Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hallo, liebe Skeptiker: Impft euch!
> Nach dem Masernausbruch in Berlin wird wieder eifrig über den Nutzen von
> Impfungen diskutiert. Eine Erwiderung auf die häufigsten Gegenargumente.
Bild: Impfungen bereichern bloß die Pharmaindustrie? Ja. Aber nicht so, wie Si…
Wieso soll ich meine Kinder ohne Not impfen lassen? Man hört doch immer
wieder von Geimpften, die trotzdem krank werden.
Keine Impfung bietet einen hundertprozentigen Schutz vor Ansteckung –
genauso wenig wie ein Medikament bei sämtlichen Patienten wirkt. Allerdings
können Impfungen die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, deutlich senken.
Für die Masern etwa gilt: Von 100 Geimpften bekommen ein bis acht Menschen
trotzdem die Masern, wenn sie dem Virus ausgesetzt sind. Aber: Von 100
Ungeimpften stecken sich mindestens 90 an.
Wer garantiert mir denn, dass die Impfung wirkt?
Wären Impfstoffe unwirksam, machte die Pharmaindustrie ein wirklich
schlechtes Geschäft: Sie muss ja gegenüber den für Impfstoffe zuständigen
Genehmigungsbehörden, der Europäischen Arzneimittelagentur und dem
deutschen Paul-Ehrlich-Institut, durch klinische Studien zunächst
nachweisen, dass die Impfstoffe wirken und verträglich sind. Andernfalls
darf sie ihre Produkte gar nicht auf den Markt bringen. Und wie sonst ließe
sich der dramatische Rückgang der Kinderlähmung in den 1960er Jahren
erklären? Während in der Bundesrepublik 1961 noch fast 4.700 Kinder an
Kinderlähmung erkrankten, waren es im Jahr 1965 bereits weniger als 50
Kinder. Dazwischen lag zufällig die Einführung der Polio-Impfung.
Die Erreger sind eine bloße Erfindung derjenigen, die mit der Impferei
Geschäfte machen wollen.
Impfstoffe werden aus abgeschwächten oder inaktivierten Erregern gewonnen.
Heißt: ohne Erreger kein Impfstoff. Seit Einführung der Mikrofotografie im
19. Jahrhundert lassen sich Bakterien gut erkennen, dank der
Elektronenmikroskopie inzwischen auch Viren. Für manche Keime ist auch der
genetische Code bekannt.
Wer eine Krankheit durchgemacht hat, ist abgehärteter und besser geschützt
als durch eine Impfung.
Interessante These, doch fehlen bislang wissenschaftliche Nachweise. Aber
selbst wenn es so wäre: Unbestritten ist, dass ungeimpfte Kinder durch die
Erkrankung schwere gesundheitliche Komplikationen bis hin zum Tod erleiden
können.
Wir Eltern haben diese Kinderkrankheiten schließlich auch gehabt – und gut
überstanden.
Glück gehabt! Natürlich heilen viele Infektionen folgenlos ab. Dennoch:
Kinderkrankheit bedeutet eben gerade nicht, dass die Krankheit harmlos ist,
sondern bloß, dass sie lange Zeit vor allem im Kindesalter auftrat.
Beispiel Masern: Ungefähr bei einem von 1.000 Kindern, die an Masern
erkranken, entwickelt sich eine Entzündung des Gehirns, die häufig
bleibende Hirnschäden nach sich zieht. In etwa einem Fall von einer Million
Fällen tritt eine solche Gehirnentzündung auch nach der Impfung auf – das
ist jedoch tausendmal seltener als bei der Erkrankung selbst. Mumps
wiederum kann bei jungen Männern eine Hodenentzündung nach sich ziehen,
Fruchtbarkeitsstörungen inklusive. Eine Impfung kann dies meistens
verhindern. Oder Röteln: Sind Schwangere nicht gegen die Krankheit immun,
dann kann das Ungeborene schwere Fehlbildungen erleiden. Eine zweimalige
Röteln-Impfung dagegen schützt vor dieser möglichen Krankheitsfolge zu fast
100 Prozent.
Ich stille mein Baby und gebe ihm so ausreichend natürliche Abwehrstoffe.
Tatsächlich übertragen Schwangere über das Blut Antikörper gegen bestimmte
Infektionen bereits auf ihr ungeborenes Kind. Mit der Muttermilch erhält
das Baby weitere Abwehrstoffe. Aber: Die Mutter kann nur Antikörper gegen
Krankheiten weitergeben, die sie selbst hatte oder gegen die sie geimpft
wurde. Der Nestschutz greift überdies nur bedingt: Bei Keuchhusten etwa
bildet das Immunsystem auch bei einer Erkrankung keine übertragbaren
Antikörper. Das Baby ist also nicht geschützt.
Wir impfen unsere Kinder viel zu früh – mit erheblichen Gesundheitsrisiken.
Diese Annahme ist nicht belegt. Umgekehrt gilt: Manche Infektionen treffen
Säuglinge deutlich schwerer als ältere Kinder. Beispiel Keuchhusten:
Stecken sich Kinder unter sechs Monaten an, dann kommt es in etwa einem
Viertel der Fälle zu Komplikationen wie Lungenentzündungen oder
Atemstillständen. Danach sinkt die Komplikationsrate auf etwa 5 Prozent.
Ein Säugling profitiert also besonders von der Impfung.
Impfungen verursachen doch erst die Erkrankungen, gegen die sie schützen
sollen.
Für die Kinderlähmung traf das in der Vergangenheit tatsächlich in manchen
Fällen zu. Die Schluckimpfung, ein Lebendimpfstoff, der bis 1998 gegeben
wurde, half zwar insgesamt sehr gut, die Zahl der Erkrankungen drastisch zu
senken. Dennoch verursachte der Lebendimpfstoff selbst jedes Jahr wenige
Infektionen. Seit 1998 wird die Polio-Impfung nur noch per Spritze
verabreicht – als Totimpfstoff, der die Erkrankung nicht auslösen kann.
Andere Impfstoffe können krankheitsähnliche Symptome hervorrufen, eine voll
ausgeprägte Erkrankung entwickelt sich aber praktisch nie. Bekanntestes
Beispiel sind die „Impfmasern“, die bei rund 5 Prozent der Geimpften nach
etwa einer Woche zu Hautausschlag führen können, aber nicht mit einer voll
ausgeprägten Masernerkrankung zu verwechseln sind.
Wer sich impfen lässt, ist anfälliger für Allergien.
Richtig ist: Es gibt heute mehr Impfungen als früher – und mehr Allergien.
Ob dazwischen jedoch ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist nicht
erwiesen. Schwedische Mediziner haben vor einigen Jahren gezeigt, dass
Kinder aus anthroposophisch orientierten Familien seltener zu Ekzemen
neigen. Tatsächlich wurden diese Kinder nicht so häufig geimpft. Aber sie
bekamen auch seltener Antibiotika, ernährten sich anders, und ihre Eltern
rauchten weniger. Niederländische Ärzte, die sämtliche zwischen 1966 und
2003 zu dem Thema veröffentlichten Fachartikel auswerteten, fanden dagegen
heraus, dass sich kein erhöhtes Allergierisiko finden ließ. Dazu passt,
dass es etwa in der DDR, wo eine gesetzliche Impfpflicht bestand, kaum
Allergien gab. Diese nahmen erst nach der Wende zu, während gleichzeitig
die Impfquoten sanken.
Die Nebenwirkungen und Risiken von Impfungen sind unkalkulierbar.
Richtig ist: Impfstoffe können Nebenwirkungen haben. Die Risikobewertung
ist aber schwierig: Weil Impfungen sehr häufig sind, können viele
Gesundheitsstörungen ganz zufällig nach der Immunisierung auftreten, ohne
dass ein Zusammenhang mit der Impfung bestehen muss. Vor einigen Jahren
wurde beispielsweise diskutiert, ob der plötzliche Kindstod durch Impfungen
begünstigt werden könnte. Mehrere Kinder waren kurz nach der Immunisierung
gestorben. Inzwischen weisen Studien eher in die andere Richtung. Mediziner
von der Universität Magdeburg kamen nach einer Analyse von gut 300
Kindstodesfällen zu dem Schluss, dass die betroffenen Babys seltener und
später geimpft worden waren als üblich.
Der britische Arzt Andrew Wakefield wiederum hatte Ende der 1990er Jahre
nach einer sehr kleinen Studie mit zwölf Kindern die Hypothese aufgestellt,
dass die Masern-Mumps-Röteln-Impfung Autismus begünstigen könne. Größere
Studien konnten den Zusammenhang nicht bestätigen. Später stellte sich
heraus, dass Wakefield von Anwälten Geld erhalten hatte, die Eltern
autistischer Kinder vertraten und nach Verbindungen zwischen Autismus und
Impfung suchten, um Hersteller des Impfstoffs zu verklagen. Der Arzt verlor
2010 in Großbritannien wegen unethischen Verhaltens seine Zulassung.
Es gibt auch Ärzte, die vom Impfen abraten.
Totalverweigerer in der Gruppe der Ärzte sind selten. So fanden Freiburger
Forscher vor einigen Jahren bei einer Befragung von über 200 homöopathisch
orientierten Ärzten heraus, dass diese die „klassischen“ Impfungen gegen
Tetanus, Diphtherie und Polio fast ebenso häufig verabreichen wie ihre rein
schulmedizinischen Kollegen. Auch bei der Masernimpfung findet mittlerweile
ein Umdenken statt – hin zu einer Impfempfehlung. Und: Der Deutsche
Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) stellte 2002 in einer
Stellungnahme zwar klar, dass eine Diskussion über den Nutzen von Impfungen
legitim sei und Entscheidungen individuell getroffen werden müssten.
Gleichzeitig aber bekräftigte der Verein, die Empfehlungen der Ständigen
Impfkommission seien „sorgfältig erwogen und berücksichtigen den aktuellen
Stand des Wissens mit der Absicht, das Auftreten vieler
Infektionskrankheiten grundsätzlich zu verhindern.“
Die meisten Krankheiten, gegen die geimpft wird, treten in Deutschland gar
nicht mehr auf oder können genauso gut mit Antibiotika behandelt werden.
Dass Kinderlähmung oder Diphterie hierzulande kaum noch auftreten, ist ja
gerade das Verdienst von Impfprogrammen. Dass die Erreger damit längst
nicht ausgerottet sind, zeigt allerdings das aktuelle Beispiel der
Masern-Epidemie in Berlin. Durch internationalen Reiseverkehr können
Infektionen immer wieder eingeschleppt werden. Und: Die heutigen
Behandlungsmöglichkeiten von Infektionskrankheiten sind zwar weitaus besser
als früher. Gegenüber Viren aber sind Antibiotika unwirksam.
Antibiotikaresistenzen gefährden zunehmend die Behandlungsmöglichkeiten von
bakteriellen Erkrankungen. Impfung und Therapie sind also keine Gegensätze,
sondern Teil derselben Schutzkette. Manchmal verhindert die Impfung zwar
nicht die Infektion, aber ihre schwersten Verläufe.
Impfungen bereichern bloß die Pharmaindustrie.
Natürlich will die Pharmaindustrie Geld verdienen mit ihren Produkten.
Allerdings dürften Medikamente für chronisch Kranke, die ein Leben lang
eingenommen werden müssen, mehr Gewinn einbringen als Impfstoffe, die in
der Regel nur wenige Male verabreicht werden. Bei den Krankenkassen gehören
Impfstoffe zu den großen Ausgabenposten, doch den Ausgaben für Impfstoffe
stehen Einsparungen gegenüber – für Therapien oder Reha, die dann eben
nicht mehr gebraucht werden.
8 Mar 2015
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Masern
Impfung
Ärzte
Pharmaindustrie
Masern
Masern
Gesundheit
Gesundheit
Australien
Berlin
Schwerpunkt Klimawandel
Berlin
Vegetarismus
Masern
Bundesministerium für Gesundheit
Flüchtlinge
Masern
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nichts gelernt aus der Masernwelle 2015: Eine Stadt hat die Masern – mal wied…
Da könnte man Pickel kriegen: Trotz der Masernwelle 2015 hat die
Impfbereitschaft der BerlinerInnen nicht zugenommen. Nun sind die Viren
zurück.
Kampf gegen Masern: Berlin pikst zu selten
In der Stadt werden zu wenig junge Menschen gegen Masern geimpft. Die von
der WHO angestrebte Ausrottung der Krankheit wird so verfehlt.
Der Mensch und die Allergien: Was tun, wenn es brennt?
Wie helfen Impfungen? Welche Rolle spielt die Vererbung? Und wozu können
Allergien vielleicht sogar gut sein? Ein Überblick.
G-7-Treffen in Elmau: Der Gipfel der Gesundheit
Erstmals befasst sich ein G-7-Gipfel mit dem Kampf gegen tropische Viren
und multiresistente Killerbakterien. Das ist auch für die Wirtschaft
relevant.
Neues Gesetz in Australien: „Ohne Impfung kein Geld“
Australische Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, müssen künftig
mit weniger auskommen. Sozialleistungen sollen durch ein neues Gesetz
wegfallen.
Was Süddeutsche entdecken: Berlin wieder im Ausnahmezustand
Diesmal sind's die Masern, die die Hauptstadt ins Chaos stürzen - meint
zumindest die "Süddeutsche Zeitung" in bester Preußenhassermanier
herausgefunden zu haben.
Kolumne Wir retten die Welt: Hass in Zeiten der Masern
„Von Experten lassen wir uns gar nichts sagen.“ Diese Haltung vieler
Impfgegner kam ursprünglich von den Ökos. Jetzt beflügelt sie
Verschwörungstheorien.
Masern in Berlin: Neuer Höchststand erreicht
Seit Oktober grassieren die Masern in Berlin. Die Patientenzahlen steigen
immer noch an - auf einen neuen Höchststand in dieser Woche.
Hinweise des Vegetarierbundes: Impfungen sind nicht vegan
Viele Präparate enthalten tierische Stoffe, alle werden an Tieren getestet.
Doch sind diese Warnungen angesichts zu niedriger Impfquoten vertretbar?
Eltern in Sorge vor Masern: Rückzug ins Private
Für Säuglinge sind Masern besonders gefährlich. Aus Angst vor einer
Ansteckung sagen Eltern Treffen und Kurse ab. Kinderärzte empfehlen, Babys
zu Hause zu betreuen.
Hunderte Festnahmen in Pakistan: Kampf gegen Impfverweigerer
Mehr als 300 Fälle von Kinderlähmung waren 2014 in Pakistan registiert
worden. Die Gesundheitsministerin kündigte an, Impfverweigerung nicht
länger zu tolerieren.
Angst vor Nebenwirkungen unberechtigt: Die Mär von der gefährlichen Impfung
Berlin und Brandenburg wollen den Impfschutz für Flüchtlinge verbessern.
Die aktuelle Masernepidemie begann in einem Flüchtlingsheim.
Masern-Impfung in Deutschland: Selig sind die Selbstgerechten
Impfgegner fordern eine sachliche Debatte über die Gefahren. Von sachlichen
Argumenten sind sie selbst aber weit entfernt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.