# taz.de -- Neue Struktur im Auswärtigen Amt: Deutsch heißt jetzt zivil | |
> Das Auswärtige Amt wird umgestaltet, um besser auf Konflikte zu | |
> reagieren. Eine neue deutsche Außenpolitik sieht Außenminister Steinmeier | |
> nicht. | |
Bild: Da steht wenigstens drauf, was drin ist: Flugzeug der Flugbereitschaft de… | |
BERLIN taz | Es passiert nicht so oft, dass Außenminister Psychotherapeuten | |
zitieren. Frank-Walter Steinmeier (SPD) hält es mit Paul Watzlawick, der | |
sagte: Wer nur einen Hammer hat, für den ist jedes Problem ein Nagel. | |
Diese Metapher beschreibt fast undiplomatisch deutlich, dass man in | |
Deutschland schnell über Sanktionen oder Militäreinsätze redet. Wir | |
befänden uns zu oft in der Wahl „militärischer Einsatz oder folgenloses | |
Reden“, so Steinmeier. Es gehe um „Lösungen dazwischen“, also darum, | |
Prozesse zu beeinflussen, bevor Militär eingesetzt werden muss. | |
Deshalb will der Minister das Amt umstrukturieren – in dem konservativen | |
Apparat eine ungewöhnliche Maßnahme. Eine neue Abteilung wird sich um | |
Prävention, Stabilisierung und Nachsorge von Konflikten wie in der Ukraine | |
kümmern. Die Reform will Steinmeier nicht als neue deutsche Außenpolitik | |
etikettiert wissen – sie sei die nötige pragmatische Antwort darauf, dass | |
„die Krise immer mehr die Normallage wird“. | |
Die neue Abteilung soll mit den Länderreferaten im Auswärtigen Amt | |
kooperieren. Die Spitze des Amtes hofft, damit einen Stil flexibleren | |
übergreifenden Arbeitens zu etablieren. Wie suboptimal die Organisation im | |
Haus derzeit ist, zeigt der Umstand, dass das gleiche Personal kürzlich die | |
Atomverhandlungen mit Iran und die Ukrainekrise managte. | |
## Bewusst provozierende Frage | |
Mehr Abteilungen oder Personal soll die Reform nicht erforderlich machen. | |
Die Abteilung Abrüstung wird in das Ressort internationale Ordnung | |
integriert – daher bleibt die Zahl der Ressorts gleich. Steinmeier | |
versichert, dass der Umbau mehr als Kosmetik ist: „Es wird sich einiges | |
ändern“. Etwa bis Ostern soll die Reform über die Bühne sein. | |
Ziel der Umstrukturierung ist auch, dass Deutschland mehr und schneller | |
Mitarbeiter etwa für OSZE-Missionen stellen kann. Ob damit eine bessere | |
finanzielle Ausstattung des Zentrums für internationale Friedenseinsätze | |
(zif) verbunden ist, ist unklar. Das zif gehöre, so die vage Aussage des | |
Auswärtigen Amtes, „zu unserem Instrumentenkasten“. | |
Der Reformplan ist das einzig fassbare Ergebnis des von Steinmeier vor | |
einem Jahr initiierten Review-Prozesses, in dem Experten und Öffentlichkeit | |
deutsche Außenpolitik begutachten sollten. Die Ausgangsfrage: Was macht die | |
deutsche Außenpolitik falsch?, war, so Steinmeier, bewusst provozierend | |
gestellt. | |
## 82 Prozent lehnen Militäreinsätze und Waffenexporte ab | |
Zentrale Erkenntnis von Review aus Sicht des Ministeriums: Die Kluft | |
zwischen globalen Ansprüchen an Deutschland und der tiefen Skepsis der | |
Bevölkerung gegenüber der Übernahme von mehr internationaler Verantwortung | |
wächst. International würden manche erwarten, dass Deutschland „Europa | |
revitalisieren, Russland europäisieren, Amerika multilateralisieren“ solle. | |
Und das angesichts eines unwilligen heimischen Publikums, klagt der | |
Außenminister. | |
Eine vom Auswärtigen Amt beauftragte Umfrage der Körber-Stiftung zeigte | |
unlängst, dass 82 Prozent der Deutschen Militäreinsätze der Bundeswehr und | |
Waffenexporte ablehnen. Fast zwei Drittel wollen, dass sich Deutschland bei | |
internationalen Krisen generell stärker zurückhält. 1994 hatten sich noch | |
zwei Drittel für mehr deutsches Engagement ausgesprochen. | |
Die Zurückhaltung ist 2015 parteiübergreifend. Sie reicht von Union bis | |
Linkspartei. Sie ist bei Frauen stärker als bei Männern, im Osten | |
ausgeprägter als im Westen. Es gibt nur eine Gruppe, die internationales | |
deutsches Engagement erheblich positiver sieht als der Rest: die Jüngeren | |
bis 29 Jahre. | |
25 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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