# taz.de -- Qualifizierung von Dolmetscherinnen: Vergewaltigung, Missbrauch: we… | |
> Erstmals sollen Frauen, die in Beratungen dolmetschen, für die schwierige | |
> Aufgabe qualifiziert werden. Für Männer fühlt sich niemand zuständig | |
Bild: Häusliche Gewalt: Auch Übersetzer*innen finden häufig keine Worte | |
Sie sitzen dabei, wenn ein Kind in einer Beratungsstelle über den | |
Missbrauch durch seinen Vater spricht. Oder Frauen von einer Vergewaltigung | |
berichten. Oder ein Familienvater erzählt, wie auf der Flucht seine Kinder | |
ertrunken sind. Dabei sollen sie nichts anderes tun, als das Gehörte auf | |
Deutsch zu übersetzen, sodass es die Beraterin versteht. Doch das, | |
berichten übereinstimmend Mitarbeiterinnen von Bremer | |
Beratungseinrichtungen, können nicht alle Übersetzer*innen. | |
„Wir bauen immer einen kleinen Puffer für die Vor- und Nachbesprechung mit | |
der Dolmetscherin ein“, sagt etwa Sandra Reith, Psychologin bei | |
Schattenriss, einem Verein, der sexuell missbrauchte Mädchen betreut. | |
Vorher sei es wichtig zu klären, dass sich die Sprachmittlerinnen nicht in | |
das Gespräch einmischen. „Manche denken, sie müssten helfen.“ Andere hät… | |
Schwierigkeiten, das Gehörte zu verarbeiten. | |
Das liegt daran, dass die von der Performa Nord vermittelten | |
Sprachmittlerinnen keine andere Qualifikation für ihre Tätigkeit haben als | |
ihre Deutschkenntnisse. Eine von der Gleichstellungsbeauftragten und | |
Refugio, dem Beratungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer organisierte | |
Fortbildung soll dies jetzt ändern. | |
Sie beginnt Mitte November, ist kostenlos, richtet sich ausschließlich an | |
Frauen und heißt „Schwerpunkt Flüchtlingsfrauen und Gewalt“. An vier halb… | |
Tagen soll sie Grundlagenkenntnisse über Gewalterfahrungen und ihre | |
Verarbeitung vermitteln und den Sprachmittlerinnen dabei helfen, ihre Rolle | |
zu finden. | |
Innerhalb von zwei Tagen sei die für zwölf Teilnehmerinnen konzipierte | |
Veranstaltung ausgebucht gewesen, sagt Margaretha Kurmann, Mitarbeiterin | |
der Gleichstellungsbeauftragten. „Der Bedarf ist sehr groß.“ Es seien oft | |
sehr junge Frauen, manche hätten selbst Fluchterfahrungen. Sie habe immer | |
wieder von Sprachmittlerinnen gehört, die sich moralisierend eingebracht | |
hätten. Ein anderes Problem sei, wenn die Übersetzerinnen überfordert | |
seien, sagt Kurmann. „Das beeinträchtigt die Beratung, wenn jemand im Raum | |
nicht damit klar kommt, was erzählt wird.“ Deshalb sollten die | |
Sprachmittlerinnen wissen, was sie aushalten – und welche Kontexte sie | |
besser vermeiden. | |
Bezahlt wird die Fortbildung jetzt einmalig als Projekt von der | |
Gleichstellungsbeauftragten. „Wir haben dafür eigentlich kein Geld, aber es | |
fühlt sich sonst keine senatorische Behörde zuständig“, sagt Kurmann. Daher | |
ist der Teilnehmerkreis auf Frauen beschränkt. „Männer bräuchten so eine | |
Fortbildung natürlich genauso.“ | |
Etwas weniger als die Hälfte der 300 Personen, die die Performa Nord in | |
ihrer Kartei hat, sind Frauen. Leben könnten die wenigsten von den | |
Übersetzungsdiensten, sagt Insa Stütze, stellvertretende Projektleiterin | |
bei Performa Nord, einem Eigenbetrieb des Landes Bremen. Dieser nimmt 7,50 | |
Euro für die Vermittlung der Dienstleistung, die Übersetzer*innen bekommen | |
24 Euro pro Stunde. Hinzu kommen 16 Euro Fahrtkosten. | |
Diese Kosten müssen die Auftraggeber selbst zahlen. Das ist ein Problem für | |
alle – besonders trifft es aber kleine Beratungsstellen wie Schattenriss | |
oder den Notruf Bremen, der erwachsenen Opfern von sexualisierter Gewalt | |
hilft. | |
„Wir brauchen mittlerweile nahezu täglich eine Übersetzungshilfe“, sagt d… | |
Notruf-Mitarbeiterin Sonja Schenk, „dafür haben wir aber keine Ressourcen.“ | |
Im Etat vorgesehen sei ein Dolmetscher pro Woche – um nicht in finanzielle | |
Schwierigkeiten zu geraten, sei der Verein deshalb gezwungen, sich selbst | |
ein Limit zu setzen. | |
Anders als in Bremen übernimmt im Nachbarland Niedersachsen der Staat die | |
Kosten für Übersetzungsdienstleistungen – wenn Frauen oder Mädchen beraten | |
werden. Maximal 50 Euro zahlt er auf Antrag. Bis April konnten dies nur | |
Gewalt- und Schwangerenberatungsstellen in Anspruch nehmen, jetzt wurde der | |
Kreis erweitert auf „Einrichtungen, die in Niedersachsen Beratungsgespräche | |
und Veranstaltungen mit geflüchteten Frauen verwirklichen“, wie es im | |
Info-Flyer heißt. 300.000 Euro jährlich stellt Niedersachsen für das | |
Projekt „Worte helfen Frauen“ zur Verfügung und will damit „eine | |
gleichberechtigte Teilhabe und Gleichstellung der Geschlechter“ fördern. | |
20 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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