| # taz.de -- Schwankhallen-Premiere: Freier Blick aufs kahle Rund | |
| > Mit einer ansehnlichen "Liliom"-Inszenierung als letzter Eigenproduktion | |
| > spielt sich die Schwankhalle dem Leitungswechsel entgegen. | |
| Bild: Lina Hoppe trauert als Julie um den toten Proll Liliom, den Denis Fischer… | |
| BREMEN taz | War das ein gutes Ende? War es überhaupt eines? Immerhin, die | |
| von Anna Bartholdy und Peer Gahmert besorgte Inszenierung von Ferenc | |
| Molnárs „Liliom“, die Freitag Premiere feierte, war die letzte theatrale | |
| Eigenproduktion der Schwankhalle in der letzten von Susanne von Essen und | |
| Denis Fischer künstlerisch verantworteten Saison. So viel Endgültigkeit ist | |
| möglich. | |
| Allerdings, das kann man schön finden oder symptomatisch, es ist noch nicht | |
| ganz das Ende. Die Schwankhallen-Leitung hat ihren Abgang nicht als harten | |
| Cut, sondern eher als eine Art Auströpfeln programmiert: Neulich gab’s | |
| schon die letzte Inszenierung von Anja Wedig. | |
| Wedig war vom Bezug der Spielstätte vor zehn Jahren an immer irgendwie Teil | |
| des Staffs, und als sie dann vor zwei Jahren aus der Leitung ausschied, ist | |
| sie doch dem Hause verbunden geblieben. Im Februar hatte die Regisseurin | |
| dort die nicht nur von der taz sträflich ignorierte Uraufführung des | |
| Kinderstücks „Drei Freunde und Du!“ besorgt (das noch [1][zweimal] am | |
| kommenden Wochenende gespielt wird). Außerdem stemmt das Team, turnusgemäß, | |
| noch ein letztes Mal ein „Out Now!“-Festival im Mai. Und im Sommer wird man | |
| noch durch ein zehntägiges Jules Verne-Laboratorium am Werdersee zum | |
| Abschied die Welt retten. | |
| Das entlastet die „Liliom“-Inszenierung von der Bürde, den großen | |
| Schlussakkord zu liefern: Die 1909 uraufgeführte Vorstadtlegende über | |
| Leben, Sterben und Nachleben des Jahrmarktsausrufers, Vaters und | |
| verhinderten Raubmörders Andreas Zavoczki, genannt Liliom, wäre dafür auch | |
| ungeeignet: In jenen Mann, gefühls- eher noch als begriffstutzig, verliebt | |
| sich Julie und lässt sich von ihm schwängern. Liliom will durch einen | |
| Überfall auf einen Geldboten der kleinen Familie eine Zukunft in Amerika | |
| ermöglichen, scheitert aber, bringt sich um und soll, das entscheidet das | |
| himmlische Kommissariat, in dem er nach dem Tode begutachtet wird, 16 Jahre | |
| später noch einmal auf die Erde hinab, um seiner Tochter was Gutes zu tun. | |
| Was ihm nicht glückt. | |
| Wer an diesen naiv-volkststückhaften Bilderbogen mit Pathos herangeht, | |
| landet im Kitsch. Es geht um Atmosphäre, um die traurige Komik dieses | |
| Antihelden. Liliom lebt von einem starken Hauptdarsteller – und davon, dass | |
| die übrigen neben ihm nicht abschmieren. | |
| Halb so wild also, dass Bartholdy und Gahmert im Grunde keine Idee haben, | |
| wohin mit diesem Stück: Es offenbare die Frage, „woher unser Bedürfnis | |
| danach“ komme, „dass es am Ende gut ausgeht“, lassen sie wissen – wenn … | |
| schon ein Gedanke heißen soll, bleibt er doch extrem dürftig. Wenigstens | |
| versperrt kein ambitioniertes Konzept den Blick auf die Bühne, die ein | |
| kahler schwarzer Bretterkreis ist, selbst Lukas Zerbsts feine | |
| Videoprojektionen halten sich trotz plastischer Qualitäten – eine krasse | |
| Achterbahn! – allzu dezent im Hintergrund. Und vorne darf Denis Fischer | |
| sich ausprollen: Und tut das auch. | |
| Es macht Riesenspaß ihm dabei zuzuschauen, seiner Hilflosigkeit vor den | |
| dies- und jenseitigen Autoritäten, die Martin Leßmann mit sadistischer | |
| Freude an der Macht ausstattet, und noch mehr seiner Ratlosigkeit vor der | |
| unwahrscheinlichen Liebe Julies. | |
| Die Zumutung, diese glaubwürdig zu machen, gelingt Lina Hoppe auf | |
| bezaubernde Weise, sodass sich ein Schauspielabend ergibt, über den sich | |
| viele Stadttheater freuen könnten. Der aber nicht annähernd das Versprechen | |
| auf Wagnis, Experiment und neues Denken versucht einzulösen, für das eine | |
| Spielstätte der freien Szene gebraucht wird. Ganz ohne Groll und bestens | |
| unterhalten lässt dieser Abend also auf die Zäsur hoffen und auf den | |
| Neubeginn durch die neue künstlerische Leitung der Schwankhalle. Wenn das | |
| mal kein gutes Ende ist. | |
| 9 Mar 2015 | |
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| [1] http://www.schwankhalle.de/projekte/spielzeit/details/drei-freunde-und-du | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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