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# taz.de -- Sprachlose Willkommenskultur: Kein Deutsch, keine Hilfe
> Flüchtlingsinitiativen beklagen einen eklatanten Mangel an
> DolmetscherInnen und mehrsprachigen Formularen in Bremer Behörden und
> Ämtern.
Bild: Wo's echt drauf ankommt, können wir auch Ausländisch.
BREMEN taz | Die Bremer Gruppe „acompa“ beschreibt sich als
„Begleitgruppe“, um Geflüchtete und MigrantInnen bei Behörden- oder
Arztgängen unterstützend zur Seite zu stehen. Diese Arbeit, schreibt acompa
jetzt in einem offenen Brief, der unter anderem an die Sozialsenatorin, das
Jobcenter und das Stadtamt gegangen ist, werde allerdings „in Folge der
Anrufung als Übersetzungsdienst immer häufiger überlagert“. Der Grund: Die
Bremer Behörden stellen keine Dolmetscher zur Verfügung.
Menschen würden von Behörden abgewiesen, heißt es in dem Brief, wenn sie
kein oder wenig Deutsch sprächen: „Betroffene berichteten im letzten Jahr
vermehrt davon, dass sie mit dem Hinweis, Deutsch sei Amtssprache und eine
Verständigung ohne Deutschkenntnisse der ’Kund_innen‘ nicht möglich,
aufgefordert werden, mit einer_m (selbst zu organisierenden und
finanzierenden) Dolmetscher_in wiederzukommen.“
Das Jobcenter und die Bundesagentur für Arbeit haben Anfang 2014 hingegen
einen Dolmetscherdienst eingerichtet – der freilich offenbar kaum
kommuniziert wurde: Auf eine Bürgerschafts-Anfrage der SPD im Juni 2014
hieß es: „Im Jobcenter (JC) Bremen wird auf den Einsatz von professionellen
Dolmetscher(n)/-innen und Übersetzer(n)/-innen vollständig, im JC
Bremerhaven nahezu verzichtet. Ein zahlenmäßiger Ausweis der Einsätze ist
nicht möglich.“ Übersetzungstätigkeiten würden stattdessen „von
Mitarbeiter/- innen des JC, Freunden, Verwandten sowie in Vereinen und
Verbänden ehrenamtlich tätigen Personen“ wahrgenommen.
Letzteres hat auch damit zu tun, dass die Bereitstellung eines
Jobcenter-Dolmetschers viel zu lange dauert: Die SachbearbeiterInnen müssen
bei ihrer Teamleitung zunächst einen Antrag stellen und die Notwendigkeit
eigens begründen. Erst, wenn das Okay erfolgt ist, kann der Dolmetscher
tatsächlich auch bestellt werden. „Immerhin plant das Jobcenter, Plakate in
mehreren Sprachen aufzuhängen, um ihre KlientInnen auf das Recht auf einen
Dolmetscher aufmerksam zu machen“, sagt Olaf Bernau von der Beratungsstelle
„Antidiskriminierung in der Arbeitswelt“ (ADA). Das sei als Reaktion auf
eine ADA-Veranstaltung im Dezember zum Thema „Amtssprache Deutsch:
Diskriminierung oder bloßes Verständigungsproblem?“ geschehen, bei der auch
die Migrationsbeauftragte des Bremer Jobcenters zu Gast war. Bei der
Flüchtlingsinitiative, die den acompa-Brief mitunterzeichnet hat, sieht man
darin nicht viel mehr als bloßen Aktionismus: „Plakate sind ja nett, aber
wie soll denn die Kommunikation funktionieren, bevor der Dolmetscher
genehmigt und bestellt ist?“, sagt eine Mitarbeiterin der Ini.
Es gebe bei den Behörden allenfalls wenige Broschüren in Englisch und
Französisch, aber selbst wer Englisch spricht, kommt oft nicht weit, weil
sogar bei der Ausländerbehörde oft kein Englisch gesprochen würde. „Die
Menschen kommen dann zu uns oder zu Gruppen wie acompa.“ Sogar
MitarbeiterInnen in Flüchtlingsunterkünften würden dort um Hilfe bitten.
Dabei, heißt es in dem Brief, „wehrt sich acompa dagegen, als
Serviceeinrichtung für Bremer Ämter und Behörden in Anspruch genommen zu
werden“. Das geschehe aber zunehmend, sagt Lilli Hasche von acompa: „Es
wird auf Leute zurückgegriffen, die kein Geld kosten.“
Während es bei der Sozialbehörde heißt, generell gebe es für die
wichtigsten Bereiche den Zugang zu Dolmetschern, bestätigt Rose
Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Innenbehörde, die Vorwürfe der
Flüchtlingsinitiative: „Wir wissen, dass wir eigentlich Dolmetscher
vorrätig haben müssten, und es ist ganz bedauerlich, dass dem nicht so
ist.“ Eine Änderung dieses Zustandes sei aber nicht abzusehen: „Das ist im
Augenblick schlichtweg nicht zu finanzieren.“
19 Feb 2015
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Flüchtlinge
Ausländerbehörde
Willkommenskultur
Dolmetscher
Migration
Flüchtlinge in Niedersachsen
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