musikshows wie „[2][No Fear of Pop]“ bis zu Dancehall, wenn Anastazja
in ihrer Sendung „[3][Jerk Sauce]“ auflegt.
„Trotz des riesigen Musikangebots im Netz ist die Rolle des Radiomachers
wichtig. Er wählt aus und kuratiert“, sagt Sarah, die auch als DJ arbeitet.
Dafür nehmen sich die Frauen Zeit.
Oft waren sie wochentags bis Mitternacht im Acud, das seit Oktober ihr
neues Radio-Zuhause ist. Alle Sendungen werden im Studio live produziert
und als Podcast auf der Musikstreaming-Plattform Soundcloud veröffentlicht.
## Mit Radio aufgewachsen
Vor einem halben Jahr standen sie vor dem Aus. Auf Dauer hätten sie die
Kosten für Miete, Internetanschluss und Musikverwertung nicht mehr zahlen
können. „Crowdfunding war unser letzter Ausweg, um das Radio am Leben zu
erhalten“, sagt Anastazja. Damals war sie dem Funding gegenüber skeptisch,
doch sie hatten Erfolg. Durch die Unterstützung ihrer Community sammelten
sie im Frühjahr über 3.300 Euro.
Die Wahlberlinerinnen hatten vor vier Jahren angefangen mit einer Sendung,
die sie tagsüber im Club Farbfernseher aufnahmen. Ihre Show „Welcome to the
Room“ wurde bekannt, das Radio-Konzept entwickelte sich. „Am Anfang hatten
wir keine Infrastruktur, dafür aber viel Enthusiasmus“, sagt Anastazja.
Nach dem Erfolg beim Crowdfunding wurde auch die Stadt Berlin auf sie
aufmerksam. Sie wurden für den „[4][Crowd for Media Preis]“ vorgeschlagen,
den sie Ende März für sich entscheiden konnten.
„Viele internationale Websites haben unseren Aufruf unterstützt, für das
Voting des Berliner Senats abzustimmen“, erzählen sie. Die
Öffentlichkeitsarbeit dafür haben sie allein übernommen. Die versprochene
Unterstützung seitens des Senats blieb aus.
Die letzten Monate waren nervenaufreibend für das Team. Neben der
Crowdfunding-Kampagne haben sie Kontakte aufgewärmt und einen Businessplan
erstellt, um sich für Kulturförderungen zu bewerben.
Von der vielen unbezahlten Arbeit, die sie in der Berliner Kreativbranche
erlebt haben, sind die beiden nicht begeistert. Gerne würden auch sie die
Studiohelfer, Grafiker und Programmierer bezahlen, doch das ist noch nicht
möglich.
Die Arbeit ist es ihnen aber wert: „Es macht einen Unterschied, mit Leuten
im Studio live zu senden und das Publikum live zu erreichen“, sagt Sarah,
die ursprünglich aus London kommt. „Ich bin mit Radio aufgewachsen und habe
dadurch viel über Musik gelernt und Neues entdeckt“, fügt sie hinzu. „Das
Radio bringt Menschen zu einer Community zusammen“, so Sarah.
Mittlerweile haben sie 70 Mitarbeitende hinter sich, darunter Künstler wie
den finnischen Musiker [5][Jaakko Eino Kalevi] oder die Sendung des
Goth-Labels [6][Unreal]. „Unser Traum wäre es, wenn wir uns mit dem Radio
finanzieren könnten“, sagt Anastazja. Sie kommen ihrem Ziel mit
Teilerfolgen entgegen.
## Der Crowdfunding-Preis
Wie sinnvoll die Kriterien für den Crowd for Media-Preis sind – darüber
lässt sich streiten. Die Senatsverwaltung geht gezielt auf einzelne
Projekte zu, die bereits erfolgreich eine Crowd, das heißt Freunde und
Unterstützer, mobilisiert haben. Per Publikumsvoting auf der Website des
Berliner Senats wurden die Gewinner der Media-Edition ermittelt.
Vierzehn Projekte waren insgesamt nominiert. Man habe Projekte ausgewählt,
die einen innovativen und interaktiven Zugang in Bezug zur Stadt
herstellen, erklärt Katrin Tobies, Referentin von „Projekt Zukunft“, der
zuständigen Abteilung. Man wolle diejenigen weiter fördern, die selbst
genügend Aufmerksamkeit erzeugen und sich durch ein Crowdfunding bewährt
haben.
„Viele Projekte vergessen, wie hoch die eigentlichen Projektkosten sein
können“, so Tobies. Bis zuletzt blieb es spannend zwischen dem Web-Radio
und dem Musik-Format Yagaloo. Anastazja und Sarah konnten sich mit über 30
Prozent der 29.000 Stimmen durchsetzen.
Michael Weiner, Initiator von [7][Yagaloo], der den zweiten Platz für sich
beanspruchen konnte, hat sich von seinem Preisgeld erst einmal eine neue
Kamera gekauft. Sein Markenzeichen ist eine schwarze Baseballcap, ein
angegrauter Fünftagebart und ein leicht nach oben gezogener Mundwinkel. Der
Preisauslobung gegenüber ist er skeptisch, obwohl er sich freut.
„Meines Erachtens sollten bei dem Voting mehrere Faktoren einberechnet
werden wie die Summe des Crowdfundings oder Social Media Daten“, sagt
Michael. Yagaloo gibt es seit 2007. Damals war er noch bei TV Berlin
angestellt, seit sechs Jahren ist er selbstständig. Ein Crowdfunding hat er
bereits zweimal erfolgreich abgeschlossen.
Howie – wie er sich nennt – hat neben neuer Technik ebenfalls in die
Abdeckung der Grundkosten investiert. Sein Onlineformat Yagaloo ist eine
Plattform für Newcomer aus der Musikszene. Er versorgt seine Zuschauer mit
Star-News aus der Fotoplattform Instagram, Videointerviews und Konzerten.
„Mein Musikprogramm ist breit gefächert, von Casting-Künstlern, Newcomern
über Klassiker wie den Popsänger Jimmy Somerville bis hin zu Chartbreakern
wie dem Berliner Rapper Marteria“, sagt Michael. Seine Video-Clips stellt
er TV Berlin und drei Brandenburger Regionalfernsehsendern zur Verfügung.
Den dritten und letzten Platz mit einer Förderung von 2.000 Euro bekam die
Dokumentation „[8][Du musst dein Leben ändern]“ von Benjamin Riehm über d…
Kulturgarten Klunkerkranich auf dem Dach der Neukölln Arcaden.
Verschiedener könnten sie nicht sein, unterschiedlichere Zielgruppen
ansprechen – die Gewinner des Crowdfunding-Preises.
## Hörer in den USA
Das Berlin Community Radio hat sich mit der zusätzlichen Summe von 5.000
Euro für den ersten Platz die Studiokosten inklusive der
Musikverwertungsgebühren für das nächste Jahr gesichert. Sogar für neue
Kabel reiche das Geld.
Entspannung hat sich breitgemacht. Die Frauen können sich weiter einen
Arbeitsplatz im Acud leisten, und ihr neues Bandförderungs-Projekt „Welcome
to Berlin“ in Zusammenarbeit mit der Plattform Musicboard Berlin läuft
gerade an.
An weiteren Plänen sitzen die Macher des BCR bereits. Doch an einer
Berlin-Frequenz sind sie nicht interessiert. Die meisten ihrer Hörer
stammen aus den USA, und sie verknüpfen sich lieber mit Onlineradios in
London und Los Angeles. Anfang Mai wurden sie zum
„[9][//www.muziekgebouw.nl/festival/onlineradio:Online Radio Festival]“ in
Amsterdam eingeladen.
Nach einer Stärkung mit Pizza und Rotwein geht es an dem Sonntagnachmittag
unseres Treffens wieder an die Arbeit. Sie wollen Einspieler für die
Sendepausen produzieren. Und das kleine Studio ist – wie immer voll.
23 Apr 2015
## LINKS
[1] http://www.berlincommunityradio.com/
[2] http://www.berlincommunityradio.com/no-fear-pop
[3] http://www.berlincommunityradio.com/jerk-sauce
[4] http://www.berlin.de/projektzukunft/wettbewerbe/berliner-crowdfunding-preis…
[5] http://weirdworldrecordco.com/jek/
[6] http://www.unreal-life.com/
[7] http://yagaloo.com/
[8] http://aendern-leben.com/
[9] http://https
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Berlin
Crowdfunding
Medien
Ausland
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