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# taz.de -- Die Wahrheit: Geisterbahn mit Gröhe
> Gegen die wachsende Politikverdrossenheit beim Wahlvolk soll nun eine
> neue Idee helfen: der Vergnügungspark für Politiker.
Bild: Wie gemacht für die Rolle des Erschreckers im Gruselkabinett: der fahle …
Die Politikverdrossenheit in Deutschland ist auf einem Allzeithoch.
Aktuellen Umfragen zufolge wissen 43 Prozent der Deutschen nicht, wie die
Kanzlerin mit Nachnamen heißt. 20 Prozent halten Steinmeier für ein vom
Aussterben bedrohtes Nagetier, und 11 Prozent sind der festen Überzeugung,
Deutschland werde von einer Horde sprechender Affen regiert, wie in „diesem
geilen 3-D-Film, der da neulich im Kino lief“.
Das Kanzleramt sucht deshalb seit Langem nach ungewöhnlichen Ideen, um
Bürger wieder an die Politik heranzuführen. Der Zuckerbäcker Ronny Fichtel
aus Leipzig hat nun mit seinem innovativen Konzept den ersten Platz der
Ausschreibung belegt.
Seine Idee ist simpel: ein Vergnügungspark mit Politikern. Jedes
Kabinettsmitglied muss eine Woche im Monat dort arbeiten und wird je nach
Befähigung eingesetzt. „Es ist doch so: Politik ist öde und langweilig.
Vergnügungsparks sind unterhaltsam und spannend. Da liegt es doch nahe, das
eine mit dem anderen zu kombinieren, damit Synergieeffekte auftreten“,
erläutert Fichtel das Projekt.
Erste Testläufe seien bereits durchgeführt worden und grundsätzlich auf
positive Resonanz beim Publikum gestoßen. Allerdings habe sich
herausgestellt, dass die Organisation schwieriger als erwartet sei.
Besonders die Verteilung der jeweiligen Jobs sei dabei ein großes Problem
gewesen.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt habe es beispielsweise von Beginn an
abgelehnt, ressortfremd eingesetzt zu werden. Letztlich ist das
eingetreten, was Fichtel und sein Team unbedingt verhindern wollten. „Jetzt
macht der Dobrindt die Achterbahn, und natürlich gibt es Beschwerden.“
Die ersten Wochen fand überhaupt kein Betrieb der Bahn statt. Der
Verkehrsminister rechtfertigte die Stilllegung damit, erst ein
zuverlässiges Fahrpreiserfassungssystem entwickeln zu müssen. Noch vor
Inbetriebnahme gab es datenschutzrechtliche Bedenken. Dobrindt ließ 894
Kameras in der Anlage installieren zur „eindeutigen Identifikation der
Verkehrsteilnehmer“.
## Streit bei der Besetzung der Geisterbahn
Als dann die Bahn endlich rollte, berichteten verärgerte Besucher von
Dobrindts Versuchen, mehrmals den Fahrpreis abzukassieren. „Der hält die
Bahn jedes Mal an, wenn die unten wieder durchfährt!“, ereifert sich eine
Besucherin. Vor allem ausländisch aussehende Besucher scheinen von dieser
dubiosen Preispolitik betroffen zu sein. Dobrindt weist die Kritik zurück:
„Wer unsere Schienen benutzt, der muss auch für die Instandhaltung
aufkommen!“
Streit gab es auch bei der Besetzung der Geisterbahn. Den Job wollte keiner
der Politiker freiwillig machen – aus Sorge um das Image. Darum wählte das
Kabinett denjenigen aus, der am wenigsten zu sagen hat. Eigentlich wäre das
Entwicklungsminister Gerd Müller gewesen, aber er wurde als so unscheinbar
eingeschätzt, dass ihn kein Besucher wahrnehmen würde. Also musste
Gesundheitsminister Hermann Gröhe ran – ein Volltreffer, wie sich schnell
herausstellte.
„Haben Sie heute schon an Ihre Gesundheit gedacht?“, krächzt ein
fahl-blasser Gröhe mit tiefen Ringen unter den geröteten Augen direkt am
Start der Geisterbahn. Einfach, aber äußerst erschreckend. „Ein
Naturtalent, da war nicht mal Schminke nötig“, freut sich Betreiber
Fichtel.
Kanzleramtsminister Peter Altmaier wollte das Riesenrad betreuen.
Allerdings schlugen ihm die Fahrten auf den Magen. Jetzt steht Altmaier
ganz geerdet bei der Zuckerwatte und erklärt Schulkindern anhand der
Komplexität der Watte, wie politische Entscheidungen getroffen werden. „Er
ist ja auch eher ein Fädenzieher im Hintergrund“, findet Fichtel. Verliert
Altmaier die Lust, beißt er einfach einen großen Happen ab und vergisst für
eine Weile glücklich kauend die fragenden Kinderaugen.
Ein absolutes Highlight des Vergnügungsparks ist die wöchentliche Kochshow
mit Angela Merkel. Die passionierte Kartoffelsuppen-Königin blüht in der
einstündigen Veranstaltung richtiggehend auf. „Für eine gute Kartoffelsuppe
brauchen Sie vor allem Geduld!“, lässt sie ihre Zuschauer wissen und rührt
stoisch, aber sichtlich zufrieden in ihrem großen Topf.
Kritik wird allerdings auch hier geäußert: „Jede Zutat ist angeblich
alternativlos!“, ärgert sich ein Besucher nach der Show. „Muskat:
alternativlos. Speck: alternativlos. Aber ich mag kein Muskat und außerdem
bin ich Vegetarier!“
Zuckerbäcker Fichtel weiß, dass noch nicht alles perfekt läuft. Aber er ist
optimistisch. Außerdem habe er noch weitere innovative Ideen für den
Vergnügungspark, die er bald umsetzen möchte. „Politiker on Ice. Das wird
der Publikumsmagnet! Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gleiten Hand in Hand über die
Eisfläche. Und dabei diskutieren die beiden leidenschaftlich über die
nächste Waffenlieferung für Ägypten – wer in aller Welt möchte sich diese
Show entgehen lassen?“
9 Mar 2015
## AUTOREN
Nico Rau
## TAGS
Alexander Dobrindt
Politik
Hermann Gröhe
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Die Wahrheit
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